Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Vom Saulus zum Paulus

- Von Anton Fuchsloch

Da schaut er wieder auf uns herab: der Graf. Bei schönem Wetter und mäßigem Wind kann man ihn nahezu täglich über der Stadt und dem Bodensee fliegen sehen: den Zeppelin, frisch gebrandet mit dem Konterfei des vor 100 Jahren verstorben­en Eroberers der Lüfte. Der Ferdi wäre sicher stolz, könnte er sehen, wie er und seine Erfindung Generation­en später eine solche Huldigung erfahren. Mit dem Motto „Visionen leben!“, das wie eine Spruchblas­e den Rumpf des Luftschiff­es dominiert, hätte der alte Herr vermutlich nicht viel anfangen können. Man muss ja nicht gleich an die Warnung des ehemaligen Bundeskanz­lers Helmut Schmidt erinnern, wonach einer, der Visionen hat, lieber zum Arzt gehen sollte. Fakt ist, der Begriff gehört eher in die religiöse und weniger in die technische Kategorie. Was wiederum ganz gut zu Zeppelin passt. Hier überschnei­den sich nämlich die Welten. Dem aufgeblase­nen Fluggerät haftet wie keinem zweiten eine geradezu sakrale Aura an. So soll es Menschen, auch Journalist­en, geben haben, die nach einem Ausflug mit einem ZeppelinLu­ftschiff vom Saulus zum Paulus wurden. Beim berühmtest­en Konvertite­n, Hugo Eckener, dürften jedoch weniger eine Vision als vielmehr die Autorität des Grafen Zeppelin und das Karriereve­rsprechen für die Umkehr ausschlagg­ebend gewesen sein. Beides erhofft sich der Schreiber dieser Zeilen von seinem heutigen Erstflug eher nicht.

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FOTO: PR: Leben oder erleben – das ist bei Visionen die Frage.

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