Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Chronik dokumentiert einen Skandal
Die Aufzeichnungen des Klosters Ennetach sollen als Edition veröffentlicht werden
MENGEN/ENNETACH - Eine Klostervorsteherin, die auf großem Fuß lebt, gemeinsam mit ihrem Beichtvater in ein Silberbergwerk investiert und die das Kloster auch durch die teure Anstellung eines Alchimisten in den Ruin führt – Die Geschichte des ehemaligen Dominikanerinnenklosters in Ennetach ist es allein durch diese Skandalgeschichte wert, veröffentlicht zu werden. In den Augen von Kreisarchivar Edwin Weber aber auch deshalb, weil die Klosterchronik zu den wenigen Zeugnissen gehört, die nach dem vollständigen Abbruch des Klosters 1826 noch erhalten sind. In der vergangenen Woche hat der Mengener Gemeinderat zugestimmt, die Veröffentlichung einer Edition der Klosterchroniken mit 2000 Euro aus der Stadtkasse zu unterstützen.
„17 Klöster hat es im Landkreis Sigmaringen gegeben, das in Ennetach ist als einziges spurlos verschwunden“, sagte Kreisarchivar Edwin Weber in der Gemeinderatssitzung. „Es wurde abgerissen, nachdem die letzten Dominikanerinnen nach Sießen gebracht worden waren.“Damit endete die Geschichte des Klosters, das in den 1270er-Jahren von Pfalzgraf Hugo III gegründet worden war. Laut Einschätzung des Kreisarchivars ist die Ennetacher Klosterchronik, die von etwa 1580 bis 1739 geführt wurde, eines der interessantesten Zeugnisse des Ordens- und Klosterlebens der Barockzeit in Oberschwaben. Die Frauengemeinschaft habe die Geschichte Ennetachs und der Region mehr als ein halbes Jahrtausend religiös, sozial und wirtschaftlich mitgeprägt, so dass die Veröffentlichung dieser Schriftquelle „ein wertvoller Beitrag zu Erhalt und Pflege des kulturgeschichtlichen Erbes in der Stadt
Mengen“wäre. Die Klosterchronik besteht aus einer 98-seitigen Handschrift, die heute im Fürst Thurn und Taxis Zentralarchiv in Regensburg verwahrt wird. Beschrieben werden beispielsweise die Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges, die Auseinandersetzungen der Frauengemeinschaft mit den Truchsessen von Waldburg in Scheer als Ortsherren und Klostervögte oder der Streit mit den Gemeinden Ennetach und Scheer um die Nutzung der Allmende.
Als einzigartig beschreibt Weber die detaillierBeschreibungen ten zu den Textilarbeiten, die in der Paramentenwerkstatt des Klosters für andere Klöster, Pfarrkirchen und Adelshäuser im ganzen Oberland und bis in die Schweiz angefertigt wurden. Außerdem könne die Chronik mit einem Skandal aufwarten, der in Oberschwaben in dieser Form wohl nur einmal vorgekommen ist. „Sagen wir es so: Das Kloster hatte eine besonders geschäftstüchtige Priorin, die sich in recht waghalsigen Finanzgeschäften versucht hat“, so Weber. Gemeinsam mit dem Beichtvater hätte sie sich beim Kauf von Gütern und der Investition in ein Silberbergwerk verspekuliert. Ihr Lebensstil und die Beschäftigung eines Alchimisten, der in ihrem Auftrag Gold herstellen sollte, führte in die Verschuldung und schließlich in den Konkurs. „Diese Pleite sucht ihresgleichen und ist auch überregional von Bedeutung“, findet Weber. Der Landkreis und die Gesellschaft Oberschwaben für Geschichte und Kultur wollen eine editierte Fassung der Chronik gemeinsam mit der Chronik des Klosters Sießen veröffentlichen. Doris Astrid Muth, die als Historikerin im Kreisarchiv arbeitet, hat die Chronik bereits transkribiert, kommentiert und mit einer Einführung, einem Glossar und einer Priorinnenliste versehen. Die Sießener Chronik befindet sich noch in Bearbeitung, sodass mit einer Veröffentlichung für Ende des Jahres 2021 geplant wird.
Auf Nachfrage von David Haubner, einem CDU-Stadtrat aus Ennetach, erklärte Edwin Weber, dass eine Auflage von 400 Exemplaren angemessen sei. „Wir hoffen aber, unter Stadtführern oder Einwohnern Interessenten zu finden“, sagte er und versprach, dass neben einer Vorstellung des Bandes mit den Chroniken im Kloster Sießen auch eine Veranstaltung in Ennetach geplant werde.