Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Niemals nie nicht
Dieser Tage saßen drei Spatzen im Schneegestöber auf dem Dach unseres Vogelhäuschens. Da fing die Gattin spontan zu deklamieren an:
In einem leeren Haselstrauch, da sitzen drei Spatzen, Bauch an Bauch. Der Erich rechts und links der Franz und mittendrin der freche Hans.
Sie rücken zusammen dicht an dicht. So warm wie der Hans hat's niemand nicht ….
Schon über 100 Jahre alt ist dieses kleine Gedicht von Christian Morgenstern – und so reizend wie eh und je. Aber auch aus einem anderen Grund interessant: Denn bei diesem
niemand nicht handelt es sich um eine doppelte Verneinung, und da stutzt man kurz. Zwei Erklärungen bieten sich an: Entweder hat der 1914 verstorbene Dichter diesen Effekt bewusst gesucht. Poeten mit einem Hang zum Nonsens lieben solche leichten Verbiegungen bei Grammatik und Lautung um des Reimes willen – und weil das amüsant ist, verzeiht man es ihnen gerne. Neben Morgenstern spielte auch Heinz Erhardt lustvoll mit diesem Trick, wie seine Version des „Fischers“von Goethe beweist:
Da plötzlich teilten sich die Fluten, und eine Jungfrau trat herfür.
Auf einer Flöte tat sie tuten, das war kein schöner Zug von ihr. Dem Fischer ging ihr Lied zu Herzen, obwohl sie falsche Töne pfoff.
Man sah ihn in die Fluten sterzen, da ging er unter und versoff.
Es kann aber auch sein, dass Morgenstern die doppelte Verneinung bewusst zur Verstärkung einsetzte. Denn genauso funktionierte das früher im Deutschen. Da konnten mehrere Satzglieder mit Absicht negativ markiert werden. „Ich habe ihm nie nichts gesagt!“war eine gängige Formulierung, um das Gesagte besonders herauszustreichen. Auch im Volkslied lässt sich dieser alte Sprachgebrauch finden: „Kein Feuer, keine Kohle kann brennen so heiß, als heimliche Liebe, von der niemand nichts weiß“– so viel zur Erotik im 18. Jahrhundert.
Im heutigen Standarddeutsch ist die doppelte Verneinung nicht mehr üblich. Sie gilt als rückständig, fast lachhaft. Etwas anderes ist es im Dialekt. Da wird noch gerne mit der verstärkenden Negation gearbeitet. Vor allem im Bayerischen. Sagt einer am Stammtisch: „Der Sepp hot koa Gschpusi net“, so heißt das, es solle ja keiner denken, dass der Sepp neben seiner Resi noch eine Freundin habe. Und zur Bekräftigung fügt er womöglich hinzu: „In dem soana Famili hot no koana nia koa Gschpusi net ghabt“– Verneinung gleich vierfach!
Das Schwäbische kennt ebenfalls die doppelte Verneinung zur Bekräftigung einer Aussage. „Jedz han e abr grad koi Zeid ned“, hört man oft, wenn einer seine Ruhe haben will. Betonung läuft im Schwäbischen allerdings auch über die mehrfache Wiederholung desselben Wortes. Zum Beispiel: „So a dregata Dregspatz, so a dregata!“
Der Erich, der Franz und der Hans im Haselstrauch sind natürlich nicht gemeint.