Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Mit Ulrich Müller geht eine Ära zuende
Abgeordneter, Staatssekretär und Minister – 24 bewegte Jahre und ein stiller Abgang
- Nach 24 Jahren ist für Ulrich Müller Schluss. Der CDU-Landtagsabgeordnete und Minister a.D. befindet sich seit dem 13. März im Ruhestand. Mit 71 Lebensjahren hat der Ravensburger diesen wohl verdient. Den Wechsel hatte er sich allerdings anders vorgestellt. Die Christdemokraten im Bodenseekreis stehen nach seinem Abgang landespolitisch als Waisenkinder da. Das Direktmandat, das 64 Jahre lang so sicher war wie das Amen in der Kirche, ist futsch.
Ulrich Müller steht im Ruf, ein scharfer Analytiker zu sein, der den Dingen gern auf den Grund geht. Im Gespräch mit der Schwäbischen Zeitung will er davon nicht allzu viel Gebrauch machen. Nur so viel: „Ein erheblicher Teil des Problems sitzt in Berlin“, sagt Müller und rät landespolitisch zu einer „Vernunftehe mit Gütertrennung“. Eine Koalition biete die Chance zur Profilschärfung. Wer sie nicht nutzt, marginalisiere sich selbst – „siehe SPD“. FRIEDRICHSHAFEN
Der Tradition verpflichtet
An den Rand drängen lassen – das wollte sich der gelernte Jurist nie. Mit der Oppositionsrolle konnte er sich nie so recht anfreunden. Bei den Siegern und an der Spitze fühlte er sich am wohlsten. Zwei Jahre war er Staatssekretär (1996-1998) und anschließend sechs Jahre Minister für Umwelt und Verkehr (1998-2004). Dem Land in möglichst exponierter Stellung zu dienen, war sein Ding. In beide Posten habe er sich nicht gedrängt. Erwin Teufel habe ihn geholt. Mit dessen Rücktritt gab auch er seinen Ministerposten ab.
„Es war mir immer wichtig, mit der Politik zu leben, aber nicht von der Politik.“Diesem Grundsatz sei er treu geblieben, sagt Müller. Zwei Mal habe er eine Lebensstellung zugunsten politischer Ämter aufgegeben. 1983, als er seine Beamtenlaufbahn beendete und Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Bodensee-Oberschwaben wurde. 1996, als er die Stelle bei der IHK zugunsten der im Staatssekretariat aufgab.
Müller beruft sich gerne auf große Traditionen. Seine politischen Vorbilder seien Adenauer und Erhard. Der erste Kanzler der Bundesrepublik Deutschland und der Vater der sozialen Marktwirtschaft hätten ihn als Jugendlichen fasziniert. In Tübingen habe er sich als Gegenspieler zu den neuen Linken betätigt. „Wir waren im Wahlkampf 1972 so etwas wie der intellektuelle Saalschutz für Filbinger“, sagt Müller. Aus diesem studentischen Engagement sind ihm weitere Aufgaben erwachsen. Zuerst in Bonn beim Wirtschaftsrat der CDU, dann in der Grundsatzabteilung des Staatsministeriums in Stuttgart. Der Rücktritt von Filbinger (1978) sei für ihn zu einer Lebenslehre geworden: „Unterscheide immer zwischen dir und deinem Amt.“Mit dem Führungsstil von Lothar Späth konnte sich der junge Ministerialbeamte nicht anfreunden.
CDU war 1992 in Nöten
Das Angebot aus dem schwarzen Oberschwaben kam 1983 deshalb gerade recht. „Es war eine interessante Tätigkeit, die zu mir passte und die eine langfristige Perspektive für mich bot“, sagt Müller zu dem IHK-Engagement. Als die CDU im Bodenseekreis 1992 personell in Nöte kam, war Müller zur Stelle. Er ließ sich auf den Lockruf ein und bestritt seinen ersten Wahlkampf in eigener Sache.
Für Müller war das eine sichere Nummer, und er brachte sich im Ausschuss für Umwelt und Verkehr gleich in Position. Als 1996 ein Staatssekretär im Verkehrsministerium ausschied, holte ihn Teufel ins Kabinett. Zwei Jahre später musste Minister Schaufler gehen. Müller wurde Teufels erste Wahl. „Ich konnte in dieser Position viel tun“, sagt Müller und verweist auf regionale Projekte wie die B 31 bei Eriskirch, den Ausbau des Flughafens, die Einrichtung von neuen Bahnhaltepunkten, die Vorbereitung der Elektrifizierung der Südbahn. Auch beim Klimaschutz habe er Basisarbeit geleistet, lokale Agendagruppen unterstützt, Energieagenturen installiert Ulrich Müller und den Hochwasserschutz vorangebracht.
Die Übergänge zu Oettinger (2005) und Mappus (2010) waren für Müller schwieriger. 2005 habe er eigentlich aufhören wollen, doch die Kreis-CDU habe ihn nicht gehen lassen. 2011 das gleiche Spiel. Weil die Nachfolge nicht geregelt war, hat sich der altgediente Recke noch ein letztes Mal breitschlagen lassen. Müller schaffte mit 38,1 Prozent erneut den direkten Einzug in den Landtag. Doch musste er sich die letzten fünf Jahre mit der Oppositionsbank begnügen. Man holte ihn zwar immer wieder – zuerst als Vorsitzenden in den EnBW-Untersuchungsausschuss, dann in den Untersuchungsausschuss für den Polizeieinsatz gegen die S21-Gegner. Wirklich Freude machten ihm beide Aufgaben nicht. Weil er kritische Papiere an den ehemaligen Ministerpräsidenten Mappus weitergereicht hatte, wurde er vom damaligen Parlamentspräsidenten Guido Wolf öffentlich abgekanzelt und zum Rücktritt aufgefordert.
Noch vor Jahresfrist lieferte sich Müller mit seinem ehemaligen SPDKollegen Zeller ein Duell um dessen Besoldung und Dienstwagennutzung. Wie so viele Auseinandersetzungen endete auch dieser letzte Streit für den CDU-Mann unglücklich. Er hatte sich zu weit aus dem Fenster gelehnt. Jetzt muss er sich mit niemandem mehr anlegen. Richtig traurig darüber ist er nicht. „Irgendwann darf man ja auch an Ruhestand denken“, sagt er. Ob es eine offizielle Verabschiedung gibt oder ob ihn die Partei einfach so ziehen lässt, weiß er nicht.
„Wir waren im Wahlkampf 1972 so etwas wie der intellektuelle Saalschutz für Filbinger.“