Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Souverän gelandet
Mit 31 beendet Gregor Schlierenzauer eine Skisprung-Karriere, die ihresgleichen sucht
INNSBRUCK (SID/dpa) - Gregor Schlierenzauer blickte lächelnd in den Sonnenuntergang und zeigte lässig das „Victory“-Zeichen. „Jedes Ende ist ein neuer Anfang“, schrieb der 31-Jährige, unbestritten einer der größten Skispringer der Geschichte, am Dienstag unter dieses Foto bei Instagram. Der Österreicher wirkte erleichtert, als er seine einzigartige Karriere nach Jahren voller Erfolge, aber auch Enttäuschungen und Rückschlägen beendete – und den Absprung in ein neues Leben wagte.
„Es war eine einzigartige und gefühlsintensive Reise, die nun anders weitergeht“, schrieb Schlierenzauer auf seiner Website. „Der aktive Leistungssport hat mich in den vergangenen 15 Jahren mit all seinen Höhen und Tiefen in Bewegung gehalten, mich voll ausgefüllt und nachhaltig geprägt.“
Die Höhen in der Karriere des Gregor Schlierenzauer liegen aber schon länger zurück, zuletzt war die Laufbahn des Tirolers von Tiefen geprägt. Auch geschwächt durch eine Corona-Erkrankung sammelte der sechsmalige Weltmeister im abgelaufenen Winter nur acht Weltcuppunkte, im Februar erlitt der RekordWeltcupsieger auch noch eine Teilruptur des vorderen linken Kreuzbandes.
„Schlieri“machte sich Gedanken. Im Mai war der einstige Goldjunge aus den Kadern des Österreichischen Skiverbandes (ÖSV) gestrichen worden, die Aussichten für den kommenden Olympiawinter waren alles andere als vielversprechend.
„Durch die Verletzungspause hatte ich ausreichend Zeit und den nötigen Abstand, um Vergangenes aufzuarbeiten und zu schauen, wo ich jetzt stehe“, schrieb er, das Karriereende sei ihm nicht leicht gefallen,
„aber die Entscheidung fühlt sich ebenso wie der Zeitpunkt richtig an.“
Als sein Stern aufging, war Gregor Schlierenzauer gerade einmal 16 Jahre alt. Bei der Tournee 2006/07 gewann der Teenager die Springen in Oberstdorf sowie Bischofshofen und eroberte damit die Herzen der österreichischen Skisprungfans im Sturm. Mit 24 hatte er bereits 53 Weltcupsiege gesammelt – seither ist keiner hinzugekommen.
Stattdessen folgten Rückschläge, mentale Probleme, Verletzungssorgen. Schlierenzauer hätte längst in sportlicher Rente sein können, Gelegenheiten zum Aufhören hatte er genug. 2013 zum Beispiel, als der TeamOlympiasieger von Vancouver und viermalige Skiflug-Weltmeister nach seinem sechsten WM-Titel und dritten Tourneeerfolg ein Vollendeter war. 2016, als ihn psychische Probleme und ein Kreuzbandriss lahmlegten. Oder 2018, als er sich ausgebrannt aus dem Weltcup zurückzog.
Doch Gregor Schlierenzauer kämpfte weiter – ohne Erfolg. Auch die Zusammenarbeit mit dem ehemaligen Bundestrainer Werner Schuster (der auch in jungen Jahren schon mit ihm gearbeitet hatte) brachte nicht die erhoffte Trendwende. „Wenn ich zurückblicke, sehe ich eine emotionale Reise, die mich Grenzen verschieben hat lassen, mir aber auch Grenzen aufgezeigt hat“, zog Gregor Schlierenzauer nun Bilanz.
Der Skisprungzirkus verliert einen seiner größten Athleten. Gregor
„Gregor hat für das Skispringen Großartiges geleistet. Er hat im Grunde alles erreicht, was es zu erreichen gibt, fast alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt, und es ist auch ihm zu verdanken, dass der Sport heute da steht, wo er ist.“Mario Stecher, Sportlicher Leiter Ski nordisch des österreichischen Skiverbandes
Schlierenzauer habe seinen Sport auf „ein neues Niveau gehoben“, schrieb sein deutscher Wegbegleiter Severin Freund. Nur ein Olympiasieg im Einzel blieb dem Tiroler verwehrt. Und jetzt? „Mein Feuer, das immer voll und ganz für den Sport brannte, brennt jetzt für neue Aufgaben, die da sind und die auf mich warten.“Was das sein wird, ließ Gregor Schlierenzauer offen. Zum Abschluss sagte er „bewusst auf Wiedersehen – wo und wann auch immer. Ich freue mich darauf!“