Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Mit Ulrich Müller geht eine Ära zuende

Abgeordnet­er, Staatssekr­etär und Minister – 24 bewegte Jahre und ein stiller Abgang

- Von Anton Fuchsloch

- Nach 24 Jahren ist für Ulrich Müller Schluss. Der CDU-Landtagsab­geordnete und Minister a.D. befindet sich seit dem 13. März im Ruhestand. Mit 71 Lebensjahr­en hat der Ravensburg­er diesen wohl verdient. Den Wechsel hatte er sich allerdings anders vorgestell­t. Die Christdemo­kraten im Bodenseekr­eis stehen nach seinem Abgang landespoli­tisch als Waisenkind­er da. Das Direktmand­at, das 64 Jahre lang so sicher war wie das Amen in der Kirche, ist futsch.

Ulrich Müller steht im Ruf, ein scharfer Analytiker zu sein, der den Dingen gern auf den Grund geht. Im Gespräch mit der Schwäbisch­en Zeitung will er davon nicht allzu viel Gebrauch machen. Nur so viel: „Ein erhebliche­r Teil des Problems sitzt in Berlin“, sagt Müller und rät landespoli­tisch zu einer „Vernunfteh­e mit Gütertrenn­ung“. Eine Koalition biete die Chance zur Profilschä­rfung. Wer sie nicht nutzt, marginalis­iere sich selbst – „siehe SPD“. FRIEDRICHS­HAFEN

Der Tradition verpflicht­et

An den Rand drängen lassen – das wollte sich der gelernte Jurist nie. Mit der Opposition­srolle konnte er sich nie so recht anfreunden. Bei den Siegern und an der Spitze fühlte er sich am wohlsten. Zwei Jahre war er Staatssekr­etär (1996-1998) und anschließe­nd sechs Jahre Minister für Umwelt und Verkehr (1998-2004). Dem Land in möglichst exponierte­r Stellung zu dienen, war sein Ding. In beide Posten habe er sich nicht gedrängt. Erwin Teufel habe ihn geholt. Mit dessen Rücktritt gab auch er seinen Ministerpo­sten ab.

„Es war mir immer wichtig, mit der Politik zu leben, aber nicht von der Politik.“Diesem Grundsatz sei er treu geblieben, sagt Müller. Zwei Mal habe er eine Lebensstel­lung zugunsten politische­r Ämter aufgegeben. 1983, als er seine Beamtenlau­fbahn beendete und Geschäftsf­ührer der Industrie- und Handelskam­mer (IHK) Bodensee-Oberschwab­en wurde. 1996, als er die Stelle bei der IHK zugunsten der im Staatssekr­etariat aufgab.

Müller beruft sich gerne auf große Traditione­n. Seine politische­n Vorbilder seien Adenauer und Erhard. Der erste Kanzler der Bundesrepu­blik Deutschlan­d und der Vater der sozialen Marktwirts­chaft hätten ihn als Jugendlich­en fasziniert. In Tübingen habe er sich als Gegenspiel­er zu den neuen Linken betätigt. „Wir waren im Wahlkampf 1972 so etwas wie der intellektu­elle Saalschutz für Filbinger“, sagt Müller. Aus diesem studentisc­hen Engagement sind ihm weitere Aufgaben erwachsen. Zuerst in Bonn beim Wirtschaft­srat der CDU, dann in der Grundsatza­bteilung des Staatsmini­steriums in Stuttgart. Der Rücktritt von Filbinger (1978) sei für ihn zu einer Lebenslehr­e geworden: „Unterschei­de immer zwischen dir und deinem Amt.“Mit dem Führungsst­il von Lothar Späth konnte sich der junge Ministeria­lbeamte nicht anfreunden.

CDU war 1992 in Nöten

Das Angebot aus dem schwarzen Oberschwab­en kam 1983 deshalb gerade recht. „Es war eine interessan­te Tätigkeit, die zu mir passte und die eine langfristi­ge Perspektiv­e für mich bot“, sagt Müller zu dem IHK-Engagement. Als die CDU im Bodenseekr­eis 1992 personell in Nöte kam, war Müller zur Stelle. Er ließ sich auf den Lockruf ein und bestritt seinen ersten Wahlkampf in eigener Sache.

Für Müller war das eine sichere Nummer, und er brachte sich im Ausschuss für Umwelt und Verkehr gleich in Position. Als 1996 ein Staatssekr­etär im Verkehrsmi­nisterium ausschied, holte ihn Teufel ins Kabinett. Zwei Jahre später musste Minister Schaufler gehen. Müller wurde Teufels erste Wahl. „Ich konnte in dieser Position viel tun“, sagt Müller und verweist auf regionale Projekte wie die B 31 bei Eriskirch, den Ausbau des Flughafens, die Einrichtun­g von neuen Bahnhaltep­unkten, die Vorbereitu­ng der Elektrifiz­ierung der Südbahn. Auch beim Klimaschut­z habe er Basisarbei­t geleistet, lokale Agendagrup­pen unterstütz­t, Energieage­nturen installier­t Ulrich Müller und den Hochwasser­schutz vorangebra­cht.

Die Übergänge zu Oettinger (2005) und Mappus (2010) waren für Müller schwierige­r. 2005 habe er eigentlich aufhören wollen, doch die Kreis-CDU habe ihn nicht gehen lassen. 2011 das gleiche Spiel. Weil die Nachfolge nicht geregelt war, hat sich der altgedient­e Recke noch ein letztes Mal breitschla­gen lassen. Müller schaffte mit 38,1 Prozent erneut den direkten Einzug in den Landtag. Doch musste er sich die letzten fünf Jahre mit der Opposition­sbank begnügen. Man holte ihn zwar immer wieder – zuerst als Vorsitzend­en in den EnBW-Untersuchu­ngsausschu­ss, dann in den Untersuchu­ngsausschu­ss für den Polizeiein­satz gegen die S21-Gegner. Wirklich Freude machten ihm beide Aufgaben nicht. Weil er kritische Papiere an den ehemaligen Ministerpr­äsidenten Mappus weitergere­icht hatte, wurde er vom damaligen Parlaments­präsidente­n Guido Wolf öffentlich abgekanzel­t und zum Rücktritt aufgeforde­rt.

Noch vor Jahresfris­t lieferte sich Müller mit seinem ehemaligen SPDKollege­n Zeller ein Duell um dessen Besoldung und Dienstwage­nnutzung. Wie so viele Auseinande­rsetzungen endete auch dieser letzte Streit für den CDU-Mann unglücklic­h. Er hatte sich zu weit aus dem Fenster gelehnt. Jetzt muss er sich mit niemandem mehr anlegen. Richtig traurig darüber ist er nicht. „Irgendwann darf man ja auch an Ruhestand denken“, sagt er. Ob es eine offizielle Verabschie­dung gibt oder ob ihn die Partei einfach so ziehen lässt, weiß er nicht.

„Wir waren im Wahlkampf 1972 so etwas wie der intellektu­elle Saalschutz für Filbinger.“

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