Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Pollen und Corona – gefährlich­e Mischung?

Die „Schwäbisch­e Zeitung“hat mit Experten und Betroffene­n gesprochen

- Von Michaela Miller

RAVENSBURG - Eine Woche Sonne und frühlingsh­afte Temperatur­en haben die Vegetation Ende Februar aus dem Winterschl­af erwachen lassen. Pollenflug trifft 2021 auf Mutationen der Corona-Viren – was sagen Fachleute und Betroffene?

Laut Meteorolog­e Roland Roth von der Wetterwart­e Süd komme der Frühling dieses Jahr nicht besonders früh. Letztes Jahr sei vielmehr der Winter ausgefalle­n. Die Schneeglöc­kchen blühten teilweise schon im Januar. Der diesjährig­e Frühling erfolge jedoch im Zeitraffer: von Minusgrade­n ging es in der letzten Februarwoc­he auf bis zu 20 Grad tagsüber. Noch nie zuvor habe es im Februar eine ganze Woche mit so hohen Temperatur­en gegeben, so der Wetterexpe­rte. Dazu komme, dass der Boden gut durchfeuch­tet sei, die Frühblüher also beste Bedingunge­n haben. Aktuell sind vor allem Haselund Erlenpolle­n in der Luft, bald folgen Weidenpoll­en. Nach dem etwas kühleren Wochenende sollen die Temperatur­en in den nächsten Tagen wieder steigen. Wie sich das Wetter weiter entwickelt, könne nicht sicher vorhergesa­gt werden, erklärt Roth, momentan sei jedoch kein Spätwinter­einbruch in Sicht, der für eine Pollenflug­pause sorgen könnte. Der in den letzten Wochen öfter vorgekomme­ne Saharastau­b beeinfluss­e den Pollenflug nicht, auch die Allergien werden dadurch weder verstärkt noch anderswie beeinfluss­t, erklärt Roth. Der Saharastau­b in unserer Gegend sei übrigens kein neues Phänomen und habe nichts mit der Klimaverän­derung zu tun.

Allergiker, die mit Husten, Niesen und verstopfte­r Nase auf Pollen reagieren, haben es dieses Jahr nicht leicht. Wer traut sich schon heuer, in der Öffentlich­keit zu niesen und damit als potentiell­er Supersprea­der zu gelten? Misstrauis­che Blicke erntet, wer sich auch nur räuspern muss. Dagegen ist eine FFP2-Maske für Allergiker, die Fahrrad fahren, zeitweise ein echter Vorteil. „Die Maske hält die Pollen tatsächlic­h draußen, solange ich nicht zu schnell fahre und genug Luft bekomme, ist das super“, meint ein Kollege. Einkaufen ist für meine gegen Frühblüher allergisch­e Freundin jedoch kein Spaß mehr. „Die Brille beschlägt durch die Maske, die Augen tränen und noch eine Niesattack­e dazu. Dann sehe man kaum mehr was – sehr unangenehm.“Ein Trost ist, dass der Heuschnupf­en immerhin jedes Jahr vorbeigeht.

Außerdem haben Allergiker im Allgemeine­n kein erhöhtes Risiko, an Corona zu erkranken. Allergolog­e und Kinderarzt Clemens Wanner aus Ravensburg zählt die möglichen Symptome einer Pollenalle­rgie auf: „Die Schleimhäu­te schwellen an, das führt zu verstopfte­r Nase, ganz typisch sind die geröteten, oft lichtempfi­ndlichen Augen.“Fieber ist jedoch Anzeichen einer Infektion mit Viren oder Bakterien, auch der Verlust des Geruchs- und Geschmacks­sinnes sei untypisch bei einer Pollenalle­rgie. Insbesonde­re bei Kindern verlaufe eine Corona-Erkrankung sehr oft symptomfre­i oder sehr mild, typisch seien leichter Durchfall oder Husten, also gut unterschei­dbar zu einer allergisch­en Reaktion auf Pollen.

Wanner empfiehlt allergisch­en Menschen, nach einem Aufenthalt im Freien zügig zu Duschen und die Kleidung zu waschen. „Vor allem das Bett sollte möglichst pollenfrei bleiben, dann ist der Schlaf erholsam“, so Wanner. Beim Fahrradfah­ren kann eine Brille helfen, Nasenspray halte die Schleimhäu­te frei. In schlimmere­n Fällen empfiehlt der Allergolog­e eine Hypersensi­bilisierun­g, die mit großer Wahrschein­lichkeit zu einer Milderung der Symptome führe.

Newspapers in German

Newspapers from Germany