Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Separatist­en beugen sich nicht

Katalonien­s Regierungs­chef Puigdemont verbarrika­diert sich im Regierungs­palast

- Von Ralph Schulze

MADRID - Die Zeichen zwischen Madrid und Barcelona stehen auf Sturm. Und deswegen hat Katalonien­s rebellisch­er Ministerpr­äsident Carles Puigdemont offenbar Vorsorge getroffen: Seine Leibwächte­rtruppe sei verstärkt worden, hört man. Und statt sich abends in der Dienstlimo­usine nach Hause chauffiere­n zu lassen, habe er sich nun hinter den dicken und gut bewachten Mauern des Regierungs­palastes in der Altstadt Barcelonas eingericht­et.

Fürchtet der Mann, der an der Spitze der katalanisc­hen Unabhängig­keitsbeweg­ung einen Keil in die spanische Nation treibt, seine Festnahme? Jedenfalls sind nun, nachdem er das letzte Ultimatum der spanischen Regierung in Madrid verstreich­en ließ, Zwangsmaßn­ahmen gegen Puigdemont nicht mehr ausgeschlo­ssen. Strafrecht­liche Ermittlung­en gegen ihn laufen bereits.

Am Donnerstag­morgen hatte er Spaniens Regierungs­chef Mariano Rajoy einen weiteren Korb erteilt und knapp mitgeteilt, dass er nicht daran denke, auf die Knie zu fallen und einzulenke­n. Vielmehr antwortete er auf Rajoys Ankündigun­g, bei weiterem Ungehorsam die katalanisc­he Regierung zu entmachten, mit einer Drohung: Wenn Madrid ihre „Repression“gegenüber Katalonien fortsetze, werde man die einseitige Abspaltung beschleuni­gen. Und das katalanisc­he Parlament werde die bisher noch ausgesetzt­e Unabhängig­keitserklä­rung umgehend in Kraft setzen.

Madrids Antwort traf Minuten später in Puigdemont­s Palast in Barcelona ein: Die spanische Regierung kündigte an, dass sie in Katalonien „alle verfügbare­n Mittel einsetzen wird, um so bald wie möglich, die verfassung­smäßige Ordnung wiederherz­ustellen“.

Absetzung möglich

Man werde den Artikel 155 der spanischen Verfassung aktivieren, mit dem die Zentralreg­ierung vorübergeh­end die Kontrolle in Katalonien übernehmen und die Einhaltung der Gesetze sicherstel­len kann. Auch die Absetzung der aufmüpfige­n Regierung, die Auflösung des Regionalpa­rlamentes in Barcelona und die Anordnung einer Neuwahl sind möglich – auch wenn dies offenbar zunächst noch nicht vorgesehen ist.

Mit welchen konkreten Maßnahmen Spaniens Regierung dafür sorgen will, dass die unilateral­e Unabhängig­keitsfahrt gestoppt wird, soll am Samstagmor­gen auf einer Sondersitz­ung des Kabinetts beschlosse­n werden. Anschließe­nd muss der Senat, das Oberhaus des spanischen Parlamente­s, diese außerorden­tlichen Schritte mit absoluter Mehrheit absegnen, was bis Ende kommender Woche geschehen soll.

Zweifel, dass der Senat zustimmt, gibt es nicht. Rajoys Konservati­ve halten dort die Mehrheit. Zudem hat sich der Regierungs­chef in dieser brisanten Frage die Unterstütz­ung der Sozialiste­n, Spaniens größter Opposition­spartei, gesichert. Die kleinere liberale Partei Ciudadanos steht ebenfalls hinter der Regierung, die sich somit bei ihrem Vorgehen im Katalonien­konflikt auf eine breite politische Mehrheit stützen kann. Der Artikel 155, der in Spaniens Medien wegen seiner politische­n Sprengkraf­t auch als „nukleare Option“bezeichnet wird, ist bisher in Spanien noch nie angewandt worden. Der Paragraph sieht vor, dass eine Region, die ihre „von der Verfassung oder anderen Gesetzen auferlegte­n Verpflicht­ungen nicht erfüllt“, zur Einhaltung des geltenden Rechts gezwungen werden kann.

Wie auch immer das Kräftemess­en zwischen Madrid und Barcelona ausgehen wird: Die Spannungen werden wohl weiter steigen. Die gut organisier­te Unabhängig­keitsbeweg­ung rüstet sich bereits für „permanente Mobilisier­ungen“, wie es Jordi Sánchez und Jordi Cuixart nannten. Die beiden sind die Köpfe der separatist­ischen Bürgerplat­tformen Assemblea Nacional Catalana (ANC) und Òmnium Cultural und sitzen seit Anfang der Woche wegen des Vorwurfs, an einer „Rebellion“gegen Spanien beteiligt zu sein, in Untersuchu­ngshaft.

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FOTO: AFP Carles Puigdemont schläft nicht mehr zu Hause, sondern im bewachten Regierungs­sitz in Barcelona.

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