Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Landrat Sievers muss um Wiederwahl bangen

Bei der Wahl im kommenden Jahr bekommt das Kreisoberh­aupt wahrschein­lich Gegenkandi­daten

- Von Annette Vincenz

KREIS RAVENSBURG - Der Ravensburg­er Landrat Harald Sievers (CDU) muss um seine Wiederwahl bangen. Sein Krisenmana­gement in Sachen Oberschwab­enklinik (OSK) hat die Unzufriede­nheit, die in Teilen des Kreistags seit Monaten herrscht, noch einmal verstärkt. Nun überlegen die beiden größten Fraktionen im Kreistag – CDU und Freie Wähler – offenbar, jeweils einen Gegenkandi­daten für die Mitte nächsten Jahres anstehende Neuwahl des Landrats ins Rennen zu schicken.

Sievers selbst will am Donnerstag im Kreistag verkünden, ob er noch einmal antritt. Dann soll auch der genaue Wahltermin festgelegt werden.

„Ich bitte um Verständni­s, dass ich zuerst den Kreistag informiere­n möchte“, sagte Sievers auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“, ob er angesichts der Stimmung im Gremium noch einmal antreten wolle.

Nicht einmal seine eigene Partei, die CDU, scheint nach den siebeneinh­alb Jahren seiner ersten Amtszeit glücklich mit ihm. Dem 47-Jährigen wird beispielsw­eise angelastet, die schlechte Stimmung in der OSK als deren Aufsichtsr­atsvorsitz­ender zu spät wahrgenomm­en und zunächst nur halbherzig darauf reagiert zu haben: Viele Mitarbeite­r kündigten im Lauf der letzten zwei Jahre, Ärzte und Pflegekräf­te entzogen im Juli schließlic­h einem der beiden Geschäftsf­ührer das Vertrauen. Der Ruf des sonst so ausgezeich­neten Klinikverb­undes litt enorm, bis der Aufsichtsr­at im September dann doch noch die Reißleine zog und die Geschäftsf­ührung austauscht­e.

Der Vorwurf an Sievers: Er habe lange Zeit nicht begriffen oder nicht wahrhaben wollen, wie dramatisch die Situation tatsächlic­h war, weil ihm das Gespür fehle. Wochenlang war er der Überzeugun­g, es handele sich nur um „atmosphäri­sche Störungen“, die man bei einem Gespräch hätte ausräumen können.

Zuvor war immer wieder Sievers’ unbefriedi­gende Präsenz im Kreis und ein Fremdeln mit der oberschwäb­ischen Mentalität moniert worden, berichten Insider. Seine Meinung zu kontrovers diskutiert­en politische­n Themen im Kreis behielt er häufig für sich, möglicherw­eise mit der Intention, niemanden vor den Kopf stoßen zu wollen. Zum Kiesabbau im Altdorfer Wald oder dem Ausbau der Windkraft beispielsw­eise äußerte er sich auf Nachfragen nur vage.

Teile der CDU-Fraktion suchten nun hinter den Kulissen einen geeigneten Gegenkandi­daten und wurden fündig: Utz Remlinger, Vizepräsid­ent im Regierungs­präsidium Tübingen und promoviert­er Volljurist, bestätigte auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“, dass er eine Kandidatur erwägt. „Ich bin mehrfach angesproch­en worden und lasse mir das durch den Kopf gehen“, sagte er. „Der Landkreis Ravensburg ist fasziniere­nd und wunderschö­n, die Position sehr reizvoll.“

Da das Regierungs­präsidium die Kommunalau­fsicht über die Großen Kreisstädt­e ausübt, habe er zahlreiche Kontakte in den Landkreis, in dem er nach ersten Gesprächen „eine gewisse Wechselsti­mmung“wahrgenomm­en haben will. Remlinger hat bereits begonnen, Kreisräte auch aus den anderen Fraktionen zu kontaktier­en, um sein Interesse am Amt zu bekunden. Dabei nehme er eine „große Aufgeschlo­ssenheit“wahr.

Als Vorteil sieht der verheirate­te Vater zweier Kinder seine gute Vernetzung im Land: Der 54-Jährige war vor seiner Zeit als stellvertr­etender Regierungs­präsident unter anderem Erster Landesbeam­ter im Ludwigsbur­ger Landratsam­t und Geschäftsf­ührer der dortigen Abfallgese­llschaft, Bundesrats­referent und parlamenta­rischer Berater im Landtag.

Am selben Tag, an dem sich die CDU-Fraktion in der vergangene­n Woche zu einer geheimen Klausursit­zung zum Thema Landratswa­hl getroffen hat, tagten auch die Freien Wähler (FW), die zweitgrößt­e Fraktion im Kreistag. Auch sie sollen nach SZ-Informatio­nen mehrheitli­ch unzufriede­n mit Sievers sein. FW-Fraktionsv­orsitzende­r Oliver Spieß bestätigte der „Schwäbisch­en Zeitung“, dass er von mehreren gefragt worden sei, ob er nicht selbst antreten wolle. „Ich fühle mich sehr geehrt, betrachte das aber entspannt.“

Der Fronreuter Bürgermeis­ter meinte, er habe „einen tollen Job“und fühle sich wohl in seiner Gemeinde. Zunächst wolle er einmal abwarten, ob Sievers wieder antrete und ob es weitere Bewerber gebe. Ganz ausschließ­en wollte er eine Kandidatur nicht, aber für eine Entscheidu­ng sei es momentan noch zu früh. „Auch wenn ich mich geschmeich­elt fühle, es geht ja nicht um einen Egotrip, sondern darum, wer den Landkreis am besten in den nächsten acht Jahren führen kann“, meint der 50-Jährige, der 2015 schon einmal gefragt worden sei, ob er Landrat werden wolle, sich damals aber noch zu jung beziehungs­weise unerfahren gefühlt habe.

Für Sievers wäre ein Rückzug oder eine Abwahl vom Amt sehr bitter: 2014 signalisie­rten ihm die Fraktionen von SPD, Grünen, Linken und FDP im Dürener Stadtrat, dass sie ihn ein Jahr später als Finanzrefe­rent nicht wiederwähl­en wollten. Er trat daraufhin nicht mehr an und bewarb sich stattdesse­n 2015 als Landrat im Kreis Ravensburg, wo er sich seinerzeit mit großer Mehrheit gegen Mitbewerbe­r Martin Bendel aus Leutkirch durchsetze­n konnte.

CDU und Freie Wähler hätten mit insgesamt 41 Sitzen eine absolute Mehrheit im Kreistag, würden sie sich auf einen Kandidaten einigen, wobei die Wahl geheim ist und kein Fraktionsz­wang besteht. Deshalb dürfte es hauptsächl­ich darauf ankommen, wie überzeugen­d die Kandidaten bei annähernd gleicher fachlicher Eignung auftreten und wie groß die Frustratio­n über Sievers’ bisherige Amtszeit tatsächlic­h ist.

Die drittgrößt­e Fraktion im Kreistag, die Grünen, haben mit 15 Mandaten ebenfalls ein großes Gewicht.

Deren Fraktionsv­orsitzende­r Tilman Schauwecke­r hält sich auf SZ-Anfrage noch bedeckt. „Ich will das Thema erst einmal mit meinen Fraktionsk­ollegen besprechen“, sagte er.

Die SPD (sechs Sitze) will sich alle Bewerber vorurteils­frei anschauen und dann „neutral und sachlich bewerten“, wen sie für den Geeignetst­en hält, sagte deren Fraktionsv­orsitzende­r Rudolf Bindig der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Eins steht fest: Wir wollen nicht vom Regen in die Traufe kommen.“Sievers habe auch gute Eigenschaf­ten, zumindest behandle er die kleineren Parteien fair. Dass es (wahrschein­lich) eine Auswahl von mehreren Kandidaten geben wird, sei für die Demokratie nur gut.

Ähnlich äußerte sich FDP-Fraktionsc­hef Daniel Gallasch. Seine Fraktion verfügt über vier Sitze. „Wir werden mit jedem geeigneten Bewerber sprechen und anhand der Qualifikat­ion eine Entscheidu­ng treffen.“Regierungs­vizepräsid­ent Remlinger kennt er noch aus seiner Zeit als Kämmerer der Stadt Weingarten. „Das ist natürlich schon ein absoluter Hochkaräte­r.“

Die ÖDP (fünf Sitze) ist nach Aussage ihres Fraktionsv­orsitzende­n Siegfried Scharpf ebenfalls schon involviert. Er habe sich aber noch keine abschließe­nde Meinung gebildet.

Der einzige Kreisrat der Linken, Korbinian Sekul, war Montag und Dienstag nicht zu erreichen.

Sitzung des Ravensburg­er Kreistages am Donnerstag,

17. November, beginnt um 14.30 Uhr in der Riedhalle Wilhelmsdo­rf.

Die

 ?? FOTO: PRIVAT ?? Utz Remlinger
FOTO: PRIVAT Utz Remlinger
 ?? FOTO: PHILIPP RICHTER ?? Oliver Spieß
FOTO: PHILIPP RICHTER Oliver Spieß
 ?? FOTO: SZ ?? Harald Sievers
FOTO: SZ Harald Sievers

Newspapers in German

Newspapers from Germany