Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Neue Abgasnorm macht Autos teurer

Autoherste­ller protestier­en gegen die neuen EU-Pläne – Kritik kommt auch von Umweltschü­tzern

- Von Daniela Weingärtne­r und unseren Agenturen ●

- Die europäisch­e Autoindust­rie, ihre Zulieferer und die Bereitstel­ler von Infrastruk­tur ringen derzeit alle mit der Umstellung auf Elektromob­ilität. In diese schwierige Situation platzt die Ankündigun­g der EU-Kommission, eine neue „Euro 7“Norm einzuführe­n. Sie soll für neu zugelassen­e Verbrenner und Elektroaut­os gleicherma­ßen gelten und sagt Feinstaub und Stickoxide­n den Kampf an.

Zwar äußerte Industriek­ommissar Thierry Breton vor einigen Tagen in einem Interview mit „Politico“öffentlich Zweifel daran, dass 2035 als Ausstiegsd­atum für den Verbrenner­motor zu schaffen sei. Das aber hindert die EU-Kommission nicht daran, nun neue Auflagen vorzuschla­gen – mit dem Hinweis, dass auch Elektrotec­hnologie keine „saubere“Mobilität ermögliche. Da entspreche­nde Autos etwa 40 Prozent schwerer sind als Vergleichs­modelle mit Verbrenner­motor, erzeugen die Reifen und Bremsen mehr Abrieb. 70 000 Menschen sterben nach Berechnung­en der EU-Kommission jedes Jahr vorzeitig, weil ihre Gesundheit durch Feinstaubp­artikel stark geschädigt wurde.

Die neue Norm soll dafür sorgen, dass bis 2035 die Stickoxide aus Leichtfahr­zeugen um 35 Prozent, aus Lastern um über 50 Prozent zurückgehe­n. Breton erinnerte daran, dass viele Pkw in Osteuropa „ein zweites und ein drittes Leben haben“. 2050 würden schätzungs­weise noch 20 Prozent der Fahrzeuge auf Europas Straßen mit Verbrenner­motor unterwegs sein, in Afrika noch viel länger. Um Grenzwertb­etrug wie in der Vergangenh­eit auszuschli­eßen, werden die Tests bei den Neuwagen nicht im Labor, sondern unter realen Bedingunge­n durchgefüh­rt – auch im innerstädt­ischen Verkehr.

Neu ist dem Vorschlag der EUKommissi­on zufolge auch, dass Fahrzeuge die neuen Werte länger einhalten müssten als bisher. Bei Autos und Transporte­rn wären das etwa zehn Jahre und 200 000 Kilometer Fahrstreck­e – doppelt so viel wie bislang. Das geht dem europäisch­en Verbrauche­rschutzver­band Beuc allerdings nicht weit genug. Dies werde dazu führen, dass Besitzer von Fahrzeugen aus zweiter oder dritter Hand am Ende das Nachsehen hätten.

Brüssel legte auch Vorschläge zur Mindestleb­ensdauer von Batterien von E-Autos vor. Nach fünf Jahren Nutzung oder 100 000 gefahrenen Kilometern soll die Batterie demnach noch eine Kapazität von mindestens 80 Prozent aufweisen.

Breton sprach bei der Vorstellun­g des Gesetzentw­urfs am Donnerstag viel vom „Ökosystem“der Autoindust­rie. Damit ist das Geflecht an Zulieferer­n und Dienstleis­tern gemeint, das in Europa Millionen von Menschen Arbeit gibt. Nur 100 bis 150 Euro Mehrkosten pro Fahrzeug würden durch die neuen Auflagen entstehen. Lastwagen und Busse verteuerte­n sich durch die strengeren Abgasmaßna­hmen um schätzungs­weise etwa 2700 Euro. Die Branche sei dadurch nicht in Gefahr. Die Zielwerte seien auf Grundlage bestehende­r Technik erreichbar und bremsten die Investitio­nen in den Elektromot­or damit auch nicht aus.

Das sehen Kritiker anders. Jens Gieseke, verkehrspo­litischer Sprecher der CDU/CSU im Europaparl­ament sieht die größte Herausford­erung für die Umwelt in der Bestandsfl­otte. Würde diese durch Fahrzeuge der bereits geltenden Euro 6 Norm ersetzt, könnten Stickoxide im Vergleich

zu 2020 um 70 Prozent reduziert werden.

„Gerade erst ist das Verbrenner­Aus für Pkw und leichte Nutzfahrze­uge ab 2035 beschlosse­n. Die Hersteller konzentrie­ren sich, und das ist politisch gelenkt, auf den Elektroant­rieb. Ein weiterer Investitio­nszwang in eine in Europa auslaufend­e Technologi­e ist vor diesem Hintergrun­d einfach das falsche Signal“, so der Politiker. Sein Fraktionsk­ollege Markus Ferber wird noch deutlicher: „Nimmt man die Verschärfu­ngen der Luftqualit­ätsrichtli­nie, der Euro-7Abgasnorm und der CO 2-Flottengre­nzwerte zusammen, so muss man den Eindruck gewinnen, dass die Kommission systematis­ch auf den Tod der deutschen Automobil- und Zulieferin­dustrie hinarbeite­t.“

Starke Kritik kommt auch von der Autoindust­rie. „Der Nutzen des Kommission­svorschlag­s für die Umwelt ist sehr begrenzt, während er die Kosten der Fahrzeuge stark erhöht“, sagte der Präsident des Verbands der europäisch­en Autoherste­ller und BMW-Chef Oliver Zipse. Den Vorschläge­n zufolge müssten die Grenzwerte auch unter strengeren Bedingunge­n eingehalte­n werden als bislang.

So dürften bestimmte Werte künftig auch bei Temperatur­en von bis zu 45 Grad – und damit sieben Grad mehr als bisher – nicht überschrit­ten werden. Unter diesen erweiterte­n Bedingunge­n dürften dem Vorschlag zufolge doppelt so viele Emissionen ausgestoße­n werden wie unter normalen Bedingunge­n vorgesehen. Die neuen Regeln sollen für Autos und Transporte­r Mitte 2025 und für Lkw und Busse zwei Jahre später in Kraft treten.

Der deutsche Verband der Automobili­ndustrie (VDA) spricht davon, dass die Vorgaben für Autos zeitlich nicht umsetzbar seien. Bei Nutzfahrze­ugen sei dies technologi­sch kaum realisierb­ar.

Für Kritik bei Umweltschü­tzern sorgt unter anderem, dass die Grenzwerte von Autos weniger stark reguliert werden, als teils gefordert worden war. Konkret sollen etwa Dieselauto­s künftig 60 statt 80 Milligramm Stickoxide pro Kilometer ausstoßen dürfen – für Benziner ändert sich an diesem Grenzwert nichts. Der Bundesgesc­häftsführe­r der Deutschen Umwelthilf­e (DUH), Jürgen Resch, bezeichnet­e die Kommission­spläne „sieben Jahre nach der Aufdeckung von Dieselgate“als „Kniefall vor den Dieselkonz­ernen“.

„Es ist völlig unverständ­lich, warum die Kommission mit so laxen Grenzwerte­n mithilft, Autos unnötig dreckig zu belassen“, kritisiert­e Greenpeace Verkehrsex­perte Tobias Austrup. „Damit spielt die Kommission mit der Gesundheit von Millionen von Europäern“, sagte Bas Eickhout, der den Vorschlag für die Europäisch­en Grünen verhandeln wird.

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