Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Smartphone auf Rädern
Die Mercedes A-Klasse strebt die Poleposition auf der Datenautobahn an – Mehr Platz und neue Motoren
Erst Rentner-Benz, dann Revoluzzer: Kein anderes Modell bei Mercedes hat einen derartigen Imagewandel hingelegt wie die A-Klasse. Und der Kurswechsel ist noch nicht zu Ende. Denn nachdem die Stuttgarter bei der letzten Generation das Design umgekrempelt und aus dem Biedermann einen Blickfang gemacht haben, zetteln sie diesmal eine Revolution an, der sie sogar die Führungsrolle der S-Klasse opfern: Wenn im Mai zu Preisen ab zunächst 30 232 Euro die vierte Auflage des Junior-Benz an den Start rollt, ist es nicht wie sonst immer zunächst das Flaggschiff, sondern das Einstiegsmodell, das ein wegweisend neues Bediensystem bekommt. Mercedes nennt das neudeutsch „User Experience“(MBUX) und will die AKlasse damit zum Smartphone mit Stern machen. Den Begriff „Mobiltelefon“kann man dann endlich wieder wörtlich nehmen.
Dabei geht es freilich nicht nur ums Telefonieren. Sondern MBUX ist ein ganzheitlicher Ansatz, für den Mercedes viele Technologien kombiniert. So erhält der Mini-Benz den riesigen Bildschirm aus der S-Klasse, auf dem dank des schnellsten Prozessors der PS-Welt Grafiken laufen, wie man sie selbst auf einem Tablet nur selten zu sehen bekommt. Es gibt neue Themenwelten für die digitalen Instrumente und daneben den längst überfälligen Touchscreen, auf dem man – wenn schon spät, dann wenigstens richtig – besser zoomen und mit den Fingern durch die Karte wandern kann als bei den meisten anderen Autos. Zum ersten Mal ist in der A-Klasse zudem ein Head-UpDisplay zu finden – und zwar eines ohne die leidige Plexiglasscheibe.
Verbesserte Sprachsteuerung
Und vor allem überzeugt eine neue Sprachsteuerung. So wie Apple mit Siri arbeitet, Amazon mit Alexa und Google mit seinem Assist, so verfügt künftig auch die A-Klasse über einen Sprachassistenten, mit dem die bisherige Sprachsteuerung in die Steinzeit verbannt wird. Wer das System mit „Hey Mercedes“aufweckt, der muss nicht länger genormte Befehle aufsagen, sondern plaudert munter drauflos – und erhält immer die passende Antwort und Reaktion, verspricht der Hersteller. Egal, ob er nach dem Wetter in Paris und nach einem Restaurant in Paderborn fragt oder ob er einfach nur die Sitzheizung anschalten und die Innentemperatur absenken möchte.
Selbst E-Mails oder Kurznachrichten diktiert man der virtuellen Sekretärin, die sich persönliche Vorlieben merkt und in der Auswahl priorisiert. Das dürfte die Generation iPhone wahrscheinlich mehr beeindrucken als all die Assistenzsysteme, die nahezu vollständig aus der S-Klasse übernommen wurden, als die Energizing-Funktionen mit ihren Wellnessprogrammen oder als die Spielereien mit den je nach Temperatur unterschiedlich beleuchteten Lüfterdüsen.
So sehr, wie sich die Entwickler auf die Datenautobahn fokussiert haben, wird das Fahren selbst fast zur Nebensache. Dabei hat Mercedes auch in den klassischen Disziplinen noch einmal nachgelegt. So ist die um zwölf Zentimeter auf 4,42 Meter gestreckte A-Klasse nicht nur größer und entsprechend geräumiger geworden und bietet jetzt 370 statt 341 Liter Ladevolumen. Sondern mit größeren Fenstern und schlankeren Karosseriesäulen ist sie auch übersichtlicher als der Vorgänger. Und ein neues Fahrwerk mit adaptiven Dämpfern und größerer Spreizung sorgt für mehr Komfort für Genießer und mehr Spurstabilität für Schnellfahrer – und macht für alle dazwischen einen angenehm erwachsenen Eindruck.
Motor mit Zylinderabschaltung
In Fahrt bringen die A-Klasse, die weiterhin mit Front- oder Allradantrieb angeboten wird, etliche neue Motoren, von denen es erst einmal nur drei in die Startaufstellung geschafft haben. Der ganze Stolz der Stuttgarter ist dabei der 1,3-LiterBenziner im A200, der das vorläufige Basismodell ziert. Zum einen, weil er zu den ersten Mercedesmotoren mit Benzin-Partikelfilter gehört. Aber mehr noch, weil er über eine Zylinderabschaltung verfügt und so die meiste Zeit lediglich auf zwei Flammen kochen dürfte. Zusammen mit einem deutlich gesenkten cW-Wert und einem zumindest ein wenig reduzierten Gewicht drückt das den Verbrauch dann angeblich auf 5,8 Liter.
Dabei ist der Sparmotor keine Spaßbremse. Schließlich leistet er 163 PS und geht mit bis zu 250 Newtonmetern zu Werke. Das reicht dann für einen Sprintwert von 8,2 Sekunden und ein Spitzentempo von 225 km/h. Im Alltag fühlt man sich damit ausreichend motorisiert – spurtstark in der Stadt, elastisch genug zum Überholen auf der Landstraße, und auf der Autobahn hält man auch mit größeren Autos gut mit.
Wem das trotzdem zu wenig ist, dem bietet Mercedes für 36 462 Euro den A250 mit einem 224 PS starken 2,0-Liter-Motor. Und wem der A200 noch zu viel verbraucht, dem empfehlen die Verkäufer den 31 398 Euro teuren A180d mit einem 116 PS starken 1,5-Liter-Diesel, der mit 4,1 Litern zufrieden sein soll. Später folgen schwächere Benziner, stärkere Diesel und natürlich auch wieder ein AMG-Modell. Und als EQ A fährt die A-Klasse in zwei, drei Jahren auch ins Elektrozeitalter.
Komplette Modellfamilie
Zwar feiert Mercedes die A-Klasse als Schrittmacher für den Aufbruch in eine neue Ära. Ganz allein muss der Baby-Benz den großen Tanker aber nicht in die Zukunft schleppen. Wie bisher ist nämlich eine ganze Modellfamilie geplant. Und weil die Kompakten an Bedeutung gewinnen, wird diese sogar weiter wachsen. Neben der B-Klasse, dem CLA und dem GLA stehen deshalb auch ein weiterer Geländewagen und eine A-Klasse mit Stufenheck auf dem Plan. Spätestens dann kommen auch die Spießer wieder auf ihre Kosten.