Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Eine Entscheidung mit G’schmäckle
In der Normandie ist nichts mehr, wie es vorher war: Gourmets sind in Panik, Köche reden von „Schande“und Hausfrauen machen sich Sorgen um das geschmackliche Wohlergehen ihrer Familien. Grund für die desolate Stimmung ist ein französisches Institut, das über die traditionelle Herstellung von Lebensmitteln wacht. Dieses Institut hat angekündigt, dass sich in Zukunft auch jener Camembert aus der Normandie Camembert nennen darf, der aus pasteurisierter Milch hergestellt worden ist. Mon Dieu! Bislang war dieses Privileg nur Weichkäse vorbehalten, dessen Grundlage unbehandelte Rohmilch ist.
Die Sorge, der Käse könne dadurch zu einer „vulgären Paste ohne Geschmack“verkommen, wie Spitzenköche in einem Brandbrief an das Institut schreiben, ist nicht von der Hand zu weisen. Denn nur der Rohmilchkäse ist so voll von lebendigen Kulturen, dass er mit Zeit und Reife die charakteristische Blume entwickelt – aus der bei zu langem Warten auch ein Sträußchen werden kann.
Was vielen Leuten nicht klar ist: Damit der menschliche Fuß nach Käse riecht, bedarf es der Aktivität ähnlicher Bakterien, wie sie auch beim Reifeprozess von normannischem Camembert auf ganz natürliche Weise wirken. Vor diesem Hintergrund erscheint es eher sinnvoll, die Füße zu pasteurisieren anstatt die Milch für den Käse. Denn das Wohlgefühl, das sich einstellt, wenn ein voll erblühter Camembert auf ein schönes Glas Rotwein trifft, kann von keinem menschlichen Fuß – und sei er nach einem Dauerlauf noch so unbehandelt – überzeugend nachgeahmt werden. (nyf )