Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Aktenklau bringt Staatsverweigerin weitere Gefängnis-Monate ein
Wunderliche Kaufbeurer Gerichtsposse nach über einem Jahr juristisch geklärt
- Manuela H. hat am Donnerstag den Verhandlungssaal im Kaufbeurer Amtsgericht noch nicht einmal betreten, da macht sie auf dem Flur schon klar: „Ich erkenne dieses Gericht nicht an.“Klar, dass dies dem Vorsitzenden Richter Pottkamp gleichgültig ist. Geschäftsmäßig verurteilt er die 52-Jährige zum Schluss der Sitzung zu 14 Monaten Gefängnis ohne Bewährung. Darin enthalten sind acht Monate für ein wiederholtes Fahren ohne Führerschein. Den Rest hat sie sich während einer turbulenten Gerichtssitzung Anfang 2016 eingehandelt.
Seinerzeit wurde gegen Manuela H. die besagte Führerschein-Sache verhandelt. Bekannte machten aber genau in jenem Saal Rabatz, in dem die Frau nun erneut sitzt. Das Gericht wurde von ihnen lautstark und rundherum für illegal erklärt. Manuela H. riß ihre Akte vom Richtertisch, warf das Stück in den aufgewühlten Zuschauerraum, wo es verschwand. Ihr selbst gelang die Flucht aus dem kleinen Amtsgerichtsgebäude. In Österreich nennt man solche Menschen Staatsverweigerer. Für die Polizei wurde sie erst 13 Monate später sichtbar – das war Mitte Februar in der Nähe von Malaga in Spanien.
Jedenfalls bescherten die Ereignisse von 2016 dem Fall überregionale Aufmerksamkeit – zumal die Bekannten von Manuela H. den Tumult gefilmt und ins Internet gestellt hatten. Es war von der „Kaufbeurer Reichsbürgerin“die Rede.
Heilerin und Friseurin
„Nein, zu den Reichsbürgern gehöre ich nicht“, betont sie hingegen am Donnerstag. Mit brauner Strickjacke, rotem T-Shirt, Cargohose, knöchelhohen Stiefeln, rot lackierten Fingernägeln und hinten zusammengebundenen dunklen Haaren wirkt die Frau eher als komme sie aus alternativen Jugendhaus-Zeiten.
Als aktuellen Beruf gibt sie „Heilerin“an. In ihrer Bildungskarriere ist in diesem Zusammenhang von einer Lehre als Heilerziehungspflegerin die Rede. Da steht aber noch mehr: etwa Rückentherapeutin, oder Friseurin. Ihre Polizeiakte ist auch reichhaltiger als beim Durchschnittsbürger: kleine Betrugs- und Drogendelikte – und mehrmals Fahren ohne Führerschein, einige kurze Gefängnisaufenthalte.
Dass sich Manuela H. jedoch für das Deutsche Reich und dessen angeblichen Fortbestand interessiert hätte, lässt sich nirgends festmachen – ebenso wenig wie braun angehauchter Ungeist. Wenn schon, dann scheint bei der Frau eher ein allgemeines Unwohlsein über Gott, die Welt und den Staat vorzuherrschen. Darauf weist auch die Aussage hin, dass sie „mit dem System in Deutschland nicht einverstanden“sei. Nach Spanien sei sie gegangen, „weil ich sehen wollte, ob man mich im Ausland mehr zu schätzen weiß“.
Diese Aussage hatte sie jüngst vor einem Ermittlungsrichter in München gemacht. Dorthin war Manuela H. nach ihrer Auslieferung durch die spanischen Behörden zuerst gekommen. Richter Pottkamp verweist darauf, dass Manuela H. bereits bei den Münchner Vernehmungen den Diebstahl ihrer Gerichtsakte gestanden habe. Und so geht es am Donnerstag in Kaufbeuren nur noch um das Strafmaß.
Der Staatsanwalt nimmt die acht Monate fürs Fahren ohne Führerschein von 2016 und fordert „wegen Aktendiebstahl in Tateinheit mit Verwahrungsbruch“eine Gesamtstrafe von 14 Monaten. Er wirft der Frau vor, den Aktenklau mit ihren Bekannten abgesprochen zu haben. Dies steigere die Schuld. Dem widerspricht der Pflichtverteidiger von Manuela H. Er macht geltend, dass „der Sachwert der Akte gering“sei. Zudem habe es Abschriften gegeben. Der Verteidiger hielt zehn Monate Haft für ausreichend.
Richter Pottkamp scheinen beim Urteil jedoch zwei Sachverhalte umgetrieben zu haben: die Verhöhnung der Justiz durch den Diebstahl und die über Jahre hinweg dokumentierte Strafenliste. In der Urteilsverkündung wurde klar, dass er bei ihr eine Unbelehrbarkeit wittert. Das Gericht kann sich übrigens gleich auf Folgeverfahren einrichten: Gegen vier Aktenklau-Helfer wurden Strafbefehle erlassen. Am 11. Mai soll gegen den ersten von ihnen verhandelt werden.