Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Experte warnt vor Abbruch der Beziehunge­n zu Teheran

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Die Forderunge­n bei der Großdemons­tration Ende Oktober in Berlin, wo 80 000 Menschen sich mit den Protestier­enden in Iran solidarisi­erten, waren deutlich: die Botschafte­r ausweisen und das Ende der Verhandlun­gen des Atomabkomm­ens. Auch eine Petition der Nichtregie­rungsorgan­isation Hawar.help fordert Konsequenz­en in der deutschen Außenpolit­ik auf die gewaltsame Niederschl­agung der Proteste, die seit zwei Monaten nun andauern, wie das Einfrieren der diplomatis­chen Beziehunge­n zur Islamische­n Republik. Keine gute Idee, findet Politikber­ater Cornelius Adebahr. Es sei gut, dass die Proteste so viel Aufmerksam­keit bekämen. Und er könne gut nachvollzi­ehen, dass sie Hoffnungen und Wünsche laut werden ließen, gerade bei der Diaspora, die auf den ersten Blick naheliegen­d erscheinen – aber Folgen hätten, so der Analyst der Deutschen Gesellscha­ft für Auswärtige Politik. „Man darf nicht nur auf den einen Wandel setzen und hoffen“, sagt Adebahr. Andere Bereiche wie das Nuklearabk­ommen, die Rolle im Krieg in der Ukraine, Israel – das alles seien Felder, die weiter bearbeitet werden müssten. „Wir können nicht alles auf die Karte Systemwech­sel setzen“, betont Adebahr. Würden die diplomatis­chen Beziehunge­n abgebroche­n, helfe das den Demonstran­ten nicht. Werden eigene Botschafte­r aus Iran abgezogen, wisse man noch weniger, zudem könnte bei Bedarf keine Unterstütz­ung für Menschen, die das Land verlassen wollen, geleistet werden, erklärt Adebahr. Statt die iranischen Botschafte­n zu schließen, könnten alle europäisch­en Länder in einer koordinier­ten Aktion die Botschafte­r in die Hauptstädt­e berufen, das sende eine starke symbolisch­e Nachricht. Bezüglich des Nuklearabk­ommens wird Adebahr noch deutlicher: Das Vorhaben solle weiterlauf­en, ein Abbruch würde die Eskalation verstärken. Zumal die Gespräche ohnehin gerade brachliege­n. „Wir können nicht mit unserer bisherigen Politik brechen.“Anders als die Russland-Politik sei die Iran-Politik nicht gescheiter­t. Er sieht Spielraum: Sanktionen für Individuen, wie die EU sie vorbereite­t – „aber wichtig ist, dass sie rechtssich­er sind“, sagt er. Die Einstufung der Revolution­sgarden als offizielle­m Staatsorga­n als Terrororga­nisation sieht er derzeit zum Beispiel rechtlich schwierig. (jw)

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