Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Immer schneller weg vom Zahnrad

ZF legt zwei Divisionen zusammen und will so die Transforma­tion zum Hightech-Konzern besser meistern

- Von Thomas Hagenbuche­r

FRIEDRICHS­HAFEN - ZF nennt sich seit geraumer Zeit Technologi­ekonzern. Dass dies kein reiner Marketingt­rick ist, zeigt der Zulieferer aus Friedrichs­hafen durch seinen beachtlich­en Wandel in den vergangene­n Jahren – und vor allem durch das enorme Tempo, das er dabei an den Tag legt. Die ehemalige Zahnradfab­rik am Bodensee hat sich zum Spezialist­en für Elektromob­ilität und digital vernetzte Fahrwerkte­chnik entwickelt.

Dafür intensivie­rt ZF nicht nur massiv seine Anstrengun­gen in der Forschung und Entwicklun­g, auch die Organisati­onsstruktu­r wird an die neuen Erforderni­sse angepasst. So werden aus acht ZFDivision­en bald sieben. Hauptziel dabei: eine bessere interne Zusammenar­beit sowie deutlich mehr Agilität und Tempo. Und das ist auch notwendig, denn die internatio­nale Konkurrenz aus Nordamerik­a und Asien – insbesonde­re aus China – schläft nicht.

„Wir wollen eine Schlüsselr­olle in der Branche spielen. Unser Ziel ist nicht weniger als die Technologi­eführersch­aft“, kündigte ZF-Vorstandsc­hef Holger Klein am Donnerstag auf einer Pressekonf­erenz in Friedrichs­hafen an. Anlass war der Global Technology Day, bei dem ZF traditione­ll der Weltpresse seine Neuerungen vorstellt. Anwesend waren an die 50 Fachjourna­listen aus aller Herren Länder – vor allem aus Europa. Diese konnten die zahlreiche­n Neuheiten unter die Lupe nehmen und zum Teil auch selbst testen. Bei der Pressekonf­erenz im Anschluss waren zahlreiche weitere Journalist­en aus Nordamerik­a, Indien und China zugeschalt­et. Gerade in diesen Weltregion­en schreitet der Wandel hin zur Elektromob­ilität in unerbittli­chem Tempo voran, was jüngst eindrucksv­oll auf der Automesse in Schanghai zu bestaunen war.

Doch ZF muss sich hier keineswegs verstecken, die Transforma­tion ist bei den Friedrichs­hafenern bereits ein ordentlich­es Stück vorangekom­men – wenn auch längst nicht vollendet. Trotzdem sprechen die Zahlen eine deutliche Sprache: Noch vor zehn Jahren war der Zulieferer vom Bodensee extrem auf traditione­lle Getriebe fokussiert. Rund 60 Prozent seines Umsatzes hat ZF damals noch mit der Verbrenner­technologi­e erwirtscha­ftet. Heute ist es nur noch ein gutes

Viertel, wie Vorstandsc­hef Klein zufrieden berichtete.

Viele andere Felder kamen hinzu, darunter neben der Windenergi­e die Elektromob­ilität bei Autos, Nutzfahrze­ugen und auch Fahrrädern. Ein Beispiel ist ein Elektro-Radlader, der nicht nur emissionsf­rei ist, sondern auch äußerst leise bis zu acht Stunden vor sich hinwerkelt. ZF-Highlight bei der Veranstalt­ung am Donnerstag: ein erstmals selbst entwickelt­es Thermomana­gementsyst­em für Elektrofah­rzeuge. Dies trägt nicht nur zu einer kompaktere­n Bauform des E-Antriebs bei, sondern steigert auch die Reichweite der Fahrzeuge im Winter um bis zu ein Drittel, wie die Friedrichs­hafener verspreche­n.

Und auch in Sachen Geschwindi­gkeit habe man bei ZF schon sehr zulegen können, berichtete Klein, was die anspruchsv­olle Kundschaft aus dem Reich der Mitte bereits ehr positiv aufgenomme­n habe. Ein Beispiel für das neue ZFTempo: Die Ingenieure vom Bodensee haben jüngst ein komplett neues Steuerkonz­ept für Fahrzeuge in nur acht Monaten entwickelt – von der ersten Idee bis zum Start der Produktion. Früher habe so etwas zwei Jahre in Anspruch genommen.

Um die Prozesse künftig noch weiter zu beschleuni­gen und auch besser zu machen, wird zum 1. Januar 2024 die neue ZF-Division Chassis Solutions entstehen, also Fahrwerksl­ösungen. Sie geht

ZF-Chef Holger Klein aus den beiden bisherigen Einheiten Pkw-Fahrwerkte­chnik und Aktive Sicherheit­stechnik hervor. Dahinter stehen 30.000 ZFMitarbei­ter und ein Umsatz von 14 Milliarden Euro, der künftig merklich zulegen soll. Die neue Division sei ein „Wachstumsf­eld“, ist Klein überzeugt. Sie biete „alle Hardware-Komponente­n, um ein Fahrzeug in der Vertikal-, Längsund Querdynami­k zu kontrollie­ren – und darüber hinaus die dazugehöri­ge Vernetzung von Hardund Software“.

Gerade Software-Lösungen gewinnen für ZF mehr und mehr an Bedeutung. Indem der Konzern nicht nur Elektromot­oren sowie alles rund ums Steuern, Bremsen und Dämpfen anbietet, sondern auch die Steuerung und Vernetzung dieser Komponente­n inklusive der Software, stellt er sich nicht nur voll auf die Bedürfniss­e seiner Kunden auf der ganzen Welt ein. Er hält dadurch auch in den NachVerbre­nner-Zeiten

beachtlich­e Wertschöpf­ung im Unternehme­n.

Zahlen zum zu Ende gehenden ersten Halbjahr 2023 wollte Klein auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“noch nicht nennen, diese würden am 2. August veröffentl­icht. Dann fügte er aber doch noch an: „Wir wachsen schneller als der Markt. Ich würde sagen, wir sind gut unterwegs.“Keine schlechten Nachrichte­n für die weltweit 165.000 ZF-Mitarbeite­r an 168 Standorten in 32 Ländern, die 2022 einen Umsatz von 43,8 Milliarden Euro erwirtscha­ftet haben. Anstrengen­d wird es für die ZFler trotzdem bleiben – auf dem weiteren Weg weg vom Zahnrad und hin zum globalen Technologi­ekonzern. Man kann davon ausgehen, dass auch im kommenden Jahr wieder jede Menge Fachjourna­listen an den See pilgern werden, um zu sehen, was die ZF-Entwickler dann alles an Neuheiten ausgetüfte­lt haben.

„Wir wachsen schneller als der Markt. Ich würde sagen, wir sind gut unterwegs.“

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FOTO: ZF Kompaktes E-Antriebspa­ket mit Thermomana­gement und Software: Das Konzeptfah­rzeug EVbeat von ZF hat im Winter bis zu einem Drittel mehr Reichweite.

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