Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Wurde bei der Schuldenbremse getrickst?
Lindner stellt 476-Milliarden-Euro-Entwurf vor – Kritik von der Opposition und aus den eigenen Reihen
- Um 5.38 Uhr am Freitagmorgen war es so weit: Der Haushaltsausschuss beendete seine Marathon-Bereinigungssitzung von 18 Stunden und beschloss den Haushaltsentwurf 2023. „Dieser Haushalt steht für soziale Gerechtigkeit, Klimaschutz und Freiheit in der Zeitenwende. Dabei fördern wir innovative Technologien und sorgen für wichtige Zukunftsinvestitionen“, hieß es von den haushaltspolitischen Sprechern der Koalition. Dabei gab es in der Sitzung durchaus strittige Punkte – und die Vertreter der Regierungsfraktionen mussten selbst an einer Stelle nachbessern.
Was wurde beschlossen?
Rund 476,29 Milliarden Euro will die Regierung im kommenden Jahr ausgeben, das sind 31 Milliarden Euro mehr als im Entwurf von Finanzminister Christian Lindner (Foto: Imago) vor einigen Monaten vorgesehen war. Besonders ist, dass nach zwei Jahren Aussetzung die Schuldenbremse bei der Neuverschuldung wieder eingehalten werden soll. Auf 45 Milliarden Euro für die Nettokreditaufnahme einigten sich die Haushälter. Das sei möglich durch die schlechte Konjunkturprognose, erklärte FDP-Haushälter Otto Fricke. Die Ampel-Koalitionen wollen zudem 13 Milliarden Euro investieren, 10Milliarden davon sind für eine Aktienrente vorgesehen.
Welche Ministerien profitieren?
Unter anderem bekommen je eine zusätzliche Milliarde Euro für humanitäre Hilfe das Auswärtige Amt und das Entwicklungsministerium. In der Erhöhung des Etats des Arbeitsministeriums zeige sich die Umsetzung der kürzlich beschlossenen Entlastungsmaßnahmen wie das Bürgergeld, erklärte SPD-Sprecher
Dennis Rohde. Das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen erhält durch das beschlossene Wohngeld statt 5 nun 7,3 Milliarden Euro.
Wie reagierte die Opposition auf den Haushalt 2023?
Die Kritikliste von CDU/CSU, AfD und Linken war lang: Dass bei der Neuverschuldung „jeglicher Spielraum ausgenutzt“werde, sah CDUHaushaltssprecher Christian Haase problematisch. Sparen wäre notwendig, „aber das hat die Regierung augenscheinlich nicht verstanden.“Durch die zahlreichen Sondervermögen werde die verfassungsrechtliche Schuldenobergrenze umgangen, monierte Peter Boehringer, Sprecher der AfD.
Welches Projekt erfährt die meiste Kritik?
AfD und Linke kritisierten zudem den geplanten Erweiterungsbau des Bundeskanzleramts. 770 Millionen Euro sind dafür im Etat 2023 vorgesehen. In Zeiten wie diesen „wäre mehr Bescheidenheit angebracht“, betonte Gesine Lötzsch, Haushälterin der Linksfraktion. Lötzschs Vorwurf, die Regierung habe versucht, sowohl die Opposition als auch ihre Fraktionen „über den Tisch zu ziehen“, wiesen die Ampel-Haushälter entschieden zurück.
Warum gibt es neue Stellen?
Einen weiteren Streitpunkt, die Schaffung von 5000 neuen Stellen Bundespersonal, verteidigte Grünen-Haushälter Sven-Christian Kindler. Man reagiere auf die Folgen der Ukraine-Krise, es sollten vor allem mehr Fachreferenten im Bereich kritische Infrastruktur und Internationales geschaffen werden. „Zum Teil sind diese auch refinanziert, der Haushalt wird nicht belastet“, so Kindler.
Wie geht es im Bundestag weiter?
Übernächste Woche soll der Haushalt in zweiter und dritter Lesung vom Bundestag beschlossen werden.