Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Platz für einen Unbequemen
Über Stil lässt sich streiten. Aber im Gegensatz zu vielen anderen Ablöse-Kandidaten scheint es Bayerns Ministerpräsident gerade noch zu schaffen, einen Abgang in Würde vorzuführen. Der Machtinstinkt seiner CSU lässt Horst Seehofer aber auch keine andere Wahl.
Seehofer hat die CSU aus dem Macht-Vakuum geführt, das aus dem zu kurz gedachten Sturz des Edmund Stoiber entstanden war. Er hat seine Partei im Landtag aus dem Tal der Tränen einer Koalitionsregierung zurück zur absoluten Mehrheit geführt. Das ist weit mehr als viele Parteifreunde dem Verwaltungswirt aus Ingolstadt zugetraut hätten.
Ob Verdienst oder Versäumnis wird umstritten bleiben: Nie in ihrer Geschichte war die CSU so beweglich wie unter Seehofer. Aber, vor allem für die Schwesterpartei CDU, auch nie so unberechenbar. Der Mann, der in seinen jüngeren Jahren eher als „Herz-Jesu-Sozialist" gegolten hat, versuchte in höheren Ämtern dem Anspruch seiner Partei zu genügen, für das Konservative in der Republik zu stehen. Ein schwieriges Unterfangen, wie heute klar wird.
Letztendlich wurde Seehofer zum Verhängnis, dass seine Versuche, eine klassische Wählergruppe der CSU bei der Stange zu halten, am Ende nicht fruchteten. Die AfD ist in Bayern stärker geworden als in den übrigen „alten“Bundesländern. Mit der Kanzlerin an der Grenze von Anstandsregeln zu streiten, hat sich für die CSU nicht ausgezahlt.
Die Quittung, die Wählerinnen und Wähler ausstellten, hat den Weg freigemacht für einen SeehoferNachfolger, der vor allem eines ist: Profi mit jahrzehntelanger Regierungserfahrung. Und ein harter Brocken, nicht nur, weil er den harten Brocken Seehofer mit Ansage zum Aufgeben bewegt hat. Partner und Gegner müssen sich auf einen Unbequemen einrichten, der genau weiß, was er will – für sich, für Bayern und für die CSU. Und auf einen Mann, der gut rechnen kann. Zum Beispiel beim Länderfinanzausgleich und bei den Staatsausgaben, die nach der Bundestagswahl mal wieder nach „Wünsch Dir was“klingen.