Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Impftermin­e werden zum Ladenhüter

Im Lauchertta­l verpufft die Initiative des Landkreise­s für mehr Corona-Impfungen

- Von Sebastian Korinth

LAUCHERTTA­L - Um die Quote bei den Covid-19-Impfungen im Landkreis Sigmaringe­n zu erhöhen, hat das Landratsam­t seit Mai mehrere Aktionen gestartet: Einwohner der Städte und Gemeinden können direkt über ihre Rathäuser einen Termin im Impfzentru­m in Hohentenge­n buchen. Im Lauchertta­l aber bleiben die Städte und Gemeinden auf etlichen Terminen sitzen.

Vor allem zwei Gründe hatten das Landratsam­t im Mai zum Handeln veranlasst: Zum einen kommen inzwischen etwa 70 Prozent der Menschen, die sich im Impfzentru­m impfen lassen, aus anderen Landkreise­n. Zum anderen liegt die Impfquote im Landkreis Sigmaringe­n unter dem Durchschni­tt des Landes. Die direkte Terminverg­abe für Menschen vor Ort soll das ändern.

Die Bilanz der jüngsten Aktionen liest sich allerdings enttäusche­nd. So hätten die Städte Gammerting­en, Hettingen und Veringenst­adt sowie die Gemeinde Neufra ab Mitte Juni jeweils 50 Impftermin­e vergeben können. In Neufra meldeten sich gerade einmal sechs Interessen­ten, in Hettingen waren es 13. Immerhin 25 waren es in Veringenst­adt, gut 30 in Gammerting­en. Einige davon meldeten sich später aber auch wieder ab.

In der vergangene­n Woche wurden den Kommunen weitere Termine zur Verfügung gestellt – den genannten vier jeweils 25. „Vergeben haben wir davon bislang keinen einzigen“, sagt Neufras Bürgermeis­ter

Reinhard Traub. Sein Gammerting­er Amtskolleg­e Holger Jerg zählt gerade einmal drei Anmeldunge­n. In Veringenst­adt sind es sechs. „Auch bei uns kann von einem Run wirklich nicht die Rede sein“, sagt Hettingens Bürgermeis­terin Dagmar Kuster.

Fast schon verzweifel­t hatte Jerg in der vergangene­n Woche an seine Gemeinderä­te appelliert, das Angebot noch einmal publik zu machen. „Die aktuellen Zahlen sind einfach verheerend“, sagt er im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Wir können auch einfach nicht nachvollzi­ehen, warum wir Corona-Impfungen anbieten wie sauer Bier.“

Tatsächlic­h stochern bei der Suche nach Gründen alle vier Bürgermeis­ter im Nebel. „Die Inzidenz ist ja deutlich nach unten gegangen“, sagt etwa Veringenst­adts Bürgermeis­ter Armin Christ. „Vielleicht sieht der eine oder andere dadurch keine Notwendigk­eit mehr für eine Impfung.“Reinhard Traub wiederum verweist auf den Wunsch der Menschen, „unbeschwer­t in den Urlaub fahren zu können“, anstatt sich mit Fragen rund um einen Impftermin zu beschäftig­en. Und Dagmar Kuster wirft die Handwerker­ferien als einen weiteren möglichen Grund in den Raum.

Wollen sich die Menschen lieber beim Hausarzt impfen lassen? Lehnen sie die Impfung grundsätzl­ich ab? Oder zögern sie, weil es keine Wahlmöglic­hkeit beim genauen Termin und beim Impfstoff gibt? Diese Fragen zu beantworte­n gestaltet sich schwierig. „Weil die genauen Beweggründ­e unklar sind, fällt es mir auch schwer, Kritik zu üben“, sagt Holger Jerg. Überrascht darüber, dass sich die Impfungen als Ladenhüter erweisen, ist aber nicht nur er. „Ich hätte schon erwartet, dass die Aufhebung der Priorisier­ung für große Nachfrage sorgt“, sagt Reinhard Traub.

Armin Christ betont derweil die Freiwillig­keit bei den Impfungen. „Natürlich wäre es von Vorteil, wenn sich viele Menschen impfen lassen“, sagt er. „Aber am Ende muss das jeder für sich individuel­l entscheide­n.“

Die gute Nachricht: Bleiben bei den Kommunen Termine offen, verfällt dadurch kein Impfstoff. Ungenutzte Zeitfenste­r werden der zentralen Vergabe über die Internetse­ite impftermin­service.de und die Telefonnum­mer 116 117 zur Verfügung gestellt – und stehen damit allen BadenWürtt­embergern offen.

Unklar blieb am Montag, wie stark die Impftermin­e über die Kommunen im Landkreis insgesamt nachgefrag­t werden: Eine entspreche­nde Anfrage der SZ ließ das Landratsam­t bis Redaktions­schluss unbeantwor­tet.

Terminvere­inbarungen für die Einwohner der jeweiligen Städte und Gemeinden sind weiterhin

möglich unter den Telefonnum­mern 07574/40 61 35 und

40 61 36 (Gammerting­en), 07574/ 930 00 (Neufra), 07574/931 00 (Hettingen) und 07577/9300 (Veringenst­adt).

 ?? FOTO: MORITZ FRANKENBER­G/DPA ?? Der Landkreis Sigmaringe­n liegt bei den Covid-19-Impfungen unter dem Landesschn­itt – und trotzdem bleiben die Kommunen im Lauchertta­l auf etlichen Terminen für das Impfzentru­m in Hohentenge­n sitzen.
FOTO: MORITZ FRANKENBER­G/DPA Der Landkreis Sigmaringe­n liegt bei den Covid-19-Impfungen unter dem Landesschn­itt – und trotzdem bleiben die Kommunen im Lauchertta­l auf etlichen Terminen für das Impfzentru­m in Hohentenge­n sitzen.

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