Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Extreme Freude
Nach ihrem Wahlerfolg sagt die AfD Bundeskanzlerin Angela Merkel mit scharfer Rhetorik den Kampf an
BERLIN - „AfD, AfD, AfD“, rufen sie immer wieder. „Gauland, Gauland“, tönt es durch den Saal. Und schließlich stimmen sie die Nationalhymne an. Hochstimmung bei der Wahlparty der rechten Alternative für Deutschland (AfD) um Punkt 18 Uhr, als bei der ersten Hochrechnung klar wird, dass sie im Bundestag mit 13,5 Prozent drittstärkste Kraft wird. Der Jubel bei der AfD kennt keine Grenzen mehr.
Während sich die Anhänger in den Armen liegen, gibt Spitzenkandidat Alexander Gauland den Ton vor. „Wir haben es geschafft. Wir sind im Deutschen Bundestag. Und wir werden dieses Land verändern“, ruft der 77-Jährige seinen Parteifreunden unter frenetischem Jubel zu, spricht von einem „großen Tag in unserer Parteiengeschichte“. Die neue Bundesregierung könne sich warm anziehen. „Wir werden Frau Merkel oder wen auch immer jagen“, heizt er bei der AfD-Wahlparty ein. „Wir werden die Regierung vor uns hertreiben. Wir werden uns unser Land und unser Volk zurückholen“, gibt Gauland auch nach Schließung der Wahllokale weiter den Wahlkämpfer.
Jubel und Proteste
Hunderte von AfD-Anhängern feiern zwischen Diskokugeln, Partytheke und Tanzfläche im „Traffic Club“in einem Hochhaus am Berliner Alexanderplatz. Das Medieninteresse ist groß. Auch internationale Sender berichten live über den Einzug der Rechten in den Bundestag. Von BBC bis CNN – die Rede ist von einem „Sensationssignal“der Merkel-Gegner. „Trau Dich Deutschland“, steht auf den blauen Plakaten im „Traffic Club“.
Während die AfD-Anhänger im Disco-Club in Berlin Mitte weiter feiern, gibt es draußen heftige Proteste. Die AfD-Party findet unter massivem Polizeischutz statt. Am Abend eskaliert die Lage, es fliegen erste Flaschen, die Sicherheitskräfte riegeln den Veranstaltungsort ab. „AfD-Rassisten-Pack!“, skandieren Demonstranten.
Mit Wehrmachtslob, scharfen Parolen gegen Flüchtlinge und Muslime und Brachial-Rhetorik gegen Angela Merkel und die Etablierten schafft es die AfD gut vier Jahre nach ihrer Gründung in den Bundestag – erstmals ist damit eine Partei rechts von der Union im Parlament, zieht frühere Nichtwähler zu sich und wildert im bürgerlichen Lager.
Vor vier Jahren damals noch mit Parteigründer Bernd Lucke war die AfD noch an der Fünfprozenthürde gescheitert. Die neue Fraktion ist eine schwer berechenbare Truppe mit ultrarechten Nationalisten und Anhängern des radikalen Björn Höcke, früheren CDU-Mitgliedern und gemäßigten Nobodys. Die Spitzenkandidaten Gauland und Weidel sollen diese Fraktion führen, dürften den meisten Rückhalt für sich vereinen können. Die große Frage ist, was aus Parteichefin Frauke Petry und ihren Ambitionen wird. Zwar zieht die 42Jährige über Platz eins der sächsischen AfD-Landesliste in den Bundestag ein. Doch blieb unklar, welche Rolle die immer noch amtierende Parteichefin in der Fraktion für sich beansprucht, die mit den beiden Spitzenkandidaten auf Kriegsfuß steht und deren Wahlkampf-Stil scharf kritisiert hat. Am heutigen Montag will Petry, gemeinsam mit Gauland und Weidel, in Berlin vor der Bundespressekonferenz Rede und Antwort stehen. Doch ist schon jetzt klar, dass sie sich ins Abseits manövriert hat.
U-Ausschuss für Merkel
Der Wahlerfolg ihrer Partei – für Petry ein Ansporn in den kommenden vier Jahren „den Regierungswechsel für 2021“vorzubereiten, meldet sich die AfD-Chefin am Sonntag zu Wort und träumt schon von höheren Zielen. Ihre Zukunft als Parteichefin jedoch lässt Frauke Petry am Sonntag offen. „Das ist eine Frage, die stellt sich heute Abend auch nicht“, sagt sie. Welche Rolle sie in der künftigen Bundestagsfraktion spielen wird, „darüber reden wir ab morgen“, will sie sich nicht festlegen. AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel meldet
bereits Ansprüche für sich und Gauland auf die Fraktionsführung an: „Jetzt müssen wir liefern – und jetzt werden wir liefern“, gibt sie sich kämpferisch. Ihre Partei wolle im Bundestag jetzt „erst mal Oppositionsarbeit machen“und „die Bundesregierung kontrollieren“, kündigt Weidel an. Zudem wolle die AfD nun einen „Untersuchungsausschuss Angela Merkel initiieren“. Dies sei „das Erste, was wir tun werden“, sagt sie.
AfD-Vizevorsitzende Beatrix von Storch eilt am Sonntag von Interview zu Interview. „Die MerkelDämmerung hat eingesetzt. Darüber werden wir jetzt reden“, sagt sie in jede Kamera, die Republik werde nun wieder patriotischer. Vorstandsmitglied Georg Pazderski lehnt sich zufrieden zurück: „Wir haben alles erreicht, was wir erreichen wollten.“