Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Neue Abgasnorm macht Autos teurer
Autohersteller protestieren gegen die neuen EU-Pläne – Kritik kommt auch von Umweltschützern
- Die europäische Autoindustrie, ihre Zulieferer und die Bereitsteller von Infrastruktur ringen derzeit alle mit der Umstellung auf Elektromobilität. In diese schwierige Situation platzt die Ankündigung der EU-Kommission, eine neue „Euro 7“Norm einzuführen. Sie soll für neu zugelassene Verbrenner und Elektroautos gleichermaßen gelten und sagt Feinstaub und Stickoxiden den Kampf an.
Zwar äußerte Industriekommissar Thierry Breton vor einigen Tagen in einem Interview mit „Politico“öffentlich Zweifel daran, dass 2035 als Ausstiegsdatum für den Verbrennermotor zu schaffen sei. Das aber hindert die EU-Kommission nicht daran, nun neue Auflagen vorzuschlagen – mit dem Hinweis, dass auch Elektrotechnologie keine „saubere“Mobilität ermögliche. Da entsprechende Autos etwa 40 Prozent schwerer sind als Vergleichsmodelle mit Verbrennermotor, erzeugen die Reifen und Bremsen mehr Abrieb. 70 000 Menschen sterben nach Berechnungen der EU-Kommission jedes Jahr vorzeitig, weil ihre Gesundheit durch Feinstaubpartikel stark geschädigt wurde.
Die neue Norm soll dafür sorgen, dass bis 2035 die Stickoxide aus Leichtfahrzeugen um 35 Prozent, aus Lastern um über 50 Prozent zurückgehen. Breton erinnerte daran, dass viele Pkw in Osteuropa „ein zweites und ein drittes Leben haben“. 2050 würden schätzungsweise noch 20 Prozent der Fahrzeuge auf Europas Straßen mit Verbrennermotor unterwegs sein, in Afrika noch viel länger. Um Grenzwertbetrug wie in der Vergangenheit auszuschließen, werden die Tests bei den Neuwagen nicht im Labor, sondern unter realen Bedingungen durchgeführt – auch im innerstädtischen Verkehr.
Neu ist dem Vorschlag der EUKommission zufolge auch, dass Fahrzeuge die neuen Werte länger einhalten müssten als bisher. Bei Autos und Transportern wären das etwa zehn Jahre und 200 000 Kilometer Fahrstrecke – doppelt so viel wie bislang. Das geht dem europäischen Verbraucherschutzverband Beuc allerdings nicht weit genug. Dies werde dazu führen, dass Besitzer von Fahrzeugen aus zweiter oder dritter Hand am Ende das Nachsehen hätten.
Brüssel legte auch Vorschläge zur Mindestlebensdauer von Batterien von E-Autos vor. Nach fünf Jahren Nutzung oder 100 000 gefahrenen Kilometern soll die Batterie demnach noch eine Kapazität von mindestens 80 Prozent aufweisen.
Breton sprach bei der Vorstellung des Gesetzentwurfs am Donnerstag viel vom „Ökosystem“der Autoindustrie. Damit ist das Geflecht an Zulieferern und Dienstleistern gemeint, das in Europa Millionen von Menschen Arbeit gibt. Nur 100 bis 150 Euro Mehrkosten pro Fahrzeug würden durch die neuen Auflagen entstehen. Lastwagen und Busse verteuerten sich durch die strengeren Abgasmaßnahmen um schätzungsweise etwa 2700 Euro. Die Branche sei dadurch nicht in Gefahr. Die Zielwerte seien auf Grundlage bestehender Technik erreichbar und bremsten die Investitionen in den Elektromotor damit auch nicht aus.
Das sehen Kritiker anders. Jens Gieseke, verkehrspolitischer Sprecher der CDU/CSU im Europaparlament sieht die größte Herausforderung für die Umwelt in der Bestandsflotte. Würde diese durch Fahrzeuge der bereits geltenden Euro 6 Norm ersetzt, könnten Stickoxide im Vergleich
zu 2020 um 70 Prozent reduziert werden.
„Gerade erst ist das VerbrennerAus für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge ab 2035 beschlossen. Die Hersteller konzentrieren sich, und das ist politisch gelenkt, auf den Elektroantrieb. Ein weiterer Investitionszwang in eine in Europa auslaufende Technologie ist vor diesem Hintergrund einfach das falsche Signal“, so der Politiker. Sein Fraktionskollege Markus Ferber wird noch deutlicher: „Nimmt man die Verschärfungen der Luftqualitätsrichtlinie, der Euro-7Abgasnorm und der CO 2-Flottengrenzwerte zusammen, so muss man den Eindruck gewinnen, dass die Kommission systematisch auf den Tod der deutschen Automobil- und Zulieferindustrie hinarbeitet.“
Starke Kritik kommt auch von der Autoindustrie. „Der Nutzen des Kommissionsvorschlags für die Umwelt ist sehr begrenzt, während er die Kosten der Fahrzeuge stark erhöht“, sagte der Präsident des Verbands der europäischen Autohersteller und BMW-Chef Oliver Zipse. Den Vorschlägen zufolge müssten die Grenzwerte auch unter strengeren Bedingungen eingehalten werden als bislang.
So dürften bestimmte Werte künftig auch bei Temperaturen von bis zu 45 Grad – und damit sieben Grad mehr als bisher – nicht überschritten werden. Unter diesen erweiterten Bedingungen dürften dem Vorschlag zufolge doppelt so viele Emissionen ausgestoßen werden wie unter normalen Bedingungen vorgesehen. Die neuen Regeln sollen für Autos und Transporter Mitte 2025 und für Lkw und Busse zwei Jahre später in Kraft treten.
Der deutsche Verband der Automobilindustrie (VDA) spricht davon, dass die Vorgaben für Autos zeitlich nicht umsetzbar seien. Bei Nutzfahrzeugen sei dies technologisch kaum realisierbar.
Für Kritik bei Umweltschützern sorgt unter anderem, dass die Grenzwerte von Autos weniger stark reguliert werden, als teils gefordert worden war. Konkret sollen etwa Dieselautos künftig 60 statt 80 Milligramm Stickoxide pro Kilometer ausstoßen dürfen – für Benziner ändert sich an diesem Grenzwert nichts. Der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), Jürgen Resch, bezeichnete die Kommissionspläne „sieben Jahre nach der Aufdeckung von Dieselgate“als „Kniefall vor den Dieselkonzernen“.
„Es ist völlig unverständlich, warum die Kommission mit so laxen Grenzwerten mithilft, Autos unnötig dreckig zu belassen“, kritisierte Greenpeace Verkehrsexperte Tobias Austrup. „Damit spielt die Kommission mit der Gesundheit von Millionen von Europäern“, sagte Bas Eickhout, der den Vorschlag für die Europäischen Grünen verhandeln wird.