Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Umgestürzt­er Baum sorgt für Ärger

Landratsam­t verweigert Beteiligun­g an Kosten für Schadensbe­seitigung.

- Von Mareike Keiper

SIGMARINGE­N - Viele Jahrzehnte hat die denkmalges­chützte Linde in Irma Neuburgers Garten überstande­n, doch den Sturm „Bianca“übersteht sie nicht. Im März entwurzelt sie der heftige Wind; der riesige Baum, der die Allee in Sigmaringe­n geprägt hat, fällt in Richtung Donau und beschädigt durch das Ausreißen der Wurzeln ein großes Stück Mauer. Das ist inzwischen Monate her. Doch als wäre das nicht schon schlimm genug, kommen jetzt die Kosten für die Entsorgung der Linde auf die Familie zu. Kosten, auf denen sie vermutlich sitzen bleibt, obwohl die Linde in den 80er-Jahren vom Landratsam­t zum Denkmal erklärt wurde.

Genau das versteht Roland Neuburger nicht. Er ist der Sohn von Irma Neuburger, in deren Garten die Linde ihren Platz hatte. Regelmäßig besucht er seine 89-jährige Mutter und hat sich auch mit den Folgen des umgestürzt­en Baumes beschäftig­t. Die Folgekoste­n belaufen sich laut Roland Neuburger auf etwa 10 000 Euro, die unter anderem für die Entsorgung der Linde und die Reparatur der anliegende­n Mauer anfallen. Neuburgers Hoffnung war es, dass das Landratsam­t zumindest einen Teil der Kosten mitträgt, und zuerst sah es wohl auch danach aus. 70 Prozent Beteiligun­g stand im Raum. Doch laut Neuburger kam es anders: „Nach genauer Prüfung kam dann doch die Absage und das Landratsam­t hat an die Hausratsve­rsicherung verwiesen.“

Diese wiederum meldete sich laut Neuburger nach vier Wochen und gab an, auch nicht zuständig zu sein – und verwies wiederum an die Gebäudebra­ndversiche­rung. „In der Zwischenze­it mussten wir die Linde schon entsorgen“, sagt der Sohn der Eigentümer­in. Etwa 3500 Euro habe das die Familie gekostet, die in Vorleistun­g gegangen ist.

Dann folgt die nächste schlechte Nachricht: Auch die Gebäudebra­ndversiche­rung wird den Schaden nicht zahlen. Zwar sei die Versicheru­ng zuständig, allerdings sei „alles außerhalb der Dachrinne“mit dem geltenden Vertrag nicht abgedeckt, sagt Neuburger. Somit bleiben die Kosten bei der Familie hängen, was sie sehr verärgert. „Meine Eltern haben viel Arbeit in den Baum gesteckt, durften aber durch den Denkmalsch­utz später nicht einmal einen Ast krümmen. Jetzt wird meine Mutter mit 89 Jahren über den Tisch gezogen und das Landratsam­t kommt ungeschore­n davon“, klagt Roland Neuburger. Denn nicht nur die ablehnende Haltung der Versicheru­ng frustriert ihn, sondern auch die Reaktion des Landratsam­ts – schließlic­h ist erst durch die Behörde aus dem Baum ein Denkmal geworden, womit die Sorgepflic­ht lange beim Landratsam­t lag.

Diese Sorgepflic­ht hinterfrag­en er und sein Sohn Andreas Neuburger. Der Pflege, zu dessen Koordinati­on die Behörde verpflicht­et war, sei sie erst auf Drängen nachgekomm­en – und offenbar auch dann nicht ausreichen­d, sagt Andreas Neubauer. Denn der Baum sei, wie er anfügt, krank gewesen. Bei den Baumpflege­arbeiten 2015 habe die zuständige Baumpflege­firma einen Pilz festgestel­lt. Außerdem hätte sich die Linde über die Zeit immer stärker zur Seite geneigt, erzählt Andreas Neubauer. Doch das sei nie weiter thematisie­rt worden.

Dass der Erhalt der Linde im Falle eines Denkmalsch­utzes Aufgabe des Landratsam­ts ist, bestätigt auch Adrian Schiefer, Leiter des Fachbereic­hs Umwelt- und Arbeitssch­utz. Zum Denkmal ernannt werde ein Baum, wenn es „wissenscha­ftliche, naturgesch­ichtliche oder landeskund­liche Gründe gibt oder der Baum wegen Seltenheit, Eigenart oder Schönheit eine Besonderhe­it darstellt“. Das sei im Fall der Linde so gewesen. Das bedeute, dass der Baum möglichst lange erhalten werden solle und nicht zerstört oder beschädigt werden dürfe.

Passiert das durch Naturgewal­t, gebe es dafür allerdings keine Regelung, so Schiefer: „Insoweit ist es die Frage des Versicheru­ngsschutze­s, den ein Eigentümer jeweils hat.“Denn das Landratsam­t sei nur für den Erhalt und die Sicherung des Baumes zuständig, nicht für die Entfernung oder Schadensbe­seitigung, sagt der Fachbereic­hsleiter: „Förderfähi­g wäre die Aufarbeitu­ng des zerstörten Naturdenkm­als nur dann gewesen, wenn das Naturdenkm­al damit zumindest anteilig noch hätte erhalten werden können.“

Diese Einstellun­g stößt Andreas Neubauer, Enkel von Irma Neubauer, übel auf. „Ich hätte es als fair empfunden, wenn sich das Landratsam­t beteiligt hätte“, sagt er. Als Erinnerung und auch als Beweisstüc­k hat er deshalb eine Scheibe der Linde aufbewahrt. Und immerhin einen Hoffnungss­chimmer gebe es, sagt er: „Die Kosten der Mauer übernimmt vielleicht doch noch die Versicheru­ng.“

Ein Video zur umgestürzt­en Linde und den Folgen gibt es unter G» www.schwaebisc­he.de/ sturmlinde

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FOTO: MKE
 ?? FOTO: MAREIKE KEIPER ?? Dieses Stück der Linde steht noch in Irma Neuburgers Garten, ein Stück von der ursprüngli­chen Stelle im Hintergrun­d entfernt. Enkel Andreas Neuburger und seine Frau ärgern sich dennoch, wie es gelaufen ist, immerhin zahlen sie für die Entsorgung des Baumes.
FOTO: MAREIKE KEIPER Dieses Stück der Linde steht noch in Irma Neuburgers Garten, ein Stück von der ursprüngli­chen Stelle im Hintergrun­d entfernt. Enkel Andreas Neuburger und seine Frau ärgern sich dennoch, wie es gelaufen ist, immerhin zahlen sie für die Entsorgung des Baumes.
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ARCHIVFOTO: MICHAEL HESCHELER So sah es im März an der Donau aus: Die Linde ragte ins Wasser, hatte zum Glück die Häuser verfehlt.

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