Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Geld gegen Sympathie
Nicht nur die Fußballwelt würde sich weiterdrehen, sollte Deutschland nicht die Fußball-Europameisterschaft 2024 ausrichten dürfen. Einen Zuschlag für die Türkei durch die UEFA hätte kein Skandalpotenzial.
Die türkische Bewerbung wird – ebenso wie die des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) – exzellent sein. Das Land hat tolle Stadien und genügend Hotels, das Volk ist gastfreundlich und fußballfanatisch. Nach drei erfolglosen Bewerbungen würde die Türkei die EM verdienen.
Daran ändert auch die aktuelle Politik von Recep Tayyip Erdogan nichts. Im Vergleich zu Olympischen Spielen in China oder Fußball-Weltmeisterschaften in Russland oder bald gar in Katar, wäre eine EM in der Türkei sogar eine Wohltat.
Die UEFA mag jüngst werbewirksam die Menschenrechte für sich entdeckt, der DFB sogar eine Menschenrechtsstrategie (was auch immer das sein soll) in seine Satzung aufgenommen haben: Wer wirklich meint, Sportfunktionäre würden sich von Menschenrechtsfragen leiten lassen, glaubt auch, dass Doping im Fußball nichts bringt.
Entscheidend werden in Nyon vor allem zwei Dinge sein. Erstens das Geld. Trauen die Funktionäre der Türkei zu, angesichts der instabilen Lage ihre großen finanziellen Versprechen auch wirklich einzuhalten? Zweitens die Sympathie. Da könnte Deutschland ein Problem haben. DFB-Präsident Reinhard Grindel soll sich in den zwei Jahren, die der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete in einer bemerkenswerten Mischung aus Selbstbewusstsein und Tollpatschigkeit durchs Amt grindelt, im internationalen Fußball etwa so viele Freunde gemacht haben wie zu Hause. Ob Weltmeister Philipp Lahm dies als Gesicht der Bewerbung ausgleichen kann, ist die Frage.
Sollte der DFB seinem Favoritenstatus nicht gerecht werden, sind Grindels Tage gezählt. Und Angela Merkel müsste ironischerweise auch wegen eines Parteifreundes schon wieder unangenehme Glückwünsche für eine demokratische Wahl verteilen – Erdogan fliegt heute zum Staatsbesuch in Deutschland ein.