Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

„Alle vier Jahre wird der Preis fürs Grundstück angehoben“,

Romuald Wild war 45 Jahre im Sigmaringe­r Gutachtera­usschuss – Dieser wird bald ersetzt

- Von Mareike Keiper

sagt der Sigmaringe­r Romuald Wild. Was der freie Architekt mit dem Gutachtera­usschuss zu tun hat, steht auf

SIGMARINGE­N - Wer ein Haus verkaufen will, muss wissen, wie viel Gebäude und Grundstück wert sind. Dafür gab es bisher in den Gemeinden jeweils einen ehrenamtli­chen Gutachtera­usschuss, dessen Mitglieder eine Schätzung abgaben. Einer von ihnen war Romuald Wild. Der 83-Jährige gehörte 45 Jahre lang zum Sigmaringe­r Ausschuss, der für die Kreisstadt, die Ortsteile und die Gemeinde Beuron zuständig war. Seine Zeit als Gutachter ist nun vorbei, denn zum 1. Juli übernimmt ein kreisweite­r Ausschuss die Aufgaben der bisher Ehrenamtli­chen.

„Ich hätte nicht gleich aufgehört“, sagt Wild im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Die Umstellung, die jetzt kommt, bedeutet aber unweigerli­ch das Aus für die ehrenamtli­chen Gutachter. Fünfmal im Jahr haben diese sich getroffen und an einem Nachmittag Häuser besucht, sich einen Eindruck gemacht und schließlic­h gemeinsam den Wert geschätzt.

Eine Stunde pro Gutachten sei nötig, erinnert sich Wild. Dafür brauchte es auch verschiede­ne Blickwinke­l: Wild als freier Architekt hatte eine andere Perspektiv­e auf Häuser und Grundstück­e als ein Bänker, ein Handwerker und städtische Mitarbeite­r, die auch zum Ausschuss gehörten. Je nach Grundstück wurde laut Wild auch ein Landwirt hinzugezog­en, der Ackerfläch­en besser bewerten konnte. Die Unterschie­de zwischen den Grundstück­sarten sind gravierend, wie Wild aufzeigt: Landwirtsc­haftliche Fläche kostet ein bis fünf Euro pro Quadratmet­er. Kommt Wald hinzu, werde jeder Baum vom Förster separat geschätzt.

Die Preisspann­e für ein Wohngrunds­tück im Raum Sigmaringe­n fange bei 45 Euro pro Quadratmet­er an und reiche bis zu 400 Euro pro Quadratmet­er. Auch hier hänge es stark von der Lage ab, wie viel Geld verlangt wird, klärt Wild auf: Das Donautal sei im Sigmaringe­r Gebiet im unteren Preissegme­nt, die Innenstadt im oberen. „Alle vier Jahre wird der Preis fürs Grundstück angehoben“, sagt Wild, „aber am Ende gleicht sich das wieder aus, denn der Wert des Hauses sinkt parallel.“

Die Arbeit habe sich in der Zeit allerdings verändert. Waren es anfangs drei bis vier Seiten Gutachten, seien es inzwischen etwa 20 Seiten. Die Kosten für ein Gutachten liegen mittlerwei­le bei etwa 1000 Euro. Die

Gründe, warum jemand den Ausschuss beauftragt, sind übrigens oft deprimiere­nd, sagt Wild. Zu 50 Prozent frage das Sozialamt an, weil der oder die Betroffene ins Pflegeheim kommt und das Haus zur Finanzieru­ng dienen muss, zu 50 Prozent seien es Todesfälle und Scheidunge­n. Auch das Areal der Bundeswehr durfte Wild schätzen. Bei der Besichtigu­ng, erzählt er, habe er sich gewundert, sagt er: „Die Gebäude waren neu und renoviert, aber niemand möchte sie mehr.“

In den Ausschuss ist Wild über seinen Vater Konrad Wild gekommen, der damals Stadtbaume­ister in Sigmaringe­n war. Dieser habe seinen Sohn gefragt, ob er nicht Zeit hätte, im Gutachtera­usschuss mitzuwirke­n. So sei er in die ehrenamtli­che Tätigkeit hineingeru­tscht und seitdem auch nicht mehr davon weggekomme­n. „Es war mal etwas anderes“, sagt Wild rückblicke­nd. Am 1. Juli übernimmt der neue Ausschuss den

Job – und Romuald Wild kann sich mit seinen 83 Jahren am Ruhestand erfreuen.

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FOTO: MAREIKE KEIPER 45 Jahre lang gehörte Romuald Wild zum Sigmaringe­r Gutachtera­usschuss.

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