Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Gutachter: Drei Viertel der Patienten werden nach Sigmaringen gehen
Weshalb es kleine Krankenhäuser in der Kliniklandschaft schwer haben
SIGMARINGEN (fxh) - Was will die Politik für Bad Saulgau und Pfullendorf tun, wenn die Krankenhäuser geschlossen werden? In der Pressekonferenz am Montagabend in Sigmaringen formulierten Landrätin Stefanie Bürkle und der Pfullendorfer Bürgermeister Thomas Kugler erste Ideen.
Ziel sei eine Verbesserung der ambulanten Versorgung. Das heißt: Kleinere Eingriffe, die nicht mehr die Krankenhäuser erledigen, sollen niedergelassene Ärzte übernehmen. Pfullendorfs Bürgermeister sprach von ambulanten Operationszentren. Die Landrätin sagte, es gebe in bestimmten Disziplinen offene Arztsitze, die direkt besetzt werden könnten. In diese Richtung will die Politik zusammen mit der Kassenärztlichen Vereinigung denken. Die ambulanten Zentren unter dem Dach der SRH-Kliniken anzusiedeln ist laut den bisherigen Planungen keine Alternative. „Wir stehen als SRH zur Schließung der beiden Krankenhäuser, werden aber die ambulanten Angebote unterstützen“, sagte SRH-Geschäftsführer Werner Stalla. So sollen an den Standorten Bad Saulgau und Pfullendorf Medizinische Versorgungszentren (MVZ) etabliert werden.
In ihrem medizinischen Konzept gehen die SRH-Kliniken davon aus, dass künftig 330 Betten - die Psychiatrie ausgenommen - ausreichend sein werden. Bislang wurde für den Landkreis insgesamt mit 421 Betten (ohne Psychiatrie) gerechnet. Aufgrund einer optimierten Belegung ging diese Zahl bereits um 78 Betten zurück. Sollten die Krankenhäuser in
Bad Saulgau mit 59 Betten und Pfullendorf mit 45 Betten geschlossen werden, wird laut dem medizinischen Konzept davon ausgegangen, dass drei Viertel der Patienten sich in Sigmaringen behandeln lassen werden. Das verbleibende Viertel werde Krankenhäuser in benachbarten Kreisen aufsuchen. Die Psychiatrie mitgerechnet gehen die Kliniken davon aus, dass künftig 430 Betten in Sigmaringen vorgehalten werden.
Der Berater Prof. Christoph Gries, der das Konzept entwickelte, sieht diese Bettenzahl im Vergleich mit anderen Häusern nach wie vor kritisch. Um eine möglichst hohe Spezialisierung zu erzielen, liege die optimale Krankenhaus-Größe zwischen 500 und 600 Betten. „In Sigmaringen schaffen wir das nicht ganz.“Trotzdem gehen die Berater davon aus, dass das Krankenhaus wegen des größeren Einzugsgebiets konkurrenzfähig sein kann.
Die Verantwortlichen wiesen in der Pressekonferenz darauf hin, dass die nach der Übernahme der Mehrheit des Klinikums durch die SRH im Jahr 2014 entwickelten Konzepte für Pfullendorf und Bad Saulgau nicht oder nur zum Teil aufgingen. Die Altersmedizin für Pfullendorf konnte nicht umgesetzt werden, die Gefäßchirurgie nur zum Teil. Zudem habe sich die Geburtshilfe in Bad Saulgau ebenfalls negativer entwickelt als geplant.
Der generelle Rückgang der Fallzahlen seit 2017 treffe besonders die kleineren Krankenhäuser. „Das Credo – spezialisiere dich und baue deinen Marktanteil aus – funktioniert nicht mehr.“Corona habe zudem als
Brandbeschleuniger gewirkt, weshalb die Zahl der Fälle um weitere sechs bis zehn Prozent zurückging. Auch dies treffe die kleineren Krankenhäuser.
Geschäftsführer Dr. Jan-Ove Faust sagte: „Wir erbringen in Bad Saulgau und Pfullendorf eine Notversorgung, werden aber nicht dafür bezahlt.“Dies hänge damit zusammen, dass das System dies nicht vorsehe, weshalb den Krankenhäusern jährlich Erlöse in Höhe von rund einer halben Million Euro entgehen. Da die Politik die größeren Krankenhäuser stärken möchte, würden Investitionen in kleinere Einheiten nicht gefördert.
Diese und andere Entwicklungen werden den beiden Krankenhäusern in Bad Saulgau und Pfullendorf wohl den Garaus machen.