Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
3. Mai 2021 – Internationaler Tag der Pressefreiheit
Menschenrechtler und Journalisten sehen Pressefreiheit in der Pandemie bedroht
Angesichts des Internationalen Tages der Pressefreiheit an diesem Montag haben Organisationen und Politiker in Deutschland an die Bedrohungen für freie Berichterstattung erinnert. Kultur- und Medienstaatsministerin Monika Grütters (CDU) erklärte: „Leider sehen wir vermehrt, dass Journalistinnen und Journalisten angefeindet werden, dass Hass und Häme im Netz mitunter in tätliche Angriffe münden, dass Desinformationen unsere Demokratie bedrohen. Diese Hetze oder gar körperliche Gewalt (…) verurteile ich auf das Schärfste.“Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) kündigte an: „Wir werden nicht tatenlos zuschauen, wenn Journalisten zum Beispiel bei Demonstrationen an ihrer Arbeit gehindert oder sogar angegriffen werden.“
BERLIN (KNA/dpa) - Meinungs- und Pressefreiheit stehen nach Einschätzung von Menschenrechtlern weltweit unter Druck. Staaten nutzten zunehmend technische Möglichkeiten, um die Räume von Journalisten und Bürgern zu verengen, erklärte Amnesty International am Sonntag in Berlin. Dazu zählten etwa Überwachungssysteme, Spionage-Software oder Internet-Shutdowns. Die Organisation äußerte sich zum Internationalen Tag der Pressefreiheit, der jährlich am 3. Mai begangen wird.
Zudem werde „gerade im Schatten der Covid-19-Pandemie versucht“, kritische Stimmen mundtot zu machen, sagte der Generalsekretär von AI Deutschland, Markus N. Beeko. Das betreffe insbesondere Länder wie die Türkei und Russland. Doch auch in Deutschland würden Medienschaffende zunehmend an ihrer Arbeit gehindert, etwa durch Beleidigungen, Todesdrohungen und körperliche Gewalt. Der Staat sei gefordert, für die Sicherheit von Journalisten aktiv zu werden, „bei Demonstrationen wie bei persönlichen Bedrohungslagen“, betonte Beeko.
Ähnlich hatte sich zuvor der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) geäußert. „Wenn sich die Zahl der Gewalttaten gegen Journalisten in einem Jahr verfünffacht hat, haben die Grundrechte – und hier vor allem die Pressefreiheit – in Deutschland ein ernsthaftes Problem“, sagte der Vorsitzende Frank Überall. „Intoleranz, Hass gegen unabhängige Stimmen und Gewaltanwendung gegen alle, die anderer Meinung sind, dürfen in unserem Land nicht gesellschaftsfähig werden. Politik, Polizei und Zivilgesellschaft sind aufgerufen, die Pressefreiheit zu verteidigen.“
Überall beklagte eine wachsende Zahl an Übergriffen auf Berichterstatter in Deutschland. „65-mal wurde zugeschlagen, bedroht, beleidigt. Und warum? Weil Berichterstatter Bericht erstatten und dabei nicht Verschwörungsideologen, Reichsbürgern und Corona-Leugnern nach dem Mund schreiben“, sagte er. Die künftige Regierung könne einen entscheidenden Beitrag leisten, „dass Deutschland in der Rangliste der Pressefreiheit zu einem Spitzenplatz aufrückt“. Die Rangliste wird jährlich von der Organisation Reporter ohne Grenzen veröffentlicht.
Die Bundesvorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di, Tina Groll, forderte ein gesellschaftliches Bündnis zur Verteidigung der Pressefreiheit, weil sie auch dem Allgemeinwohl diene. Weltweit gerieten Berichterstatter immer stärker unter Druck; die Pressefreiheit gerate zunehmend ins Wanken. Deutschland stelle in dieser für die Demokratie bedenklichen Entwicklung leider keine Ausnahme dar. Im Ranking von Reporter ohne Grenzen sei Deutschland im weltweiten Vergleich „in die zweite Liga“abgerutscht, so Groll. Die Lage der Pressefreiheit hierzulande werde nicht mehr als „gut“, sondern erstmals nur noch als „zufriedenstellend“bewertet.