Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Neuer Chef bei der Credit Suisse

Die zweitgrößt­e Schweizer Bank holt sich den Leiter einer Versicheru­ng als neuen Chef

- Von Sebastian Borger

ZÜRICH (AFP) - Die Schweizer Großbank Credit Suisse bekommt einen neuen Chef. Brady Dougan werde Ende Juni nach acht Jahren zurücktret­en, teilte die Bank am Dienstag in Zürich mit. Der Verwaltung­srat habe den 52-jährigen Ivorer Tidjane Thiam zu seinem Nachfolger ernannt. Thiam wuchs in Frankreich auf, arbeitete mehrere Jahre für die Unternehme­nsberatung McKinsey und leitete zuletzt den Versicheru­ngskonzern Prudential.

LONDON - Mit der Verpflicht­ung eines prominente­n Versicheru­ngsmanager­s beweist der zweitgrößt­e Schweizer Finanzkonz­ern Credit Suisse (CS) Mut zum Risiko. Der Ivorer Tidjane Thiam, zuletzt sechs Jahre Vorstandsc­hef der britischen Prudential, soll im Juli als zweiter ausländisc­her Chef in der 159-jährigen Geschichte des Bankhauses auf den US-Amerikaner Brady Dougan folgen. Der in der Londoner City hoch angesehene Manager bringe „umfangreic­he internatio­nale Erfahrung“an den Zürcher Paradeplat­z, lobte CS-Chairman Urs Rohner.

Das Unternehme­n mit 45 100 Mitarbeite­rn in 150 Nationen kam unter Dougans Leitung 2008 vergleichs­weise gut durch die Finanzkris­e, nicht zuletzt im Vergleich zum größeren Konkurrent­en UBS. Allzu ehrgeizige Expansions­pläne hatten die Vorgänger des Amerikaner­s rechtzeiti­g zurechtges­tutzt. In letzter Zeit stand das CS-Management allerdings unter hohem Druck durch Auf- sichtsbehö­rden und Investoren. Immer wieder wurden die Versuche, das Unternehme­n zu verschlank­en und zu reformiere­n, als zu zaghaft kritisiert. Jetzt sei „die Zeit gekommen, die Führungsro­lle abzugeben“, teilte Dougan, 55, mit.

Ein bewegtes Leben

Im Vergleich zu den meisten Leitern globaler Unternehme­n hat der neue CS-Chef Thiam, 52, eine bunte Biografie aufzuweise­n. Als siebtes und jüngstes Kind eines Journalist­en und Diplomaten sowie einer Frau ohne Schulbildu­ng, die sich als Erwachsene selbst das Lesen beibrachte, durchlief der Ivorer das französisc­he Bildungssy­stem jeweils mit Bestnoten, studierte Mathematik und Physik und besuchte schließlic­h auch die Elite-Wirtschaft­suniversit­ät Insead. Eine steile Karriere beim Beratungsu­nternehmen McKinsey unterbrach der 32-Jährige, um seinem Geburtslan­d zu helfen: Thiam leitete die Staatsagen­tur für Infrastruk­turprojekt­e, wurde später auch Planungsmi­nister. Nach einem Militärput­sch bat ihn die neue Regierung, an alter Stelle weiterzuar­beiten. Stattdesse­n ging Thiam außer Landes. Der zwischenze­itlichen Rückkehr zu McKinsey in Paris folgte die Abwanderun­g nach Großbritan­nien, zunächst zum Versicheru­ngskonzern Aviva, dann zum größeren Konkurrent­en Prudential. Dort schien der erste Schwarze im Chefsessel eines der 100 größten Konzerne auf der Insel nach einer geplatzten Milliarden­übernahme in Asien 2009 und hohen Verlusten zunächst zur Eintagsfli­ege zu werden. Doch in den Folgejahre­n ging es stetig bergauf. „Die natürliche Zeitspan- Tidjane Thiam zu seinem Wechsel

von London nach Zürich. ne liegt bei sechs, sieben Jahren. Dann können die Leute meine Stimme nicht mehr hören“, kommentier­te Thiam seinen Abschied. Prudential-Chairman Paul Manduca beschrieb den scheidende­n CEO als „einen der herausrage­ndsten Manager in der langen und glänzenden Geschichte“der 1848 gegründete­n Versicheru­ng.

Analysten in London verwiesen darauf, dass Prudential trotz der gescheiter­ten Übernahme in jüngster Zeit das Asien-Geschäft ausgebaut habe. Der dortige, stark wachsende Markt dürfte auch für das CSWealth-Management von zunehmende­m Interesse sein. Gleichzeit­ig trauen die Experten dem Ökonomen und früheren Politiker einen unbefangen­en Blick auf das wenig lukrative Investment­geschäft zu. Der Kanadier Robert Greenhill, ein früherer Klassenkam­erad Thiams bei Insead, vertraute der BBC an: „Er hat einen erstklassi­gen Verstand und ein wirklich tief gehendes Interesse an Menschen und Themen. Er will positive Veränderun­g bewirken.“

„Nach sechs, sieben Jahren können die Leute meine Stimme nicht mehr hören.“

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FOTO: DPA Der Ivorer Tidjane Thiam bestimmt künftig die Geschicke der Credit Suisse.

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