Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Fingerzeige für Erdogan
Erster Empfang eines türkischen Präsidenten im Vatikan seit 59 Jahren
Viel Zeit hat Papst Franziskus dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan bei dessen Visite eingeräumt (Foto: AFP). Die Audienz dauerte 50 Minuten. Im Mittelpunkt habe laut Vatikan die Jerusalem-Frage gestanden. Man habe den Wunsch nach Frieden in der Region betont. Hierfür nötig seien „Dialog und Verhandlungen sowie die Einhaltung von Menschenrechten und internationalen Gesetzen“.
ROM - Erstmals hat Papst Franziskus Recep Tayyip Erdogan zur Audienz im Vatikan empfangen. Es war der erste Besuch eines türkischen Präsidenten seit 59 Jahren.
Mehr als 3000 Polizisten und Soldaten riegelten seit Sonntag Abend einen Teil der römischen Altstadt ab. Das Luxushotel Excelsior an der Via Veneto, wo die Familie Erdogan residierte, war für Touristen geschlossen. Die italienische Regierung hatte zudem dafür gesorgt, dass Erdogan am Montag mehrere Hundert demonstrierende Kurden nicht zu Gesicht bekam.
Der Papst räumte Erdogan ungewöhnlich viel Zeit ein. 50 Minuten dauerte die Audienz am Montag. Im Mittelpunkt stand die JerusalemKrise. Gesprochen wurde aber auch über den Kampf gegen Fremdenhass und Islamophobie sowie die Lage in Syrien, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu mitteilte. Laut Vatikan ging es auch um die Aufnahme zahlreicher Flüchtlinge in der Türkei und die damit verbundenen Herausforderungen.
Keine Details über Gespräche
Mit Spannung wurde erwartet, ob das katholische Kirchenoberhaupt die Menschenrechtslage in der Türkei ansprechen würde, die sich seit dem Putschversuch 2016 und dem in der Folge verhängten und mehrmals verlängerten Ausnahmezustand verschlechtert hat. Es sei „über die Situation des Landes“gesprochen worden, teilte der Vatikan mit – nannte aber keine Details.
Offen blieb auch, ob über das Vorgehen des türkischen Militärs mit verbündeten Kämpfern der Freien Syrischen Armee (FSA) gegen die kurdische Miliz YPG, die die Türkei als Terrororganisation einstuft, in Nordwestsyrien gesprochen wurde. Papst Franziskus dürfte diese neue Entwicklung des Krieges mit Sorge sehen – er beklagt immer wieder „Kriegsstürme“. Wie so vielen seiner Besuchern, darunter Kanzlerin Angela Merkel oder Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, überreichte Franziskus dem türkischen Präsidenten eine Medaille mit einem Friedensengel. „Das ist der Engel des Friedens, der die Teufel des Krieges erwürgt“, sagte der 81-Jährige zu Erdogan. „Das Zeichen für eine Welt, die auf Frieden und Gerechtigkeit basiert.“Erdogan bedankte sich auf Italienisch.
Die Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und der Türkei hatten sich seit Beginn des Pontifikats von Franziskus deutlich verschlechtert. Der Papst hatte trotz Kritik aus Ankara immer wieder auf den „Genozid an den Armeniern“hingewiesen.
Erdogan war es wichtig den Papst zu treffen, weil er in ihm einen Verbündeten in der Jerusalemfrage sieht. Auch der Papst verurteilte die Entscheidung der USA, ihre Botschaft nach Jerusalem zu verlegen und damit de facto die Stadt als israelische Hauptstadt anzuerkennen. Franziskus hatte mehrfach erklärt, dass diese Entscheidung den ohnehin schon komplizierten Friedensprozess gefährden könnte.
Vor seinem Rückflug in die Türkei standen für Erdogan Treffen mit Italiens Staatspräsident Sergio Mattarella und Regierungschef Paolo Gentiloni an. „Wir müssen unsere bilateralen Beziehungen zu Italien verbessern“, hatte Erdogan vor dem Besuch „La Stampa“gesagt. „Ex-Ministerpräsident (Silvio) Berlusconi ist ein lieber Freund und mit ihm war die Zusammenarbeit ausgezeichnet.“Zu diesem Klima müsse zurückgefunden werden.