Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Was war der Deutsche Herbst?
Der Deutsche Herbst gilt als eine der schwersten Krisen in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland und bezeichnet die politische Atmosphäre im September und Oktober 1977. Die Entführung der Lufthansa-Maschine „Landshut“Mitte Oktober 1977 war einer der Höhepunkte der Auseinandersetzung des deutschen Staates mit dem Linksterrorismus. Mit der Befreiung der Geiseln im ostafrikanischen Mogadischu durch die GSG9 demonstrierte die Regierung, dass sie sich nicht vom internationalen Terrorismus erpressen lassen wollte. Am 13. Oktober brachten vier Terroristen – zwei Männer und zwei Frauen – die LufthansaBoeing 737 mit fünf Besatzungsmitgliedern und 82 Passagieren auf dem Flug von Mallorca nach Frankfurt über Italien in ihre Gewalt. Mit ihrer Aktion wollten sie elf Angehörige der Rote-ArmeeFraktion (RAF) aus deutscher Haft sowie zwei in der Türkei festgehaltene Palästinenser freipressen. Nach ergebnislosen Verhandlungen in Zypern, Dubai und Südjemen stürmte die GSG 9 am 18. Oktober kurz nach Mitternacht die Maschine in Mogadischu. Am Tag zuvor hatten die Entführer die Leiche des vom Anführer des Kommandos ermordeten Flugkapitäns Jürgen Schumann auf die Piste geworfen. Bei der Befreiungsaktion wurden die übrigen Geiseln gerettet, drei der Terroristen starben. Unmittelbar nach dem gescheiterten Erpressungsversuch nahmen sich Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe, die als harter Kern der RAF galten, in ihren Zellen in der Haftanstalt Stuttgart-Stammheim das Leben. Am folgenden Tag wurde im Elsass der am 5. September von der RAF entführte Arbeitgeberpräsident Hanns-Martin Schleyer ermordet im Kofferraum seines Autos gefunden. Der Begriff Deutscher Herbst leitet sich vom Film „Deutschland im Herbst“von 1978 ab, einer Collage mehrerer Dokumentarfilme von elf Regisseuren, die sich mit der Reaktion des Staates auf den Terrorismus aus unterschiedlichen Blickwinkeln kritisch auseinandersetzen. (dpa)