Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Durch offene Türen ins Gartenparadies
Rund um den Bodensee laden lauschige Refugien zum Staunen und Verweilen ein
Es muss nicht immer England sein – wer schöne Gärten besuchen will, wird auch in unseren Breiten fündig. So reihen sich zum Beispiel rund um den Bodensee private und öffentliche Gärten und Parks wie Perlen auf einer Schnur, und immer wieder gibt es neue, liebevoll gepflegte Refugien zu entdecken. Außerdem organisiert der Verein Bodenseegärten jedes Jahr „Lange Nächte“mit seinen deutschen und schweizerischen Mitgliedern, die dann ihre Gartentüren zum lauschigen Event bei Kerzenschein öffnen. Nächstes Mal ist es am Wochenende vom 8. bis 10. September so weit.
Schlossgarten zum Verlieben
Wer allerdings einen Garten in all seiner Schönheit und seinen verborgenen Winkeln kennenlernen will, der sollte ihn schon bei Tageslicht in Augenschein nehmen und die Führung durch seinen Besitzer genießen. Man kann dabei nicht nur viel Wissenswertes über Pflanzen und Pflege erfahren, man spürt auch immer wieder die leidenschaftliche Liebe dieser Gärtner zu Natur und Umwelt. Wie zum Beispiel bei Adolf Röösli aus dem Kanton St. Gallen. Der gelernte Gartenbauer und studierte Musiker und Kunsthistoriker hatte früher einen großen Gartenbaubetrieb in Zürich. Seit seinem Ruhestand ist er Schlossbesitzer in Berg. 1992 kaufte er den damals ziemlich vernachlässigten Großen Hahnberg mit einem einen Hektar großen Garten. Das Gebäude, für ein Schloss durchaus noch übersichtlich, war
1626 erbaut und 1770 barockisiert worden. Es ging durch viele verschiedene Hände, bis schließlich
1970 eine Einrichtung für Jugendliche darin unterkam. 1984 brannte dann der Dachstuhl …
Mit viel Engagement und noch mehr Können restaurierte Röösli das Schloss sowie die verwilderten Außenanlagen. Er suchte nach den überwucherten barocken Strukturen des Gartens und wurde fündig. Heute rahmen akkurat geschnittene Eibenund Buchshecken die Sichtachse vom Schloss zum Springbrunnen und in den Garten dahinter. Rhododendren und Azaleen säumen im Frühling den Seerosenteich mit japanischem Flair, und eine Blumenwiese vor dem Schloss lockt mit ihrer heimischen Flora viele Insekten an. Hortensien, abwechslungsreiche Unterpflanzungen, Küchengarten und Reben werden von Röösli genauso gepflegt wie die vielen Rosen, die – wie könnte es bei diesem Namen auch anders sein – zu seinen Lieblingsblumen zählen. Zum alten Baumbestand mit einem mächtigen Taschentuchbaum kombinierte er stilsicher neue Exemplare.
Kreativität, Fleiß und Mut – Röösli besitzt diese Gaben, und er versteht es auch, sie erfolgreich zu nutzen. 2017 erhielt er den Bodenseegärten-Preis für die vorbildliche Erhaltung und Pflege historisch wertvoller Gärten und Parkanlagen. Gefragt, was dem Gartenfachmann besonders auffällt, wenn er in Gärten und Parks außerhalb seines Refugiums schaut, muss er nicht lange überlegen: Es ist die Schnitttechnik, mit der Bäume und Sträucher oft zugerichtet würden. Weil alles schnell gehen müsse, werde jeder Strauch über einen Kamm geschoren. Dabei brauche doch jeder seinen speziellen Schnitt. Auch den Verlust an Vielfalt im Pflanzenanbau bedauert er sehr. Der Schlossherr, der seinen Garten selbst umtreibt, hat übrigens die Gartentüre immer offen stehen und verlangt keinen Eintritt.
Auch Christoph Mijnssen ist seit einigen Jahren Schlossbesitzer. Auf dem Rohrschacherberg kaufte er 1994 zusammen mit seiner Frau das Schloss Wartegg, 1919 Zuflucht des letzten österreichischen Kaiserpaares Karl I. und Zita mit ihren Kindern. Nach wechselvollen Besitzverhältnissen verfiel das Anwesen immer mehr. Doch schon beim ersten Besuch war Mijnssen von der Atmosphäre des Hauses und des 13 Hektar großen Parks völlig hingerissen. Bis sich aus der Ruine das heute stattliche, dreiteilige Gebäude herausschälte, das hinter historischen Mauern ein modernes Hotel mit Wohlfühlcharakter beherbergt, musste allerdings eine Menge Herkulesarbeit geleistet werden. Der 3000 Quadratmeter große ProSpecieRara-Küchengarten wird von Gärtner Matthias Thalmann nach biologisch-dynamischen Regeln bewirtschaftet und versorgt die Hotelküche genauso mit heutigen wie mit fast vergessenen Gemüsesorten.
Baumriesen im Park
Eingebettet sind Schloss und Küchengarten in einen riesigen, öffentlichen Landschaftspark, der nach englischem Vorbild vor rund 150 Jahren angelegt wurde. An heißen Sommertagen ist es eine Wohltat, unter den Baumriesen spazieren zu gehen. Und geradezu grandios wirkt die Idylle, wenn sich von der Schlossterrasse aus der Blick auf den Bodensee weitet.
Dicht am Wasser liegt auch die größte öffentliche Grünanlage am Bodensee: der Seeburgpark bei Kreuzlingen. Feuchtbiotope, Blumenwiesen, aber auch das Arboretum mit vielen wertvollen alten Bäumen üben eine große Anziehungskraft auf die Besucher aus. Von dort lässt sich angenehm schlendern bis zur belebten Konstanzer Seepromenade mit angesagten Hotels.
Einmal Mainau-Gärtner sein
Aber apropos alte Bäume: Die Insel Mainau ist nicht nur mit ihrem Blütenmeer ein Anziehungspunkt, sondern auch mit ihrem Arboretum. Die Bäume-Sammlung wurde einst von Großherzog Friedrich I. angelegt, der 1853 die Insel gekauft hatte, und von 1932 an von Graf Lennart Bernadotte zum Park geformt mit Raritäten wie Urweltmammutbaum, Trompetenbaum oder Pagodenbaum, um nur einige wenige Exemplare zu nennen. Rund 60 Gärtner sorgen heute auf der Insel dafür, dass es über viele Monate grünt und blüht. Und wer den Experten einmal über die Schulter schauen sowie mit anpacken will, ist auch willkommen. Das Angebot „Einmal Mainau-Gärtner sein“kann für bis zu drei Tage gebucht werden.
Weitere Informationen und Tipps zu Gärten und Parks rund um den Bodensee sowie zur „Langen Nacht der Bodenseegärten“sind erhältlich beim Verein Bodenseegärten, der auch die Recherche unterstützt hat (Telefon: 0041/ 58345/7427, www. bodenseegaerten.eu).
Die Folgen der Sommerzeit-Serie auch auf www.schwäbische.de