Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Aktien mit Airbag
Weshalb die Corona-Krise Börsentitel mit Garantiedividende nicht so hart trifft
STUTTGART - Kaum hatte der Deutsche Aktienindex Dax am 17. Februar dieses Jahres bei 13 795 Punkten einen neuen Gipfel erklommen, stieß ihn das Coronavirus in einen 38 Prozent tiefer liegenden Abgrund. Von diesem Tiefschlag hat sich das Börsenbarometer bis heute nicht richtig berappelt. Gleichzeitig schoss die Volatilität, also die Schwankungsbreite des Marktes, von rund 14 auf in der Spitze 86 Punkte am 16. März nach oben (gemessen am V-Dax New). Es waren die Wochen, in denen dieser Risikogradmesser der Börse angesichts der fortschreitenden Pandemie höchste Nervosität signalisierte und das Gros des Aktienmarktes auf eine sich beschleunigende Talfahrt ging. Derzeit bewegt sich der V-Dax New auf einem Niveau von 42 Punkten.
Erstaunlicherweise ging diese schwankende Entwicklung an manchen Aktien weitgehend vorbei. Gemeint sind eine Reihe von Titeln, die mit einem Airbag namens Garantiedividende ausgestattet sind, wofür die Aktien von Stada Arzneimittel, Sinnerschrader oder auch Uniwheels oder Euwax beispielhaft stehen. So ist zwar auch der Kurs der Stada-Aktie von seinem Allzeithoch bei 94,90 Euro im Februar auf 79,50 Euro im März abgesackt. Mit rund 16 Prozent fiel dieser Rückgang im Vergleich zum Gesamtmarkt aber deutlich gedämpfter aus. Derzeit notiert Stada wieder bei
89 Euro. Noch weniger konnte die Corona-Krise die Aktien von Sinnerschrader beeindrucken.
Von einem Kursniveau bei rund 13 Euro ging der Börsenkurs der Hamburger Digitalagentur lediglich auf 12,20 Euro zurück, um sich dann bei 12,70 Euro einzupendeln.
Gemeinsam ist diesen Aktien, dass sie eine Muttergesellschaft aufweisen, die eine deutliche Mehrheit an ihrem Kapital hält. Bei Stada ist das die Nidda Healthcare Holding, die seit 2018 rund 94 Prozent an dem deutschen Generika-Hersteller hält. Während die Hamburger Digitalagentur Sinnerschrader seit 2017 zu rund 80 Prozent der Beratungsgesellschaft Accenture Interactive zuzurechnen ist. In beiden Fällen gibt es sogenannte Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge, durch die der Mehrheitsaktionär bei Anteilen von mindestens 75 Prozent den gesamten Gewinn abschöpfen kann. Im Gegenzug muss der Hauptaktionär aber den verbleibenden Minderheitsaktionären eine angemessene Barabfindung bieten, die eine gute Orientierung für den Wert des Unternehmens darstellt. Kleinaktionäre, die diese nicht annehmen und sich nicht aus dem Unternehmen herausdrängen lassen, kommen in den Genuss einer angemessenen jährlichen Ausgleichszahlung, der Garantiedividende, die oft über Jahrzehnte angesetzt wird. Bei Stada beträgt die Garantiedividende für das abgelaufene Jahr 3,53 Euro pro Aktie, bei Sinnerschrader 0,29 Euro.
Der Begriff Garantiedividende wird benutzt, weil der Mehrheitsaktionär im Prinzip für die Ausschüttung geradesteht – unabhängig davon, ob die übernommene Firma vielleicht tief in die Verlustzone gerutscht ist und im Normalfall gar keine Dividende gezahlt hätte. Sollte die Zahlung aufgrund eines besonders schlechten Geschäftsverlaufs in einem Jahr doch einmal ausfallen müssen, ist sie im Folgejahr zusätzlich „auszukehren“. Dadurch ist die Dividende quasi garantiert. Und sollte der Mehrheitsaktionär im Rahmen eines Übernahmeversuchs dennoch versuchen, an die restlichen Aktien zu kommen, haben die Minderheitsaktionäre die Option, zu der einst vom Mehrheitseigner gebotenen
Barfindung zu greifen. Der Kurs ist damit nach unten abgesichert.
Unterm Strich sorgt dieses Szenario für eine gewisse Sicherheit beim Kleinanleger, zumal die ausgehandelten Dividenden in der Regel über den zuvor gezahlten Ausschüttungen liegen. Dies erklärt auch die oben beschriebenen relativ geringen Kursschwankungen in der Corona-Krise. Für alle Ewigkeiten gelten die Verträge freilich auch nicht. Wie alle Vereinbarungen können auch Garantiedividenden gekündigt werden, was aber in der Vergangenheit eher die Ausnahme war.
Aktien mit Garantiedividenden weisen stets einen geringen Free Float auf, womit die frei handelbaren Aktien, die nicht in Besitz eines Großaktionärs sind, gemeint sind. Deshalb ist die Liquidität und damit die Handelbarkeit dieser Titel oft sehr eingeschränkt. Daher sind die Spreads, also die Spannen zwischen Geld- und Briefkurs, in der Regel recht hoch.