Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Vom Saulus zum Paulus
Da schaut er wieder auf uns herab: der Graf. Bei schönem Wetter und mäßigem Wind kann man ihn nahezu täglich über der Stadt und dem Bodensee fliegen sehen: den Zeppelin, frisch gebrandet mit dem Konterfei des vor 100 Jahren verstorbenen Eroberers der Lüfte. Der Ferdi wäre sicher stolz, könnte er sehen, wie er und seine Erfindung Generationen später eine solche Huldigung erfahren. Mit dem Motto „Visionen leben!“, das wie eine Spruchblase den Rumpf des Luftschiffes dominiert, hätte der alte Herr vermutlich nicht viel anfangen können. Man muss ja nicht gleich an die Warnung des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidt erinnern, wonach einer, der Visionen hat, lieber zum Arzt gehen sollte. Fakt ist, der Begriff gehört eher in die religiöse und weniger in die technische Kategorie. Was wiederum ganz gut zu Zeppelin passt. Hier überschneiden sich nämlich die Welten. Dem aufgeblasenen Fluggerät haftet wie keinem zweiten eine geradezu sakrale Aura an. So soll es Menschen, auch Journalisten, geben haben, die nach einem Ausflug mit einem ZeppelinLuftschiff vom Saulus zum Paulus wurden. Beim berühmtesten Konvertiten, Hugo Eckener, dürften jedoch weniger eine Vision als vielmehr die Autorität des Grafen Zeppelin und das Karriereversprechen für die Umkehr ausschlaggebend gewesen sein. Beides erhofft sich der Schreiber dieser Zeilen von seinem heutigen Erstflug eher nicht.