Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Wer nicht plant, hat schon verloren
Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit. Karl Valentin hat das gesagt, und sein Satz ist damals wie heute wahr. Für die Arbeiter in der Kunst dient sie nicht dem Zeitvertreib oder einer Erweiterung des Horizonts, sondern dem Broterwerb. Immer wieder beteuern Politiker, wie wichtig die Kunst auch in Zeiten von Corona ist. Erst am Dienstag hat Bundeskanzlerin Merkel im Gespräch mit Kulturschaffenden Verständnis für deren Sorgen geäußert. Doch Verständnis reicht nicht. Mit Verständnis würde sich der Arbeiter bei Bosch am Fließband auch nicht zufriedengeben.
Der Optimismus bei den Veranstaltern der Bregenzer Festspiele kann deshalb ein Beispiel dafür sein, was es heißt, Perspektiven zu schaffen. Denn: Wer nicht plant, hat schon verloren. Optimismus muss nicht heißen, dass wissenschaftliche Erkenntnisse in den Wind geschlagen werden. Das Bodenseefestival und der Schwäbische Frühling mussten ihre Veranstaltungen vor Publikum absagen. In den nächsten Wochen wird es noch keine Öffnung geben können. Aber wenn es soweit ist, kann man nur hoffen, dass die Konzepte, die in den Schubladen liegen, gut ausgearbeitet und vielleicht auch erprobt sind. Nur so lässt sich ein Chaos wie jenes bei den Schulöffnungen verhindern.
Nicht ganz Deutschland kann Modellregion werden wie Tübingen oder die Region Vorarlberg in Österreich. Aber es müssen Perspektiven her, die sich nicht nur an den Inzidenzzahlen orientieren. Man sollte sich von der Idee verabschieden, dass es auf die Pandemie überall dieselbe Reaktion geben muss. Ein Open-Air-Konzert wie das Southside wird andere Regeln brauchen als die Bregenzer Festspiele, bei denen man davon ausgehen kann, dass Zuschauer auf ihrem Platz sitzen bleiben und Rigolettos Arie „La donna è mobile“nicht laut mitsingen. Ungerechtigkeiten lassen sich nicht vermeiden. Aber die eine Ungerechtigkeit, dass sich Künstler und Künstlerinnen immer hinten anstellen müssen, wenn es um Öffnungsschritte geht, schadet nicht nur den Betroffenen, sondern allen. Denn Kunst wird helfen, diese existenzielle Krise zu verarbeiten.