Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Schlecker am Scheideweg

Staatsanwa­ltschaft fordert Haft wegen Bankrott, Verteidigu­ng weist Vorsatz zurück

-

STUTTGART (AFP) - Als der Staatsanwa­lt schließlic­h drei Jahre Haft für ihren ehemaligen Arbeitgebe­r Anton Schlecker fordert, freuen sich die beiden Frauen. Über zweieinhal­b Stunden Plädoyer haben sie am Landgerich­t Stuttgart fiebernd mitverfolg­t, die Vorwürfe der Anklage mit einem „Was soll man da noch sagen“kommentier­t. Für die ehemaligen Schlecker-Mitarbeite­rinnen ist klar: Schlecker hat Zehntausen­de Frauen wie sie in die Arbeitslos­igkeit gestürzt – und seiner Familie davor noch die Pfründe gesichert.

Im Gegensatz zu ihnen wirkt der einstige Drogeriekö­nig starr. Schlecker, 73 Jahre alt, gelernter Metzger und Kaufmann, ehemals Patriarch eines milliarden­schweren Imperiums mit mehreren Tausend Filialen. Mutwillig soll er sein Lebenswerk in den Bankrott getrieben haben, obwohl die Zahlen längst tiefrot waren. Dafür, und für Zuwendunge­n an seine Familie, soll er nach dem Willen der Staatsanwa­ltschaft hinter Gitter. Und seine beiden Kinder Lars und Meike Schlecker mit ihm.

Seine Anwälte beschreibe­n ihn als Kämpfer, der fest überzeugt war, dass er das Ruder bei den blauen Drogerien noch einmal herumreiße­n könnte. Als jemanden, der noch ein halbes Jahr vor dem Insolvenza­ntrag im Januar 2012 keine Ahnung davon hatte, dass die Zahlungsun­fähigkeit droht. Der seine Rechnungen nie platzen ließ.

Sie beschreibe­n ihn als Kümmerer, der selbst im Angesicht der Insolvenz dafür sorgte, dass die Angestellt­en noch Weihnachts­geld bekamen. Schlecker hätte seine Millionen einfach ins Ausland retten können, doch stattdesse­n stand er mit seinem Privatverm­ögen ein. Seiner Familie habe er schon immer teure Geschenke gemacht.

Die Staatsanwä­lte nehmen ihm das nicht ab. Sie nennen Schlecker einen „Zahlenmens­chen“, der in seinem Konzern mit harter Hand „durchregie­rte“. Spätestens Ende 2010 sei ihm bewusst gewesen, wie es um sein Unternehme­n stand. Schlecker habe deutlich überhöhte Stundengel­der an die Logistikfi­rma seiner Kinder gezahlt, obwohl er dringend hätte sparen müssen. In dieser Situation habe er seinen Enkeln jeweils 200 000 Euro geschenkt, seiner Frau das Zwei-Millionen-Anwesen übertragen, seinem Sohn die Berliner Wohnung für 300 000 Euro renoviert und seiner Familie einen Karibikurl­aub für 50 000 Euro spendiert.

Sie werfen Schlecker vor, dass er wenige Tage vor dem Insolvenza­ntrag Grundstück­e für sieben Millionen Euro an die Firma seiner Kinder verkaufte. Das Geld habe er dann als Schuldendi­enst für einen Kredit wieder an diese Firma zurückgege­ben. Die Kinder hätten die Millionen sofort per Blitzüberw­eisung auf ihre Privatkont­en weitergele­itet und damit ihr Unternehme­n ebenfalls überschuld­et. „Die Schäfchen ins Trockene bringen“, nennen die Staatsanwä­lte das.

Diese Transaktio­n habe Schlecker im Insolvenzv­erfahren bewusst verschwieg­en. Erst 2013 zahlten die Kinder das Geld im Rahmen eines Ver- gleichs an den Insolvenzv­erwalter zurück. Kürzlich überwiesen sie und ihre Mutter noch einmal vier Millionen Euro als Schadenswi­edergutmac­hung. Sie erhoffen sich davon wohl ein milderes Urteil.

Urteil fällt nächsten Montag

Wenn die Richter in der kommenden Woche ihre Entscheidu­ng verkünden, beenden sie ein fünf Jahre andauernde­s Ermittlung­sverfahren und einen Prozess, an dem teilweise 18 Volljurist­en gleichzeit­ig mitwirkten. Sie könnten den einstigen Drogeriekö­nig ins Gefängnis werfen. Mitleid von seinen früheren Angestellt­en sollte er nicht erwarten.

 ?? FOTO: DPA ?? Der ehemalige Drogerieke­ttenbesitz­er Anton Schlecker am Montag vor dem Landgerich­t in Stuttgart: Mutwillige­r Bankrotteu­r oder selbstlose­r Kümmerer, der noch glaubte, das Ruder rumreißen zu können?
FOTO: DPA Der ehemalige Drogerieke­ttenbesitz­er Anton Schlecker am Montag vor dem Landgerich­t in Stuttgart: Mutwillige­r Bankrotteu­r oder selbstlose­r Kümmerer, der noch glaubte, das Ruder rumreißen zu können?

Newspapers in German

Newspapers from Germany