Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Tipps für Ausbrecher
Mit dem Kanu zu den Krokodilen – Auch abseits der Radroute ViaRhôna erlebt der Tourist Ungewöhnliches
Vergessen Sie Facebook und Instagram! Das erste unter den sozialen Medien war der Wein“, witzelt Winzer Raphaël Pommier. So wie die digitalen Technologien heute den Austausch unter den Menschen fördern, habe der Wein diese zusammenführende Wirkung schon vor Jahrtausenden entwickelt. Und vielleicht verfüge der Wein auch über eine gewisse Filterwirkung, die Dinge oder Menschen in einem angenehmeren Licht erscheinen ließen, fügt Pommier mit einem Augenzwinkern hinzu. Von dem kleinen Garten beim Bioweingut Notre Dame de Cosignac aus streift der Blick über Obstbäume und landwirtschaftliche Wege. Bei einem kühlen Weißwein lässt sich ganz gut regenerieren vom sportlichen Programm auf der Rhône und der ViaRhôna.
In siebter Generation führt Pommier das Weingut und ist stolz darauf, dass hier seit 40 Jahren keine Pestizide verwendet werden. Die Leidenschaft und Begeisterung für seine Arbeit sind in jedem Moment zu spüren: Egal, ob er gerade Wein ausschenkt oder anhand von Bodenproben in Einmachgläsern erklärt, wie verschiedene Voraussetzungen für ein unterschiedliches Geschmackserlebnis sorgen. „Stellen Sie sich vor, Sie haben vier Klone und setzten diese auf vier unterschiedlichen Kontinenten aus. Jeder Klon wird anders ernährt, klar, dass sie sich ganz unterschiedlich entwickeln, oder?“
Am Wein führt auf der ViaRhôna kein Weg vorbei. Einerseits laden Winzer wie Pommier oder Winzervereinigungen wie Cave de Tain zum Entdecken ihrer Produkte ein. Andererseits prägen Weinberge das Landschaftsbild entlang des Flusses. Wenn der Radweg fertiggestellt ist, soll die ViaRhôna auf 815 Kilometern vom Genfer See aus entlang der Rhône ans Mittelmeer führen. Ein Großteil der Abschnitte ist schon fertig, etwa der von Viviers Richtung Bourg Saint-Andéol. Entspannt geht es durch schattige Waldstücke, vorbei an Getreidefeldern und Sonnenblumen.
François Hausherr vom lokalen Touranbieter Itinéraires Vivarais schätzt die ViaRhôna als Rückgrat. Wichtig sei aber, davon nach außen auszubrechen, weil es dort Spannendes zu entdecken gibt. Er hat recht: Die Region bietet vieles. Seit 20 Jahren lebt der 64-jährige begeisterte Sportler im Departement Ardèche. Bevor er die Gruppe auf den Rädern Richtung Bioweingut führt, hat er sie schon mit dem Kanu ein zwölf Kilometer langes Stück auf dem Fluss zurücklegen lassen. Die Strecke von Rochemaure bis zur ehemaligen Zementfabrik Lafarge ist weitgehend frei von Stromschnellen. Besonders malerisch wird es, als François in einen schmalen Seitenarm abbiegt. Hier geht es vorbei an saftigem Grün, es surren Libellen, es fliegen Rotmilane und Reiher vorbei.
Eine weitere Möglichkeit von der ViaRhôna auszubrechen, ist ein Abstecher zum Krokodilpark „La Ferme Aux Crocodiles“. Hier tummeln sich in den Gewächshäusern auf 1200 Quadratmetern und den Außenbereichen mehr als 400 Tiere. Darunter Seltenheiten wie zwei Albino-Krokodilschwestern und Sunda-Gaviale. Zweimal in der Woche, Mittwoch und Sonntag, ist Fütterungszeit für die Nilkrokodile im großen Becken. Voller Vorfreude auf Hühnchen sammeln sich Carpette, Doudou, La Bossue, Papatte und jede Menge anderer Krokodile nahe der Brücke. Nicht nur nebeneinander, sondern auch aufeinander haben sie Position bezogen. Emilie wuchtet eine große rote Kiste auf das Geländer. Die Tierpflegerin lässt das erste Hühnchen nach unten fallen. Mit einem großen Happs ist es im Maul des Krokodils verschwunden. Ohne zu kauen, schluckt das Krokodil es herunter. Weitere Hühnchen landen links und rechts im Gehege. Wenn das Maul der Krokodile wie ein 400 Kilogramm schwerer Nussknacker zusammenklappt, kann es einem schon kalt den Rücken hinunterlaufen. „Doudou, willst du noch eins?“, fragt Emilie. Doudou ist ein besonders großes und hungriges Krokodil, das nach erneutem Zuschnappen das dritte Hühnchen verputzt hat.
Die Brüder Luc und Eric Fougeirol haben die Krokodilfarm 1994 in Pierrelatte unweit von Bourg SaintAndéol eröffnet, nachdem bereits in ihrem Gewächshaus ein Krokodil der heimliche Star war. Im Lauf der Zeit sind auch Riesenschildkröten, Netzpythons und Kuhreiher dazugekommen. Bleibt zu hoffen, dass die Tiere der Farm noch nie von François Hausherr und seinen Ausbruchsversuchen gehört haben.