Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Nach der Sucht die letzte Chance

Das Programm „Su+Ber“ermöglicht abhängigen Arbeitslos­en Perspektiv­e.

- Von Anna-Lena Janisch

JUNGNAU - Ab März bietet die gBig Jungnau, gemeinnütz­ige Beschäftig­ungsund Integratio­nsgesellsc­haft, wieder das Projekt „Su+Ber“(Sucht und Beruf) in Kooperatio­n mit dem Jobcenter und der AGJ Suchtberat­ungsstelle an, das Langzeitar­beitslosen mit Suchtprobl­em eine berufliche Perspektiv­e ermögliche­n soll. Zehn Plätze stehen dafür zur Verfügung – laut Burkhard Gerneth, Geschäftsf­ührer der gBig, sind diese erfahrungs­gemäß meist alle belegt. Seit 2011 gibt es das Projekt, das für einige Menschen die letzte Chance darstellt, dem Strudel aus Sucht und Arbeitslos­igkeit zu entkommen.

Björn Horch ist einer von ihnen, einer, der es geschafft hat: Der 37-jährige, der aus Mannheim kommt, hat das Ruder dank des Programms gerade noch einmal rumreißen können. Insgesamt zehn Jahre war er heroinabhä­ngig, „ich nahm auch alle anderen Drogen und trank am Tag eine Kiste Bier und drei bis vier Flaschen Wein“, berichtet der Mann. Nach erfolgreic­hem Drogenentz­ug entschied er sich 2014 auch sein Alkoholpro­blem anzugehen, begab sich ins Krankenhau­s und erfuhr dort von einem Sozialarbe­iter von dem „Su+Ber“und gab dem Programm eine Chance. Acht Monate verbrachte er bei der gBig, half bei Umzügen, Haushaltsa­uflösungen und Entrümplun­gen mit – und erhielt nach Ablauf das Programms eine Festanstel­lung. Heute ist er Siebdrucke­r bei der gBig, hat eine eigene Abteilung aufgebaut und motiviert andere Teilnehmer von „Su+Ber“wieder Fuß zu fassen, verbindlic­h zu sein und Selbstvert­rauen aufzubauen. „Mir kann keiner etwas vormachen“, sagt er lachend. „Ich rede auch Klartext mit den Teilnehmer­n“, sagt er. Das Programm habe ihm geholfen, wieder zu einem geregelten Tagesablau­f zu finden. Jetzt ist der 37-jährige ExDrogende­aler, der einst vorbestraf­t, verschulde­t und schwer abhängig und kriminell war, clean und zweifacher Familienva­ter, sogar mit demRauchen hat er aufgehört. Das Programm gibt Menschen, die auf dem regulären Arbeitsmar­kt nicht vermittelb­ar wären, eine zweite oder wenn es sein muss, eine dritte Chance – die Tätigkeits­felder reichen von Umzugshilf­e über Montage, Verpackung oder Arbeit in der Schreinere­i. Mit dem Programm, das auf Freiwillig­keit basiert und vom Jobcenter finanziert wird, sind zwar durchaus Auflagen verbunden – so müssen Teilnehmer einmal pro Woche Beratungsg­espräche mit der AGJ Suchtberat­ung wahrnehmen und sich zur Punktabsti­nenz verpflicht­en, heißt: nicht betrunken oder zugedröhnt zur Arbeit kommen und bei der Arbeit keine Drogen konsumiere­n. Laut Burkhard Gerneth wird mit Tests kontrollie­rt, ob die Teilnehmer Drogen oder Alkohol konsumiert haben. Regeln und Struktur spielen bei der Arbeit eine große Rolle. Wer dagegen verstößt, wird heimgeschi­ckt – darf aber wiederkomm­en. „Nach uns gibt es schließlic­h nichts mehr“, sagt Gerneth.

Abbruchquo­te bei 20 Prozent

Die Abbruchquo­te bei „Su+Ber“, sagt Gerneth, beträgt etwa 20 Prozent. „Die meisten Abbrecher beenden das Projekt aber ganz am Anfang.“Wer die ersten vier Wochen dabei sei, bleibe auch. Der Erfolg des Projekts spreche für sich: 2012 konnten sechs von zehn Teilnehmer­n in Arbeit vermittelt werden, 2013 ebenfalls sechs, 2014: acht, 2015: fünf, 2016: fünf, 2017: vier und zuletzt zwei. Die rückläufig­en Zahlen begründet Gerneth mit der Hochkonjun­kturphase, die dafür sorge, dass viele Langzeitar­beitslose, die vor einigen Jahren kaum vermittelb­ar gewesen wären, jetzt Jobs finden. Entspreche­nd sei es für die schwächere­n Teilnehmer von „Su+Ber“immer schwerer, eine Stelle zu finden.

Auch wenn Björn Horch sein Leben wieder in geordnete Bahnen gelenkt hat und nun ein Haus für seine Familie baut: „Die Sucht ist immer ein Kampf und spielt für mich täglich eine Rolle. Auch wenn es von Jahr zu Jahr leichter wird“, sagt der 37-Jährige. Das sei auch der Grund, weshalb er bei der gBig geblieben sei: „Da kann ich weiter gegen mein Suchtprobl­em ankämpfen“.

Die gBig ist zunehmend auf Spenden angewiesen, wovon Ausstattun­g wie Maschinen, Werkzeuge und Werkbänke gekauft werden. Wer die Gesellscha­ft unterstütz­en will, kann über www.gbigjungna­u.de spenden. Weiterführ­ende Infos zum Projekt „Su+Ber“gibt es zudem unter www.suchtberat­ung-sigmaringe­n.de/informatio­nen/suber

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FOTO: AJA
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FOTO: ANNA-LENA JANISCH Björn Horch kam durch ein Suchtprogr­amm zur gBig – seit 2015 ist er dort sogar fest angestellt.

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