Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Seehofer will die „rechte Flanke“schließen
CSU in Bayern so schwach wie noch nie
MÜNCHEN - So einen Wahlabend haben die erfolgsverwöhnten Christsozialen schon lange nicht mehr erlebt. Eigentlich noch nie, meinte der ehemalige Parteivorsitzende Erwin Huber. Was sich jetzt abgespielt habe, sei schlimmer als die Landtagswahl 2008, als die CSU die absolute Mehrheit unter seinem Parteivorsitz verlor. Der Rückschlag an diesem Sonntag sei eine regelrechte „Katastrophe“.
Dass sich die guten Umfragen wohl nicht im Wahlergebnis niederschlagen würden, hatte schon vor 18 Uhr die Runde gemacht. Die Mienen der Parteimitarbeiter wurden ernst. Doch als die erste Prognose für Bayern mit 38,5 Prozent für die CSU veröffentlicht wurde, war die Stimmung am Nullpunkt. Es ist das schlechteste Ergebnis der Partei seit der ersten Bundestagswahl 1949.
Genau drei Minuten dauerte es, bis im Fernsehen die erste Frage nach der politischen Zukunft des Parteivorsitzenden Horst Seehofer gestellt wurde. Reflexartig versammelten sich die Spitzenpolitiker der Partei um den angeschlagenen Chef. Natürlich hatte sich Generalsekretär Andreas Scheuer schon zurechtgelegt, was er in die Kameras zu sagen hatte. Unter anderem: „Jetzt ist nicht die Zeit für Personaldiskussionen.“
Eine halbe Stunde später betrat Seehofer die Bühne in der Münchener CSU-Zentrale. Er wirkte erschöpft, auch traurig, aber von Rücktritt oder persönlichen Konsequenzen war mit keinem Wort die Rede. Die Schlappe müsse „ausgebügelt“werden, sagte er – spätestens bis zur bayerischen Landtagswahl in einem Jahr.
Nach dem Motto „Angriff ist die beste Verteidigung“schob Scheuer, als Generalsekretär hauptverantwortlich für den CSU-Wahlkampf, die Schuld an dem Desaster sogleich der Schwesterpartei zu. Die rechte Flanke zu schließen, das werde man von der Schwesterpartei einfordern, kündigte Scheuer an.
Dass das unerwartet schlechte Wahlergebnis etwas mit der „offenen rechten Flanke“zu tun habe, meinte auch Seehofer: „Es kommt darauf an, dass wir diese Flanke schließen.“Und zwar mit den Themen Zuwanderung und Sicherheit. Die AfD nur ab und an ein wenig abzuwatschen, aber hauptsächlich totzuschweigen, habe nicht funktioniert, so die Schnellanalyse der Seehofer-Mannschaft.
Es gibt aber auch noch andere Analysen. Gleichzeitig für und gegen Merkel zu sein, habe sich nicht ausgezahlt, so ein erfahrener Parteikämpe. Für und gegen Europa zu sein, habe schon bei Europawahlkämpfen gefloppt. Und die Sache mit der „Obergrenze“habe auch nicht gezogen.
In der CSU-Landtagsfraktion hatte er mindestens einmal gefordert, man müsse ihn als genialen Strategen machen lassen. Wenn es schief gehe, dann könne man ihn „köpfen“. Bei anderer Gelegenheit war auch von „Schlachten“die Rede. An diese Aussagen wird Seehofer in den nächsten Tagen und Wochen wohl noch vielfach erinnert werden. Am Wahlabend klang der CSU-Chef anders: „Es ist immer alles abgestimmt worden.“
Wenige Tage vor der Wahl hatte Seehofer betont, er könne als Parteivorsitzender auf keinen Fall mit einer erleichterten Zuwanderung oder Steuererhöhungen aus den Koalitionsverhandlungen in Berlin zurück nach München kommen. Auch das wird Seehofer sich von seinen Parteifreunden vorhalten lassen müssen.
Applaus aus Trotz und Mitleid
Nach Ansicht der CSU-Strategen stehen die Signale nun auf SchwarzGelb-Grün im Bund: Die SPD werde eine Große Koalition nicht mehr mitmachen, weil sie Gefahr laufe, endgültig marginalisiert zu werden. „Nach den jetzigen Zahlen“, betonte Parteivize Manfred Weber, „ist keine Koalition ohne die CSU möglich.“
Niemand weiß besser als Seehofer selbst, was in den nächsten Wochen auf ihn zukommt. Unangenehmer als in Berlin wird es für ihn wohl in München. Auf der CSU-Wahlparty gab es aber minutenlangen Applaus für den Parteichef – eine Mischung aus Mitleid und Trotz. Seehofer sagte, was alle Politiker in einer solchen Situation sagen: Die CSU müsse jetzt „geschlossen“ihre Position in Berlin behaupten. Und das heißt konkret: Mit ihm.