Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Die Zahl der Urlauber sinkt dramatisch
Betreiber des Campingplatz nennt „Negativschlagzeilen über Sigmaringen“als Hauptursache
SIGMARINGEN - Dickes Minus für den Tourismus in dieser Saison: Die beiden größten Übernachtungsbetriebe der Stadt bestätigen auf Anfrage, dass in diesem Jahr weniger Gäste bei ihnen übernachten. Der Campingplatz beziffert das Minus im Vergleich zur Vorsaison auf knapp 15 Prozent. Ähnlicher Trend in der Hohenzollern-Jugendherberge: Die Zahl der Übernachtungen ging um knapp acht Prozent zurück. Die Ursachen? Jörg Stadler, der Betreiber des Campingplatzes, findet deutliche Worte: „Wegen der überzogenen Negativpropaganda im Zusammenhang mit Flüchtlingen meiden Gäste und vor allem Rentner Sigmaringen.“
In den kürzlich veröffentlichten Halbjahreszahlen des Statistischen Landesamts wiesen lediglich zwei Landkreise rückläufige Zahlen aus: der Kreis Sigmaringen mit minus 4,6 Prozent und der Kreis Waldshut mit minus 6,5 Prozent. Was auffällt: Die Entwicklung im Land ist eine völlig andere. Der Nachbarkreis auf der Zollernalb hat mit 10,7 Prozent zweistellige Zuwachsraten zu verzeichnen, insgesamt steigen die Übernachtungen von Januar bis Juli 2018 im Land um fünf Prozent.
Zieht die Stadt Sigmaringen also den Kreis ins Minus? Dies lässt sich nicht eindeutig verifizieren, denn
„Die Rentner bleiben einfach weg. Der Rückgang ist signifikant“,
sagt Jörg Stadler vom Campingplatz
auf Gemeindeebene liegen noch keine Zahlen vor. Doch auffällig ist, dass die großen Übernachtungsbetriebe in der Stadt mit Problemen zu kämpfen haben. Die Jugendherberge und der Campingplatz sind die beiden Schwergewichte im Tourismus und machen knapp die Hälfe der Sigmaringer Übernachtungen aus. Am deutlichsten ist das Minus auf dem Campingplatz. Den Rückgang der Zahl der Übernachtungen um 3500 auf knapp 20 000 erklärt Jörg Stadler mit dem Fernbleiben von Rentnern, die seinen Platz vor der Diskussion um kriminelle Flüchtlinge mit ihrem Caravan oder Wohnmobil außerhalb der Ferienzeiten ansteuerten: „Während der Sommerferien sind wir meistens sowieso ausgebucht. Aber wir merken es zwischen den Ferien und unter der Woche. Die Rentner sind einfach weggeblieben. Dieser Rückgang ist signifikant.“Wenn sie doch vorbeikämen, würden sie mit dem Stadtplan zu ihm kommen und fragen: „Wo sind die Gebiete, die wir meiden müssen?“
Jörg Stadler hält dann immer dagegen, dass Sigmaringen aus seiner Sicht kein Flüchtlingsproblem habe. Die in den Medien geführte Diskussion hielt er für völlig überzogen. Die Gäste, die da seien, hätten sich nie über Flüchtlinge beschwert. „Die beklagen sich aber über die Sigmaringer Jugendlichen, die in den Pocketgärten bei uns nebenan Party feiern.“Dabei handle es sich um Einheimische, da ist sich Stadler hundertprozentig sicher.
Vorschlag: Stadt braucht eine Charmeoffensive
Sein Lösungsvorschlag: „Sigmaringen braucht eine Charmeoffensive.“Zweitens müsse die Stadt schnellstmöglich ein vernünftiges Tourismuskonzept beschließen. Seit Jahren wird darüber diskutiert, in welchem Tourismusverband sich Sigmaringen stärker engagieren soll. Bislang immer ohne Ergebnis.
Ewald Erath vom Gasthof Traube hat in diesem Jahr ebenfalls weniger Betten an Touristen vermietet als in den Vorjahren. Er nennt zwar keine genauen Zahlen, spricht aber von einem „kleinen Minus“. „Es sind weniger Menschen auf dem Donauradweg“, so die Beobachtung seiner Gäste. „In diesem Jahr bringen wir unser Hotel gerade so voll, im Vorjahr mussten wir häufiger Gäste wegschicken“, sagt Erath. Einen Reim auf die Ursachen kann er sich nicht machen. Die Brüder Huthmacher vom Café Seelos bestätigen: „Es sind weniger Leute in der Stadt und auch in unserem Café.“
Jugendherberge zählt 700 Übernachtungen weniger
Die Hohenzollern-Jugendherberge Sigmaringen verzeichnete in der ersten Jahreshälfte knapp 10 000 Übernachtungen, dies entspricht einem Minus von 7,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr (10 710 Übernachtungen im Vergleichszeitraum 2017). Zum Vergleich: In allen Jugendherbergen in Baden-Württemberg insgesamt ging die Zahl der Übernachtungen um 0,3 Prozent zurück. Probleme mit dem Buchungssystem im Internet führt Marketingleiterin Pia Schmitz als einen Grund für den Rückgang an. Zu den Sigmaringer Besonderheiten nimmt sie nicht Stellung.
Die frühere Tourismuschefin der Stadt, Katja Ungern-Sternberg, äußerte sich kurz vor ihrem Weggang aus Sigmaringen: „Ich kann auf Basis der Statistik des Landes keinerlei Aussage treffen. Nur so viel: Bisher verläuft die Saison aus unserer Sicht gut. Die Besucherzahlen der Tourist-Info sind im Vorjahresbereich. Alles Weitere wird man dann sehen, wenn die finalen Zahlen im Frühjahr 2019 vorliegen.“
Bis dahin dürfte über ihre Nachfolge entschieden sein: Der Gemeinderat will sich die Bewerber nach der Sommerpause ansehen.