Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Sterben und Erben
Gerhard Polt und die Well-Brüder in „A scheene Leich“an den Münchner Kammerspielen
MÜNCHEN - Wenn Gerhard Polt auf der Bühne nach vorne schlendert und der Saal vorfreudig zu lachen anfängt, wirkt der Kabarettist und Schauspieler leicht amüsiert über die Wirkung, die er erzielt. Vor acht Jahren zeigte Polt mit „Ekzem Homo“auf der Bühne des Schauspielhauses, dass der Mensch dem Menschen ein Geschwür ist. Damals wie heute beschert der Kabarettist zusammen mit den Well-Brüdern den Münchner Kammerspielen ein lange im Voraus ausverkauftes Haus.
Mit der Erblastkomödie „A scheene Leich“wenden Polt und die Wells sich den letzten Dingen zu. Dem Sterben eben, und da soll es würdig zugehen, dafür ist a scheene Leich da. Das ist nicht der Leichnam, sondern eine gelungene Bestattung, bei der alles passt und wo beim Leichenschmaus alle fröhlich in Tränen aufgelöst des teuren Verblichenen gedenken. Das wäre hier der Pius Brenner, Bestattungsunternehmer („Bei Pietas macht das Sterben Spaß“) und Altenheimbetreiber, ein lohnender Synergieeffekt. Von der ersten Chorprobe bis zum Leichenschmaus begleiten wir die Vorbereitungen der Beisetzung und den Blick auf Leben und Werk des Nekroökonomen. Da ist der Betrieb, der aufrechterhalten werden muss und in dem der Filialleiter (Polt) keine Nachlässigkeit in der Urnenkunde und beim Verkaufsgespräch duldet. Wer erfolgreich Marmorsärge verkauft, wird mit dem silbernen Sargnagel in Bronze ausgezeichnet. Da sind die Ehefrauen (beide Maren Solty): Hilde eins in rosa Chanel wies dem undankbaren Pius einst den Weg über Leichen. Frau Nummer 2, das Luder aus Feldkirchen und Alleinerbin, schießt am Grab Selfies. Gierig sind sie beide.
Und da ist Herr Sabo aus dem Altenheim Haus Sonnenstrahl (Stefan Merki), der klaglos Vernachlässigung hinnimmt und sich fürs Stinken entschuldigt, wenn es nur am Freitag eine Banane gibt. Nur dass die Ivanka nach Bosnien zurück ist, macht ihn traurig. Na ja, und natürlich die Toten. Es waren schon einige. Das wäre nicht passiert, wenn die Ivanka noch da gewesen wäre. So zieht die Frage nach der Würde vor dem Tod und unserem Umgang mit Alten in den Szenenreigen ein.
Ruedi Häusermann inszeniert leichtfüßig, lässt den Laienchor Tänze mit den Wandteilen aufführen, die sich zu immer neuen Räumen (Bühne: Häusermann und Christl WeinEngel) von verblichener Rustikalität zusammensetzen. Gerhard Polt, Fixpunkt des Abends, drängt sich nicht vor, spielt seinen Part eher beiläufig, ob als Anwalt, der den toten Pius vor Gericht wegen der Schweinereien in Haus Sonnenstrahl nach den Grundsätzen der Marktwirtschaft verteidigt. Oder als Pfarrer, der die Trauergesellschaft mit der Offenbarung des Johannes verstört und in die Flucht schlägt. Gedankliche Exkursionen ins Lernen und Erinnern und Anspruchsdenken gründeln tief im Schlamm der Gegenwart. Seine Kunst ist halt auch die des Weglassens, der Leerstellen im „woast scho“und „dings“, die Raum zum Weiterdenken geben.
Umrahmt und strukturiert wird das alles von Karli, Michael und Stofferl Well. Sie berichten von ihren Erfahrungen mit der Trauerkultur früherer Jahre, die auch immer eine große Gaudi war. Sie streuen famos musikalische Zwischenspiele ein, die von Schostakowitsch auf der Tuba bis zu barocken Trompetenkapriolen reichen. Für jeden Berufszweig haben sie das richtige Trauerlied und dichten Schlager zum Altenheimmedley um, wenn sie nicht warnen: „Carpe diem liebe Leut, die letzte Mass steht schon bereit.“Darauf Prost!
Termine: 8., 17., 21., 29. März, 20 Uhr, 12. März, 18 Uhr (der Februar ist ausverkauft), www.muenchner-kammerspiele.de