Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Ein Adeliger als Angeklagter
Prinz Reuß sagt erstmals vor Gericht im „Reichsbürger“-prozess aus – Detailreiche Erzählungen aus der Kindheit
(dpa) - Heinrich XIII. Prinz Reuß soll einer der Rädelsführer einer mutmaßlichen „Reichsbürger“-gruppe gewesen sein – nun hat er erstmals vor Gericht ausgesagt. Am elften Verhandlungstag im Prozess um ihn und acht weitere Angeklagte erklärte der Frankfurter Immobilienhändler, er sei strikter Gegner von Gewalt. „Natürlich lehne ich Gewalt ab – aber die Anklage versucht mir das Gegenteil zu unterstellen“, sagte er am Freitagvormittag.
Im dunkelblauen Anzug nahm der 72-Jährige in der Mitte des Gerichtssaals Platz. Sein Anwalt Roman von Alvensleben wies noch vor Beginn der Einlassung auf die besondere Situation hin – Reuß' Familie war anwesend. Vor Verhandlungsbeginn durfte der Angeklagte auch seine Tochter begrüßen. Er bückte sich an der Glasscheibe zum Zuschauer- und Presseraum zu ihr hinunter. Wieder am Platz wischte er sich Tränen aus dem Gesicht. Auch seine Ex-frau schaute zu. Sie saß neben der Tochter.
Es fiel Reuß sichtlich schwer zu reden. Er pausierte immer wieder, den Tränen nahe, als er von seiner Familiengeschichte rund um seine vier Geschwister, das Leben seiner Eltern und seine Jugend sprach. „Mein Zustand ist labil, ich weiß nicht was passiert, ich kann Ihnen ehrlich nicht sagen, was los ist“, sagte er zum Vorsitzenden Richter Jürgen Bonk. Dieser unterbrach die Sitzung insgesamt dreimal – Reuß winkte mehrmals lächelnd seiner Tochter zu.
In seiner rund zwei Stunden dauernden Schilderung gab er vor allem Einblick in seine persönlichen Verhältnisse und seinen Werdegang. Seine Eltern f lüchteten demnach während des Zweiten Weltkriegs aus Thüringen nach Hessen. Reuß wurde 1951 in Büdingen geboren, als fünftes von sechs Geschwistern.
Er erzählte von „Vergewaltigungen seiner Psyche und Seele“ durch Lehrkräfte. So habe ein Lehrer einmal zu ihm gesagt, „Euch sollte man alle enteignen.“Schule sei für Reuß generell aber nicht so wichtig gewesen. Er arbeitete öfter hart in der Ponyzucht seines Vaters und besserte sein Taschengeld mit der Zucht von Kanarienvögeln und Sittichen auf. Später baute und designte er nach eigenen Angaben Möbel unter dem Namen „Linea Tredici“– italienisch für „Linie Dreizehn“.
Bei der Bundeswehr wurde er ausgemustert, wegen Folgeschäden von Reitunfällen in der Kindheit. Immer wieder betonte er in diesem Kontext auch, dass er Gewalt verabscheue und oftmals kränklich und gesundheitlich angeschlagen war. Nach zwei Verkehrsunfällen hätte er nach eigenen Angaben beinahe eine Beinamputation und eine Querschnittslähmung erlitten. Auch zu seinem Studium in Hamburg und München äußerte er sich und zählte Beteiligungen und Käufe von Immobilien und Geschäften auf, wie etwa ein Fitnessstudio.
Zu den Anklagepunkten machte Reuß keine Angaben, diese werden derzeit noch vom Prozess ausgeklammert. Nur kurz äußerte er sich zur „Erd-allianz“, der vermeintlichen Gruppe, auf deren Zeichen hin die „Reichsbürger“der „Patriotischen Union“, wie sich die Gruppe um Reuß genannt haben soll, den Umsturz starten sollten: „Die Allianz hat sich als trojanisches Pferd herausgestellt und nichts veranlasst.“
Der Aussage von Reuß ging ein eher „ungewöhnliches Prozedere“voran, wie Richter Bonk es nannte. Nachdem an den zwei vergangenen Tagen der Ex-soldat Maximilian Eder über seine persönlichen Verhältnisse berichtet hatte, waren für den Verhandlungstag am Freitag weitere Fragen an ihn geplant. Eders Anwalt Ralf Dalla Fini ließ jedoch verlauten, dass sein Mandant keine Fragen beantworte. Also saßen die beiden auf der Zeugenbank, und Dalla Fini erklärte noch zweimal, dass Eder keine Fragen beantworten werde. Die Befragung wurde dann abgebrochen.
In Frankfurt wird neun Angeklagten vorgeworfen, Mitglieder einer terroristischen Vereinigung gewesen zu sein beziehungsweise diese unterstützt zu haben. Es soll ein bewaffneter Umsturz geplant gewesen sein. Dabei hätten die Angeklagten bewusst Tote in Kauf genommen, so die Anklage. Bis zum Urteil gilt für die Angeklagten die Unschuldsvermutung. Mit zwei weiteren Verfahren in München und Stuttgart müssen sich insgesamt 26 mutmaßliche Verschwörer in dem Komplex verantworten. Der Prozess wird am Dienstag, 2. Juli fortgesetzt.