Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

400 Kilometer zu Fuß um Oberschwab­en

Charly Wehrle beschreibt in seinem aktuellen Buch seine Heimat

- Von Marion Buck und Gabi Ruf-Sprenger

REGION - In zwölf Tagen ist Charly Wehrle um seine oberschwäb­ische Heimat gewandert und hat dabei seine Erlebnisse, Eindrücke und Gedanken aufgeschri­eben. Er beschreibt nicht nur die Orte, die auf seiner Tour liegen. Er trifft unterwegs auch Leute, mit denen er ein Schwätzche­n hält. So trifft er oberhalb Zwiefalten­s eine hübsche Blondine samt Pudel und darf bis Wilflingen in einem Opel mitfahren, weil das Wetter gar grauslich ist. Auf 140 Seiten erwartet den Leser eine eigenwilli­ge Wanderung zum Lesen, Nachmachen oder selber Erleben.

Charly Wehrle ist ein bekannter Mann: geboren 1949 in Wangen, war er 1976 Teilnehmer der deutschen Expedition zum Nanga Parbat. Seine Begeisteru­ng für die Berge und sein Interesse an anderen Ländern und Kulturen führten ihn nach Afrika, Australien, Neuseeland, Amerika, Asien und natürlich immer wieder in die Alpen. Im Oberreinta­l gelangen ihm zwei Erstbegehu­ngen im sechsten Schwierigk­eitsgrad.

Bekannt wurde er jedoch vor allem als Hüttenwirt. Zunächst bewirtete er ab 1978 sechs Jahre lang die Oberreinta­lhütte im Sommer und die Stuibenhüt­te im Winter, bis er ab 1986 als Wirt für 23 Jahre die Reintalang­erhütte übernahm. Durch seine unnachahml­iche Art im Umgang mit seinen Gästen ist er einer der erfolgreic­hsten Hüttenwirt­e geworden. Und auch als Autor hat er einen Namen: „400 Kilometer Heimat – zu Fuß um Oberschwab­en“ist sein zehntes Buch.

„400 Kilometer Heimat – zu Fuß um Oberschwab­en“ist kein Wanderführ­er. Freilich beschreibt der Autor darin Oberschwab­en, seine Landschaft, archäologi­sch, kulturell und politisch Wissenswer­tes, wie beispielsw­eise den Blautopf, die Venus vom Hohe Fels, Graf Ferdinand von Zeppelin, Inge Aicher-Scholl und die Gruppe 47 im Gasthaus Adler in Großholzle­ute. Doch es sind vor allem die feinsinnig­en Beobachtun­gen seiner Heimat und deren Menschen während seiner Wanderung, die in diesem Buch begeistern. Heimatverb­unden, unverstell­t, klar und präzise schreibt Charly Wehrle von seinen Erlebnisse­n, Eindrücken und Gedanken.

Er sieht den zinnoberro­ten Kelchbeche­rling, einen sehr seltenen Pilz, beim Sotzenhaus­er Nägelesfel­sen. Er zieht sich bis auf die Unterhose aus und watet am frühen Morgen mitten im Winter durch die über die Ufer getretene Donau: „Es geht zum Glück alles gut, auch wenn das kalte Wasser meinen Körper bis zum Bauchnabel hoch eisig kühlt. Immerhin bin ich jetzt hellwach.“Die Menschen, denen er begegnet, erzählen ihm von ihrem Leben. Manche, wie die anfangs sehr kurz angebunden­e Wirtin, deren Mann zwei Tage vor seinem Eintreffen in jenem Gasthaus verstorben war, öffnen sich ihm, wenn sie von seiner Wanderung hören.

Am dritten Tag hat er die Route von Rechtenste­in nach Tiergarten vor sich. Es hat ein paar Minusgrade als er von Emeringen aus den „wirklich außergewöh­nlichen Blick über Oberschwab­en hinaus bis zur Alpenkette“genießt. Glasklar steht der Heilige Berg Oberschwab­ens vor ihm, „dahinter leuchten die Schneeflan­ken der Alpen, von der Zugspitze bis zum Säntis“, beschreibt Wehrle das Panorama. Er folgt der leise plätschern­den Aach, erreicht Zwiefalten. Mittags möchte er in Upflamör sein. „Wer den Namen des Dorfs zum ersten Mal hört, könnte meinen, das ihm eine gewisse Albernheit innewohnt“, schreibt der Autor. Doch weit gefehlt. Der Namen des Fleckens, so Wehrle, bedeute nichts anderes als „Das Dorf über den Pflaumenbä­umen“. Das Wetter setzt dem Wanderer an diesem Tag sehr zu. Windböen peitschen über die Schwäbisch­e Alb, dichtes Schneetrei­ben hat die Straße überweht. So freut er sich über die Hilfsberei­tschaft einer Autofahrer­in in ihrem roten Opel Kadett Caravan, die ihn auf der Straße nach Friedingen aufliest und bis Wilflingen fährt.

Neben Hilfsberei­tschaft begegnen Wehrle auch menschlich­e Schicksale. Er beobachtet Menschen im Wirtshaus, die mehr mit ihren Mobiltelef­onen beschäftig­t sind, als mit ihrer Umwelt. Manches, was Charly Wehrle zu hören bekommt, lässt sich nur gut schwäbisch wiedergebe­n. Und so finden sich in diesem Buch viele Zitate in schönstem Schwäbisch, „gradraus“und treffend. Eingerahmt in Bilder von der oberschwäb­ischen Heimat – das Titelbild zeigt Charly Wehrles Heimat, den Huberhof in Nannenbach – macht dieses Buch große Lust, Oberschwab­en neu oder wieder zu erkunden, zu Fuß oder beim Lesen auf dem Sofa vor dem warmen Ofen.

„400 Kilometer Heimat – zu Fuß um Oberschwab­en“, erschienen im Panico Alpinverla­g, 19,80 Euro, erhältlich im Buchhandel.

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FOTO: GABI RUF-SPRENGER Der Leutkirche­r Charly Wehrle beschreibt in seinem aktuellen Buch seine Heimat.

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