Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Pollen und Corona – gefährliche Mischung?
Die „Schwäbische Zeitung“hat mit Experten und Betroffenen gesprochen
RAVENSBURG - Eine Woche Sonne und frühlingshafte Temperaturen haben die Vegetation Ende Februar aus dem Winterschlaf erwachen lassen. Pollenflug trifft 2021 auf Mutationen der Corona-Viren – was sagen Fachleute und Betroffene?
Laut Meteorologe Roland Roth von der Wetterwarte Süd komme der Frühling dieses Jahr nicht besonders früh. Letztes Jahr sei vielmehr der Winter ausgefallen. Die Schneeglöckchen blühten teilweise schon im Januar. Der diesjährige Frühling erfolge jedoch im Zeitraffer: von Minusgraden ging es in der letzten Februarwoche auf bis zu 20 Grad tagsüber. Noch nie zuvor habe es im Februar eine ganze Woche mit so hohen Temperaturen gegeben, so der Wetterexperte. Dazu komme, dass der Boden gut durchfeuchtet sei, die Frühblüher also beste Bedingungen haben. Aktuell sind vor allem Haselund Erlenpollen in der Luft, bald folgen Weidenpollen. Nach dem etwas kühleren Wochenende sollen die Temperaturen in den nächsten Tagen wieder steigen. Wie sich das Wetter weiter entwickelt, könne nicht sicher vorhergesagt werden, erklärt Roth, momentan sei jedoch kein Spätwintereinbruch in Sicht, der für eine Pollenflugpause sorgen könnte. Der in den letzten Wochen öfter vorgekommene Saharastaub beeinflusse den Pollenflug nicht, auch die Allergien werden dadurch weder verstärkt noch anderswie beeinflusst, erklärt Roth. Der Saharastaub in unserer Gegend sei übrigens kein neues Phänomen und habe nichts mit der Klimaveränderung zu tun.
Allergiker, die mit Husten, Niesen und verstopfter Nase auf Pollen reagieren, haben es dieses Jahr nicht leicht. Wer traut sich schon heuer, in der Öffentlichkeit zu niesen und damit als potentieller Superspreader zu gelten? Misstrauische Blicke erntet, wer sich auch nur räuspern muss. Dagegen ist eine FFP2-Maske für Allergiker, die Fahrrad fahren, zeitweise ein echter Vorteil. „Die Maske hält die Pollen tatsächlich draußen, solange ich nicht zu schnell fahre und genug Luft bekomme, ist das super“, meint ein Kollege. Einkaufen ist für meine gegen Frühblüher allergische Freundin jedoch kein Spaß mehr. „Die Brille beschlägt durch die Maske, die Augen tränen und noch eine Niesattacke dazu. Dann sehe man kaum mehr was – sehr unangenehm.“Ein Trost ist, dass der Heuschnupfen immerhin jedes Jahr vorbeigeht.
Außerdem haben Allergiker im Allgemeinen kein erhöhtes Risiko, an Corona zu erkranken. Allergologe und Kinderarzt Clemens Wanner aus Ravensburg zählt die möglichen Symptome einer Pollenallergie auf: „Die Schleimhäute schwellen an, das führt zu verstopfter Nase, ganz typisch sind die geröteten, oft lichtempfindlichen Augen.“Fieber ist jedoch Anzeichen einer Infektion mit Viren oder Bakterien, auch der Verlust des Geruchs- und Geschmackssinnes sei untypisch bei einer Pollenallergie. Insbesondere bei Kindern verlaufe eine Corona-Erkrankung sehr oft symptomfrei oder sehr mild, typisch seien leichter Durchfall oder Husten, also gut unterscheidbar zu einer allergischen Reaktion auf Pollen.
Wanner empfiehlt allergischen Menschen, nach einem Aufenthalt im Freien zügig zu Duschen und die Kleidung zu waschen. „Vor allem das Bett sollte möglichst pollenfrei bleiben, dann ist der Schlaf erholsam“, so Wanner. Beim Fahrradfahren kann eine Brille helfen, Nasenspray halte die Schleimhäute frei. In schlimmeren Fällen empfiehlt der Allergologe eine Hypersensibilisierung, die mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer Milderung der Symptome führe.