Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Die Erfüllung eines Lebenstraums in Sigmarszell
Mit der Übernahme der Christophorus-Apotheke macht sich Liliane Baumgardt endlich selbstständig
SIGMARSZELL - Liliane Baumgardt hat im Juli vergangenen Jahres die Christophorus-Apotheke in Sigmarszell übernommen. Sie verhindert damit die Schließung der letzten Apotheke in der Gemeinde und erfüllt sich gleichzeitig ihren Lebenstraum.
„Für mich ist tatsächlich ein Traum in Erfüllung gegangen“, erzählt die 51-jährige Baumgardt und strahlt. Es hat lange gedauert, bis sie das große Ziel von der eigenen Apotheke verwirklichen konnte. Dabei war ihr Werdegang nicht ohne Hindernisse. Ihr großes Ziel, die berufliche Selbstständigkeit, hat sie aber nie aus den Augen verloren.
Die aus Polen stammende Mutter zweier Töchter hatte in ihrer Heimat Germanistik studiert, bevor sie mit 20 Jahren ins nordrhein-westfälische Dortmund zog. „Ich wollte immer Medizin studieren, aber das konnten wir uns in Polen nicht leisten.“In Deutschland fand sie ihr privates Glück und erwartete kurze Zeit später ihr erstes Kind. Ein parallel zur neuen Mutterrolle verlaufendes Medizinstudium traute sie sich zu jener Zeit nicht zu, wollte sich aber auch nicht entmutigen lassen. Mit der Pharmazie fand sie den für sich perfekten Kompromiss. Im Studium pendelte sie dann bis zu drei Stunden täglich zwischen ihrem Wohnort Dortmund und dem Studienort Düsseldorf. „Zum Glück hat mein Mann sich in dieser Zeit sehr viel um unser Kind gekümmert“, erinnert sie sich zurück, „sonst wäre das nicht möglich gewesen.“
Nach ihrem Abschluss fand sie eine Anstellung an einer Dortmunder Apotheke und blieb dieser knapp 20 Jahre treu. Im Laufe der Zeit wurde sie immer intensiver in die geschäftlichen Aufgaben eingebunden, und der Wunsch nach einer eigenen Apotheke wuchs. Als der Moment für die berufliche Selbstständigkeit mit Mitte dreißig gekommen zu sein schien, stand im Hause Baumgardt jedoch das zweite Mal Nachwuchs an, und sie entschied sich, vorerst weiter im Angestelltenverhältnis zu arbeiten.
Ein paar Jahre später dann der Schock: Schilddrüsenkrebs. „Die Diagnose war ein Schlag für uns alle, und ich habe meine beruflichen Pläne natürlich erst einmal auf Eis gelegt.“Nach einer erfolgreichen Therapie schien die Gefahr noch zu groß, den Schritt in die Selbstständigkeit unter dem Damoklesschwert der Krankheit zu wagen. Fünf Jahre vergingen, bevor sie sich wieder dem Projekt „eigene Apotheke“widmete. Der erste Anlauf, eine Apotheke bei
Schwäbisch Gmünd zu kaufen, scheiterte dann buchstäblich im letzten Moment an einem Sinneswandel der Besitzer. „Es war eine wunderschöne Landapotheke, und ich war traurig, dass es nicht geklappt hat“, beschreibt Baumgardt die erste Enttäuschung. Anschließend fand sie in der Zeitung eine Ausschreibung für eine Apothekenneugründung. „Ich hatte mit allen beteiligten Stellen schon sehr erfolgreiche Gespräche geführt, bevor mich meine Bankberaterin überredete, mir doch noch die ChristophorusApotheke als Übernahmeobjekt anzuschauen.“Ein Glück für alle Beteiligten, denn für Liliane Baumgardt war es Liebe auf den, fast, ersten Blick.
„Als ich mir die Apotheke das erste Mal anschauen wollte, bin ich erst einmal vorbeigelaufen“, sagt sie rückblickend. Als sie dann aber im zweiten Anlauf durch die Scheiben in die Räume der 30 Jahre „jungen“Apotheke schauen konnte, war sie sofort begeistert. „Ehrlich gesagt hatte ich zuvor Bedenken. „Eiche rustikal“wäre nichts für mich gewesen, aber so schön hell, wie es war und noch immer ist, wusste ich sofort, dass es passen würde.“Gemeinsam mit Eigentümer Michael Brückner entschied sie sich für zwei Eingewöhnungsmonate im Angestelltenverhältnis. Der fließende Übergang sei die perfekte Variante gewesen, um die Mitarbeiter kennenzulernen und die Stammkundschaft auf den bevorstehenden Wechsel vorzubereiten. Am 1. Juli 2019 öffnete die Apotheke dann erstmals unter der Führung von Liliane Baumgardt. Sie hatte sich ihren Traum erfüllt.
Jetzt, etwa sieben Monate später, steht für die Apothekerin fest, dass der Schritt zur Selbstständigkeit in Bayern richtig war. Sie konnte in der Vergangenheit beobachten, wie die florierende Apotheke in Dortmund immer weiter wuchs, während die Arbeit mit den Kunden im Gegenzug weiter in den Hintergrund gedrängt wurde. „Das war mir am
Ende nicht mehr genug. Ich möchte meinen Beruf wirklich leben, und ein großer Teil davon ist die Arbeit mit den Menschen.“In Sigmarszell bestehe dieser Kontakt noch, so ihr Resümee. Die Menschen seien bodenständig und gleichzeitig auch sehr herzlich, betont sie. Außerdem liebe sie die Tatsache, dass die Christophorus-Apotheke eine Art TanteEmma-Apotheke sei, die Dinge vorrätig hat, die in einer Stadt-Apotheke lange nicht mehr im Sortiment zu finden sind. „So etwas gehört auf dem Land und in touristisch geprägten Gebieten einfach dazu“, so die Besitzerin.
Und für den Fall, dass ein Medikament einmal nicht verfügbar sein sollte, hat Baumgardt den Botendienst der Apotheke intensiviert. „Sollte etwas nicht vorrätig sein, liefern wir selbstverständlich nach Hause, egal, ob nach Lindau, Wangen oder Opfenbach.“Zudem werden alle Notdienste von Juliane Baumgardt geleistet.
Allerdings fordert die neue Aufgabe auch ihren Tribut. Müder als früher sei sie, Bürostunden um Mitternacht seien im vergangenen halben Jahr keine Seltenheit gewesen. Das habe sie mittlerweile aber anpassen können, erklärt sie. Dabei hilft, dass mit Susanne Scholz und Vorbesitzer Michael Brückner, approbierte Kräfte da sind, die Verantwortung übernehmen, wenn Baumgardt nach einem 24-Stunden Notdienst einen Tag Pause bekommt.
Ein freier Tag in der Woche ist etwas, was der 51-Jährigen in dieser Phase ihres Lebens besonders am Herzen liegt. „Ich bin in diese wundervolle Gegend gezogen und jetzt möchte ich sie auch genießen. Sie gibt mir nach einem anstrengenden Tag Kraft.“Ansonsten macht sie von der Kundenberatung, über den Einkauf und die Buchhaltung in ihrer Apotheke alles. „Ich habe jetzt nicht mehr nur die Verantwortung für mich und meine Familie, sondern auch für das Geschäft, jeden der hier arbeitet und für unsere Kunden.“
Bei der Bewältigung der Arbeit kann sie sich dabei auf ein routiniertes Team verlassen. Den größten Teil der Belegschaft konnte sie von ihrem Vorgänger übernehmen und hat zusätzlich zwei Stellen für Pharmazeutisch-Technische-Assistenten (PTA) geschaffen. Mit Gisela Rieker und Anja Durrer wurde das bestehende Team mit qualifiziertem Personal erweitert.
„Ich möchte meinen Beruf wirklich leben und ein großer Teil davon ist die Arbeit mit den Menschen.“
Liliane Baumgardt