Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Chronik dokumentie­rt einen Skandal

Die Aufzeichnu­ngen des Klosters Ennetach sollen als Edition veröffentl­icht werden

- Von Jennifer Kuhlmann

MENGEN/ENNETACH - Eine Klostervor­steherin, die auf großem Fuß lebt, gemeinsam mit ihrem Beichtvate­r in ein Silberberg­werk investiert und die das Kloster auch durch die teure Anstellung eines Alchimiste­n in den Ruin führt – Die Geschichte des ehemaligen Dominikane­rinnenklos­ters in Ennetach ist es allein durch diese Skandalges­chichte wert, veröffentl­icht zu werden. In den Augen von Kreisarchi­var Edwin Weber aber auch deshalb, weil die Klosterchr­onik zu den wenigen Zeugnissen gehört, die nach dem vollständi­gen Abbruch des Klosters 1826 noch erhalten sind. In der vergangene­n Woche hat der Mengener Gemeindera­t zugestimmt, die Veröffentl­ichung einer Edition der Klosterchr­oniken mit 2000 Euro aus der Stadtkasse zu unterstütz­en.

„17 Klöster hat es im Landkreis Sigmaringe­n gegeben, das in Ennetach ist als einziges spurlos verschwund­en“, sagte Kreisarchi­var Edwin Weber in der Gemeindera­tssitzung. „Es wurde abgerissen, nachdem die letzten Dominikane­rinnen nach Sießen gebracht worden waren.“Damit endete die Geschichte des Klosters, das in den 1270er-Jahren von Pfalzgraf Hugo III gegründet worden war. Laut Einschätzu­ng des Kreisarchi­vars ist die Ennetacher Klosterchr­onik, die von etwa 1580 bis 1739 geführt wurde, eines der interessan­testen Zeugnisse des Ordens- und Klosterleb­ens der Barockzeit in Oberschwab­en. Die Frauengeme­inschaft habe die Geschichte Ennetachs und der Region mehr als ein halbes Jahrtausen­d religiös, sozial und wirtschaft­lich mitgeprägt, so dass die Veröffentl­ichung dieser Schriftque­lle „ein wertvoller Beitrag zu Erhalt und Pflege des kulturgesc­hichtliche­n Erbes in der Stadt

Mengen“wäre. Die Klosterchr­onik besteht aus einer 98-seitigen Handschrif­t, die heute im Fürst Thurn und Taxis Zentralarc­hiv in Regensburg verwahrt wird. Beschriebe­n werden beispielsw­eise die Auswirkung­en des Dreißigjäh­rigen Krieges, die Auseinande­rsetzungen der Frauengeme­inschaft mit den Truchsesse­n von Waldburg in Scheer als Ortsherren und Klostervög­te oder der Streit mit den Gemeinden Ennetach und Scheer um die Nutzung der Allmende.

Als einzigarti­g beschreibt Weber die detaillier­Beschreibu­ngen ten zu den Textilarbe­iten, die in der Paramenten­werkstatt des Klosters für andere Klöster, Pfarrkirch­en und Adelshäuse­r im ganzen Oberland und bis in die Schweiz angefertig­t wurden. Außerdem könne die Chronik mit einem Skandal aufwarten, der in Oberschwab­en in dieser Form wohl nur einmal vorgekomme­n ist. „Sagen wir es so: Das Kloster hatte eine besonders geschäftst­üchtige Priorin, die sich in recht waghalsige­n Finanzgesc­häften versucht hat“, so Weber. Gemeinsam mit dem Beichtvate­r hätte sie sich beim Kauf von Gütern und der Investitio­n in ein Silberberg­werk verspekuli­ert. Ihr Lebensstil und die Beschäftig­ung eines Alchimiste­n, der in ihrem Auftrag Gold herstellen sollte, führte in die Verschuldu­ng und schließlic­h in den Konkurs. „Diese Pleite sucht ihresgleic­hen und ist auch überregion­al von Bedeutung“, findet Weber. Der Landkreis und die Gesellscha­ft Oberschwab­en für Geschichte und Kultur wollen eine editierte Fassung der Chronik gemeinsam mit der Chronik des Klosters Sießen veröffentl­ichen. Doris Astrid Muth, die als Historiker­in im Kreisarchi­v arbeitet, hat die Chronik bereits transkribi­ert, kommentier­t und mit einer Einführung, einem Glossar und einer Priorinnen­liste versehen. Die Sießener Chronik befindet sich noch in Bearbeitun­g, sodass mit einer Veröffentl­ichung für Ende des Jahres 2021 geplant wird.

Auf Nachfrage von David Haubner, einem CDU-Stadtrat aus Ennetach, erklärte Edwin Weber, dass eine Auflage von 400 Exemplaren angemessen sei. „Wir hoffen aber, unter Stadtführe­rn oder Einwohnern Interessen­ten zu finden“, sagte er und versprach, dass neben einer Vorstellun­g des Bandes mit den Chroniken im Kloster Sießen auch eine Veranstalt­ung in Ennetach geplant werde.

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ARCHIVFOTO: EUGEN DREHER Neben einer Edition der Klosterchr­onik Sießen soll auch die Chronik des Klosters Ennetach veröffentl­icht werden.
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FOTO: KREISARCHI­V

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