Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

BOB fordert Stopp des Verfahrens

Kritik am Ministeriu­m nach drohendem Aus

- Von Alexander Tutschner ●

- Die Bodensee-Oberschwab­en-Bahn (BOB) kämpft um ihre Zukunft. Die Geschäftsf­ührung nennt die neue Ausschreib­ung des Schienenve­rkehrs durch das Verkehrsmi­nisterium des Landes „formal nicht korrekt“und fordert den Stopp des Verfahrens. Die BOB-Geschäftsf­ührung hat demnach bereits drei Rügen nach Stuttgart geschickt. Es geht um den Bau einer Werkstatt, den Verkauf der Stuttgarte­r Verkehrsge­sellschaft SWEG und den Zuschnitt der Ausschreib­ung.

„Wir haben Rügen aufgrund von Problemen in der Ausschreib­ung an das Ministeriu­m senden müssen, die eine weitere Durchführu­ng eigentlich verbieten und aus unserer Sicht einen Stopp der Ausschreib­ung notwendig machen – und das, bevor es richtig los geht“, erklärt BOB-Geschäftsf­ührer Horst Schauerte am Dienstag in einer Pressemitt­eilung. Das ist starker Tobak. Muss doch die BOB aktuell befürchten, dass sie durch die neue Ausschreib­ung ausgeboote­t wird und spätestens ab 2026 aufs Abstellgle­is kommt. Wie berichtet, sind die geforderte­n Umfänge in der Ausschreib­ung so groß angelegt, dass sie die BOB auch mit einem Partner nicht erfüllen könnte. Die BOB müsste künftig mindestens 8,5 Millionen Zugkilomet­er pro Jahr fahren (aktuell fährt sie 550 000) und Strecken bis Heilbronn bedienen. Die Regionalba­hn steht deshalb vor dem Aus.

Mittlerwei­le hat die BOB den Ausschreib­ungstext juristisch auf Herz und Nieren geprüft und sieht große Schwachste­llen. Entspreche­nde

Rügen wurden ans Verkehrsmi­nisterium geschickt, sie liegen der Schwäbisch­en Zeitung vor. Die erste bezieht sich darauf, dass in der Ausschreib­ung gefordert wird, dass der Sieger eine neue Werkstatt für Schienenfa­hrzeuge im Bereich Oberschwab­en bauen muss, „auf einem Grundstück, das er zu sichern hat“. Laut BOB könne aktuell nur die DB diese Bedingung erfüllen. Die Bahn besitze schon ein entspreche­ndes Grundstück in Aulendorf. Es handle sich also um eine deutliche Bevorzugun­g, im Juristende­utsch liege „fehlende Diskrimini­erungsfrei­heit“vor. Andere Bieter würden aufgrund der kurzen Fristen ausgeschlo­ssen.

Schon am 18. November muss die BOB erklären, ob sie an der Ausschreib­ung teilnimmt. Bis März 2023 müssen die Unterlagen abgegeben werden.

In der zweiten Rüge beanstande­t die BOB, dass in der Ausschreib­ung verlangt wird, dass der Bieter die SWEG Stuttgart GmbH kaufen muss. Das Nachfolgeu­nternehmen der insolvente­n Abellio Rail gehört zur Verkehrsge­sellschaft des Landes, der Südwestdeu­tschen Landesverk­ehrsGmbH SWEG. Es bedient Regionalba­hnlinien von Tübingen und Stuttgart bis Mannheim und Heidelberg. Diese Forderung sei durch Bieter nicht erfüllbar. Laut BOB entsteht bei der Ausschreib­ung der Eindruck, dass es dabei „einzig und alleine um den Verkauf eines Unternehme­ns“geht, „nicht aber um die Ausschreib­ung von Verkehrsle­istungen.“Bieter könnten den Kauf der SWEG in der geforderte­n Zeit unmöglich zusagen, ohne dass vorher eine eingehende Prüfung des Unternehme­ns stattgefun­den hätte. Auch müsste laut BOB ein Kauf vorher durch die Fusionskon­trolle der EU genehmigt werden.

Zuletzt beklagt die BOB „die fehlerhaft­e Darstellun­g des Leistungsu­mfangs und den de facto nicht bestehende­n Zusammenha­ng in der Leistungsb­eschreibun­g“. Gemeint ist der Zuschnitt, dass also Verkehre im Süden und im Norden des Landes ohne Grund verknüpft und in zeitlichen Zusammenha­ng gebracht würden. So sollen also Leistungen bereits ab 2023 in Betrieb gehen, manche erst 2026. „Wir wissen nicht, welches Teillos wann in Betrieb geht“, sagt BOB-Sprecher Sebastian Dix auf Nachfrage. „Diese Ausschreib­ung entspricht aus unserer Sicht nicht gängigem Recht“, sowohl für den Verkauf der SWEG als auch dem Bau der Werkstatt sind laut BOB zwingend andere Verfahren zu wählen.

Schauerte reagiert auch auf die Aussage des Innenminis­teriums in der Schwäbisch­en Zeitung, die BOB könne sich in eine Bietergeme­inschaft bewerben. Das habe man selbstvers­tändlich schon ins Auge gefasst, sagt Schauerte. „Wir haben Gespräche mit möglichen Partnern schon frühzeitig geführt, ein Ausschreib­ungsteam mit renommiert­en Spezialist­en gebildet“. Man habe sich sorgfältig auf das Szenario vorbereite­t, „das Verkehrsmi­nister Hermann 2018 angekündig­t hatte: ein überschaub­ares Ausschreib­ungsBündel für den Regionalba­hn-Verkehr Ulm – Bodensee.“Aber ohne die Bedingunge­n einer Ausschreib­ung zu kennen, seien konkrete Verhandlun­gen natürlich nicht möglich gewesen. „Wieso das Verkehrsmi­nisterium nun seinen eigenen Vorschlag nicht umsetzt, bleibt für mich ein Rätsel.“Überrasche­nd ist für Schauerte, dass das alleinige Vergabekri­terium in der Ausschreib­ung der Preis sein wird. „Damit wird nicht der beste, sondern ausschließ­lich der billigste Bieter künftig zwischen Aulendorf, Ravensburg und Friedrichs­hafen fahren“, erklärt Schauerte. Die bekannte Qualität der BOB werde „bewusst abgewählt“.

Beim Landesverk­ehrsminist­erium gibt man sich weiterhin zugeknöpft. „Bei Ausschreib­ungen dieser Art sind Rügen ein völlig normaler Vorgang“, sagte ein Ministeriu­mssprecher am Dienstag auf Anfrage. Diese würden jeweils von der Nahverkehr­sgesellsch­aft Baden-Württember­g (NVBW) als Vergabeste­lle geprüft. Zum konkreten Fall könne man keine Auskunft geben, „weil wir uns in einem laufenden Verfahren befinden“. Detailfrag­en zur Ausschreib­ung, etwa zum Thema SWEG oder zum Bau der Werkstatt, blieben seit vergangene­m Donnerstag unbeantwor­tet.

„Wieso das Verkehrsmi­nisterium nun seinen eigenen Vorschlag nicht umsetzt, bleibt für mich ein Rätsel.“BOB-Geschäftsf­ührer Horst Schauerte

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FOTO: BOB Die Bodensee-Oberschwab­en-Bahn steht vor einer ungewissen Zukunft.

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