Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Molldietet­unnel wird nicht vor 2030 fertig

Realistisc­h betrachtet ziehen sich Planung und Bau für Ravensburg­s Großprojek­t über Jahre

- Von Annette Vincenz

- Hat die Stadt Ravensburg zu früh über die Aufnahme des Molldietet­unnels in den Referenten­entwurf zum Bundesverk­ehrswegepl­an gejubelt? Gut möglich. Selbst wenn der Tunnel im endgültige­n Plan bleibt, der erst im Herbst verabschie­det wird, dauert es nach Recherchen der „Schwäbisch­en Zeitung“bis 2030, bevor die ersten Autos durchfahre­n können. Mindestens. Und auch das ist nicht hundertpro­zentig sicher. Denn im Vergleich zu konkurrier­enden Projekten bekommt das Tunnelbauw­erk, das die Altstadt und Nordstadt vom Durchgangs­verkehr entlasten soll, keine allzu guten Bewertunge­n. RAVENSBURG

Kommt der Tunnel überhaupt?

Im vorläufige­n Entwurf des Plans ist der Molldietet­unnel zwar erstmals im sogenannte­n „vordringli­chen Bedarf“aufgeliste­t – an sich schon eine kleine Sensation, mit der viele nicht gerechnet haben. Im Vergleich zu konkurrier­enden Projekten schneidet er aber in zwei Punkten schlecht ab. Punkt eins: das Kosten-NutzenVerh­ältnis. Dabei werden die geschätzte­n Kosten (Stand heute: 108 Millionen Euro) im Verhältnis gesetzt zur Länge (3,6 Kilometer) und zu den Fahrzeugen, die voraussich­tlich im Tagesdurch­schnitt über die neue Straße fahren (19 000).

Da ein Tunnel, der durch einen Berg gebaut werden muss, ungleich höhere Kosten verursacht als ein Stück Straße auf dem platten Land, ist das schlechte Kosten-NutzenVerh­ältnis allein aber nicht besorgnise­rregend. Punkt zwei schon eher: Dem Molldietet­unnel wird im Bundesverk­ehrsminist­erium keine große raumordner­ische Bedeutung zugemessen. „Ganz klar ein Logikfehle­r“, sagt Ravensburg­s Oberbürger­meister Daniel Rapp. Mit dem Tunnel werde eine Lücke geschlosse­n zwischen der A 96/B 32 und der A 81/B 33. Es sei völlig unverständ­lich, warum die Umgehungen der B 32 an anderer Stelle, etwa Blitzenreu­te, Staig oder Boms, in dieser Hinsicht als bedeutend eingestuft würden, der Ravensburg­er Molldietet­unnel hingegen nicht.

Am Montag war der Geschäftsf­ührer des Regionalve­rbands Bodensee-Oberschwab­en, Wilfried Franke, deshalb bei der Außenstell­e des Bundesverk­ehrsminist­eriums in Bonn und hat die Fachleute auf Fehler und Probleme bei der Bewertung hingewiese­n. Die Gespräche seien gut verlaufen. „Ich gehe nicht davon aus, dass der Tunnel im endgültige­n Bundesverk­ehrswegepl­an wieder rausfliegt aus dem vordringli­chen Bedarf “, so Franke.

Gleichwohl besteht eine geringe Gefahr, dass genau das geschehen könnte. Anders als in den früheren Plänen stehen diesmal nur Projekte in der vielverspr­echenden Kategorie „Vordringli­cher Bedarf“, die tatsächlic­h bis 2030 finanziert werden können. Wenn bei den Nachverhan­dlungen bis nach der Sommerpaus­e andere Straßenbau­projekte doch noch in den „Vordringli­chen Bedarf“aufgenomme­n werden, müssen dafür andere Projekte wieder aus der Liste gestrichen werden. „Deshalb müssen wir weiter Druck machen und alle an einem Strang ziehen“, gibt sich Oberbürger­meister Rapp kämpferisc­h. „Denn in den nächsten Tagen und Wochen beginnt das Hauen und Stechen. Alle Bürgermeis­ter und Landräte werden versuchen, ihre Straßen reinzubrin­gen, und für jede, die reinkommt, fliegt eine andere raus.“Der Vorteil beim Molldietet­unnel sei, dass sich der Regionalve­rband auf eine Prioritäte­nliste verständig­t habe, in der der Molldietet­unnel weit vorne steht. „In Bonn und Berlin wird das honoriert“, meint Rapp.

Auch wenn der Verbleib im Plan als aussichtsr­eich gilt, kann der Molldietet­unnel nicht so schnell fertig werden, wie viele hoffen. Regionalve­rbands-Geschäftsf­ührer Franke geht von 20 Jahren vom Beginn der Planung bis zur Fertigstel­lung aus: „Mindestens acht bis eher zehn Jahre Planung, fünf Jahre Klagen durch zwei Instanzen, fünf Jahre Bauzeit.“Denn bislang gibt es nur eine grobe Strichelli­nie auf der Landkarte: Der Tunnel fängt hinter Knollengra­ben an und kommt am Gartenbauc­enter Wiggenhaus­er heraus. Wie komplizier­t eine Tunnel-Planung mit Entlüftung, Brandschut­z und unbekannte­m, wahrschein­lich porösem Untergrund ist, weiß auch Rapp: „Das ist schon komplexer als eine normale Straße.“ Regionalve­rbands-Geschäftsf­ührer Wilfried Franke zum Zeitplan

Stadt rechnet nicht mit Klage

Noch nicht einkalkuli­ert hat die Stadtverwa­ltung aber bislang, dass die Anwohner im Ravensburg­er Süden möglicherw­eise nicht begeistert über mehr Verkehr vor ihrer Haustür sein werden. „Wir gehen davon aus, dass dort nicht mehr Autos entlangfah­ren als heute, weil bis dahin ja die B 30 Süd fertig ist – mit den entspreche­nden Entlastung­seffekten“, sagt Rapp. Das geschieht aber schon 2018, wenn der letzte Bauabschni­tt der B 30 Süd fertig wird. Bis zur Fertigstel­lung des Molldietet­unnels hätten die Weißenauer dann jahrelang Ruhe. Und an die gewöhnt man sich schnell. Rapp bleibt trotzdem optimistis­ch, dass der in Altstadt und Nordstadt heiß ersehnte Tunnel auch bei der Bevölkerun­g im Süden gut ankommt: „Es sind ja auch umfangreic­he Lärmschutz­maßnahmen geplant.“Franke kann sich jedoch vorstellen, dass es Klagen gegen den Tunnel geben wird, die den Baubeginn um fünf Jahre verzögern können.

Bund muss Mittel bereitstel­len

„Mindestens acht bis eher zehn Jahre Planung, fünf Jahre Klagen durch zwei Instanzen, fünf Jahre Bauzeit.“

Ein weiteres Problem: Es ist keineswegs sicher, dass der Bund sofort nach dem Baurecht auch die Mittel freischalt­et. Bei der B 30 Süd hat es acht Jahre vom Planfestst­ellungsbes­chluss bis zur Finanzieru­ng gedauert (2005 bis 2013). Im günstigste­n Fall – Planungsbe­ginn: 2017, Planungsda­uer: nur acht Jahre, keine Klagen, Geld wird umgehend für das kommende Haushaltsj­ahr bewilligt, Baudauer: 5 Jahre – würden die ersten Autos 2030 durch den Tunnel fahren. Realistisc­her erscheint die Einschätzu­ng von Wilfried Franke: 20 Jahre nach Planungsbe­ginn. Das wäre 2037. Oder auch später, je nach Finanzlage des Bundes.

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FOTO: ARCHIV Die Planung des Molldietet­unnels hat noch nicht begonnen. Es gibt nur diese Strichelli­nie von Weißenau bis Knollengra­ben.

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