Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
BOB fordert Stopp des Verfahrens
Kritik am Ministerium nach drohendem Aus
- Die Bodensee-Oberschwaben-Bahn (BOB) kämpft um ihre Zukunft. Die Geschäftsführung nennt die neue Ausschreibung des Schienenverkehrs durch das Verkehrsministerium des Landes „formal nicht korrekt“und fordert den Stopp des Verfahrens. Die BOB-Geschäftsführung hat demnach bereits drei Rügen nach Stuttgart geschickt. Es geht um den Bau einer Werkstatt, den Verkauf der Stuttgarter Verkehrsgesellschaft SWEG und den Zuschnitt der Ausschreibung.
„Wir haben Rügen aufgrund von Problemen in der Ausschreibung an das Ministerium senden müssen, die eine weitere Durchführung eigentlich verbieten und aus unserer Sicht einen Stopp der Ausschreibung notwendig machen – und das, bevor es richtig los geht“, erklärt BOB-Geschäftsführer Horst Schauerte am Dienstag in einer Pressemitteilung. Das ist starker Tobak. Muss doch die BOB aktuell befürchten, dass sie durch die neue Ausschreibung ausgebootet wird und spätestens ab 2026 aufs Abstellgleis kommt. Wie berichtet, sind die geforderten Umfänge in der Ausschreibung so groß angelegt, dass sie die BOB auch mit einem Partner nicht erfüllen könnte. Die BOB müsste künftig mindestens 8,5 Millionen Zugkilometer pro Jahr fahren (aktuell fährt sie 550 000) und Strecken bis Heilbronn bedienen. Die Regionalbahn steht deshalb vor dem Aus.
Mittlerweile hat die BOB den Ausschreibungstext juristisch auf Herz und Nieren geprüft und sieht große Schwachstellen. Entsprechende
Rügen wurden ans Verkehrsministerium geschickt, sie liegen der Schwäbischen Zeitung vor. Die erste bezieht sich darauf, dass in der Ausschreibung gefordert wird, dass der Sieger eine neue Werkstatt für Schienenfahrzeuge im Bereich Oberschwaben bauen muss, „auf einem Grundstück, das er zu sichern hat“. Laut BOB könne aktuell nur die DB diese Bedingung erfüllen. Die Bahn besitze schon ein entsprechendes Grundstück in Aulendorf. Es handle sich also um eine deutliche Bevorzugung, im Juristendeutsch liege „fehlende Diskriminierungsfreiheit“vor. Andere Bieter würden aufgrund der kurzen Fristen ausgeschlossen.
Schon am 18. November muss die BOB erklären, ob sie an der Ausschreibung teilnimmt. Bis März 2023 müssen die Unterlagen abgegeben werden.
In der zweiten Rüge beanstandet die BOB, dass in der Ausschreibung verlangt wird, dass der Bieter die SWEG Stuttgart GmbH kaufen muss. Das Nachfolgeunternehmen der insolventen Abellio Rail gehört zur Verkehrsgesellschaft des Landes, der Südwestdeutschen LandesverkehrsGmbH SWEG. Es bedient Regionalbahnlinien von Tübingen und Stuttgart bis Mannheim und Heidelberg. Diese Forderung sei durch Bieter nicht erfüllbar. Laut BOB entsteht bei der Ausschreibung der Eindruck, dass es dabei „einzig und alleine um den Verkauf eines Unternehmens“geht, „nicht aber um die Ausschreibung von Verkehrsleistungen.“Bieter könnten den Kauf der SWEG in der geforderten Zeit unmöglich zusagen, ohne dass vorher eine eingehende Prüfung des Unternehmens stattgefunden hätte. Auch müsste laut BOB ein Kauf vorher durch die Fusionskontrolle der EU genehmigt werden.
Zuletzt beklagt die BOB „die fehlerhafte Darstellung des Leistungsumfangs und den de facto nicht bestehenden Zusammenhang in der Leistungsbeschreibung“. Gemeint ist der Zuschnitt, dass also Verkehre im Süden und im Norden des Landes ohne Grund verknüpft und in zeitlichen Zusammenhang gebracht würden. So sollen also Leistungen bereits ab 2023 in Betrieb gehen, manche erst 2026. „Wir wissen nicht, welches Teillos wann in Betrieb geht“, sagt BOB-Sprecher Sebastian Dix auf Nachfrage. „Diese Ausschreibung entspricht aus unserer Sicht nicht gängigem Recht“, sowohl für den Verkauf der SWEG als auch dem Bau der Werkstatt sind laut BOB zwingend andere Verfahren zu wählen.
Schauerte reagiert auch auf die Aussage des Innenministeriums in der Schwäbischen Zeitung, die BOB könne sich in eine Bietergemeinschaft bewerben. Das habe man selbstverständlich schon ins Auge gefasst, sagt Schauerte. „Wir haben Gespräche mit möglichen Partnern schon frühzeitig geführt, ein Ausschreibungsteam mit renommierten Spezialisten gebildet“. Man habe sich sorgfältig auf das Szenario vorbereitet, „das Verkehrsminister Hermann 2018 angekündigt hatte: ein überschaubares AusschreibungsBündel für den Regionalbahn-Verkehr Ulm – Bodensee.“Aber ohne die Bedingungen einer Ausschreibung zu kennen, seien konkrete Verhandlungen natürlich nicht möglich gewesen. „Wieso das Verkehrsministerium nun seinen eigenen Vorschlag nicht umsetzt, bleibt für mich ein Rätsel.“Überraschend ist für Schauerte, dass das alleinige Vergabekriterium in der Ausschreibung der Preis sein wird. „Damit wird nicht der beste, sondern ausschließlich der billigste Bieter künftig zwischen Aulendorf, Ravensburg und Friedrichshafen fahren“, erklärt Schauerte. Die bekannte Qualität der BOB werde „bewusst abgewählt“.
Beim Landesverkehrsministerium gibt man sich weiterhin zugeknöpft. „Bei Ausschreibungen dieser Art sind Rügen ein völlig normaler Vorgang“, sagte ein Ministeriumssprecher am Dienstag auf Anfrage. Diese würden jeweils von der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg (NVBW) als Vergabestelle geprüft. Zum konkreten Fall könne man keine Auskunft geben, „weil wir uns in einem laufenden Verfahren befinden“. Detailfragen zur Ausschreibung, etwa zum Thema SWEG oder zum Bau der Werkstatt, blieben seit vergangenem Donnerstag unbeantwortet.
„Wieso das Verkehrsministerium nun seinen eigenen Vorschlag nicht umsetzt, bleibt für mich ein Rätsel.“BOB-Geschäftsführer Horst Schauerte