Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Menschenskinder Willi Altig
Um die einstigen Radchampions Willi und Rudi Altig ranken sich rührende Legenden. Demnach haben sie sich in der Jugendmannschaft des RCC Endspurt Mannheim Anfang der 1950erJahre ein Rennrad brüderlich geteilt. Und Willi, damals schon Dreherlehrling beim Daimler, hat sich, so heißt es, die Einzelteile nebenher mit dem Ausliefern von Kohlen verdient. Willi sei es auch gewesen, der seinen zwei Jahre jüngeren Bruder erst zum Radsport gebracht habe, damit dieser nicht auf die schiefe Bahn gerate. Dabei war es später so, dass Rudi, der im vergangenen Jahr mit 79 Jahren verstorben ist, seinen großen Bruder sportlich ziemlich in den Schatten stellte. Aber der hat es ihm nie verübelt. Im Gegenteil, wenn er heute sagt: „Mein Bruder war der Einzige, der je auf der Bahn und auf der Straße Weltmeister geworden ist“, schwingt immer noch sein ganzer Stolz mit.
Freilich sind auch Willis sportliche Leistungen aller Ehren wert. Nicht nur weil er mit seinem Bruder im Zweierteam wie auch im Bahnvierer jahrelang die Attraktion auf Deutschlands Radrennbahnen war. Fünfmal hat er selbst einen deutschen Meistertitel errungen, zweimal war er bei der Tour de France dabei, und 1964 hat er – sein größter Erfolg – die Schlussetappe des Giro d’Italia gewonnen. Der wertvollste Gewinn sei sicher gewesen, dass er als junger Mensch in die Welt hinausgekommen ist. Später hat er als Profi auch gut verdient, mehr als er sich als Dreher beim Daimler je vorstellen konnte. Aber als er 1970 aufgehört hat und das Fahrradgeschäft in Mannheim übernommen, ist er auf kein Rad mehr gestiegen. Das ist ihm gesundheitlich nicht bekommen, sagt er. Längst fährt er wieder, mit 82 noch gut 2000 Kilometer im Jahr. Zurzeit ist er auf Mallorca unterwegs, dann noch drei Wochen in Thailand. Dabei hat er sich jetzt aber vorgenommen: „100 Kilometer am Tag sind genug.“Christiane Pötsch-Ritter