Schwäbische Zeitung (Tettnang)
„Die Verfahren begünstigen die Konzerne“
BERLIN - Professor Detlef
Bartsch (Foto: BVL/Marcus
Gloger), Abteilungsleiter Gentechnik im Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), sagt im Gespräch mit Petra Sorge, das Urteil habe ihn überrascht.
Wie bewerten Sie das Urteil?
Für uns kam die Entscheidung überraschend. Die Schlussanträge des Luxemburger Generalanwalts gingen in eine ganz andere Richtung. Das müssen wir erst einmal genau prüfen.
Das Bundesumweltministerium spricht von einem „guten Tag für die Umwelt und die Verbraucher“, Ministerin Svenja Schulze (SPD) lehnt Gentechnik strikt ab. Warum nicht auch das Bundesamt für Verbraucherschutz?
Wir hatten aus fachlichen Gründen eine andere Position als das Umweltministerium. Nun hat der Europäische Gerichtshof Klarheit geschaffen. Mittelfristig wird man mit den bestehenden gesetzlichen Regeln nicht auskommen. Die Gentechnik-Definition, um die es hier geht, ist fast 30 Jahre alt und angesichts des technischen Fortschritts nicht mehr zeitgemäß. Die bisherigen sehr restriktiven Zulassungsregeln stehen im Widerspruch zu den gemachten Erfahrungen der Chancen und Risiken. Die langwierigen Verfahren begünstigen oft nur die wenigen multinationalen Konzerne. Dagegen werden die kleinen und mittelständischen Unternehmen große Schwierigkeiten haben, die jetzt vollumfängliche gentechnikrechtlichen Verfahren durchzuführen, vor allem bei Projekten mit Nischenprodukten. Der Bereich ökologische Landwirtschaft ist vollständig ausgenommen.
Dafür haben die Verbraucher aber mehr Sicherheit, oder?
Nicht für den Bereich der gezielten Mutagenese, Verfahren also, bei denen das Erbgut gezielt und punktgenau verändert wird, ohne fremde DNA einzufügen. Der Verbraucher hat nun sogar eher den Nachteil, dass er länger auf gute Produkte verzichten muss. Es besteht weitgehender Konsens, dass neue Züchtungsverfahren der Punktmutagenese genauso sicher oder sicherer sind wie die konventionellen Methoden der Strahlenoder chemischen Mutagenese. Die neuen Techniken stellen aber einen enormen Fortschritt hinsichtlich der Herstellungskosten, Schnelligkeit und Präzision des Eingriffs dar. Das wäre eine Chance gewesen, krankheits- und dürreresistente Pflanzen zu erzeugen. Die wird nun erst einmal zugeschüttet.