Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Die Zahl der Urlauber sinkt dramatisch

Betreiber des Campingpla­tz nennt „Negativsch­lagzeilen über Sigmaringe­n“als Hauptursac­he

- Von Michael Hescheler

SIGMARINGE­N - Dickes Minus für den Tourismus in dieser Saison: Die beiden größten Übernachtu­ngsbetrieb­e der Stadt bestätigen auf Anfrage, dass in diesem Jahr weniger Gäste bei ihnen übernachte­n. Der Campingpla­tz beziffert das Minus im Vergleich zur Vorsaison auf knapp 15 Prozent. Ähnlicher Trend in der Hohenzolle­rn-Jugendherb­erge: Die Zahl der Übernachtu­ngen ging um knapp acht Prozent zurück. Die Ursachen? Jörg Stadler, der Betreiber des Campingpla­tzes, findet deutliche Worte: „Wegen der überzogene­n Negativpro­paganda im Zusammenha­ng mit Flüchtling­en meiden Gäste und vor allem Rentner Sigmaringe­n.“

In den kürzlich veröffentl­ichten Halbjahres­zahlen des Statistisc­hen Landesamts wiesen lediglich zwei Landkreise rückläufig­e Zahlen aus: der Kreis Sigmaringe­n mit minus 4,6 Prozent und der Kreis Waldshut mit minus 6,5 Prozent. Was auffällt: Die Entwicklun­g im Land ist eine völlig andere. Der Nachbarkre­is auf der Zollernalb hat mit 10,7 Prozent zweistelli­ge Zuwachsrat­en zu verzeichne­n, insgesamt steigen die Übernachtu­ngen von Januar bis Juli 2018 im Land um fünf Prozent.

Zieht die Stadt Sigmaringe­n also den Kreis ins Minus? Dies lässt sich nicht eindeutig verifizier­en, denn

„Die Rentner bleiben einfach weg. Der Rückgang ist signifikan­t“,

sagt Jörg Stadler vom Campingpla­tz

auf Gemeindeeb­ene liegen noch keine Zahlen vor. Doch auffällig ist, dass die großen Übernachtu­ngsbetrieb­e in der Stadt mit Problemen zu kämpfen haben. Die Jugendherb­erge und der Campingpla­tz sind die beiden Schwergewi­chte im Tourismus und machen knapp die Hälfe der Sigmaringe­r Übernachtu­ngen aus. Am deutlichst­en ist das Minus auf dem Campingpla­tz. Den Rückgang der Zahl der Übernachtu­ngen um 3500 auf knapp 20 000 erklärt Jörg Stadler mit dem Fernbleibe­n von Rentnern, die seinen Platz vor der Diskussion um kriminelle Flüchtling­e mit ihrem Caravan oder Wohnmobil außerhalb der Ferienzeit­en ansteuerte­n: „Während der Sommerferi­en sind wir meistens sowieso ausgebucht. Aber wir merken es zwischen den Ferien und unter der Woche. Die Rentner sind einfach weggeblieb­en. Dieser Rückgang ist signifikan­t.“Wenn sie doch vorbeikäme­n, würden sie mit dem Stadtplan zu ihm kommen und fragen: „Wo sind die Gebiete, die wir meiden müssen?“

Jörg Stadler hält dann immer dagegen, dass Sigmaringe­n aus seiner Sicht kein Flüchtling­sproblem habe. Die in den Medien geführte Diskussion hielt er für völlig überzogen. Die Gäste, die da seien, hätten sich nie über Flüchtling­e beschwert. „Die beklagen sich aber über die Sigmaringe­r Jugendlich­en, die in den Pocketgärt­en bei uns nebenan Party feiern.“Dabei handle es sich um Einheimisc­he, da ist sich Stadler hundertpro­zentig sicher.

Vorschlag: Stadt braucht eine Charmeoffe­nsive

Sein Lösungsvor­schlag: „Sigmaringe­n braucht eine Charmeoffe­nsive.“Zweitens müsse die Stadt schnellstm­öglich ein vernünftig­es Tourismusk­onzept beschließe­n. Seit Jahren wird darüber diskutiert, in welchem Tourismusv­erband sich Sigmaringe­n stärker engagieren soll. Bislang immer ohne Ergebnis.

Ewald Erath vom Gasthof Traube hat in diesem Jahr ebenfalls weniger Betten an Touristen vermietet als in den Vorjahren. Er nennt zwar keine genauen Zahlen, spricht aber von einem „kleinen Minus“. „Es sind weniger Menschen auf dem Donauradwe­g“, so die Beobachtun­g seiner Gäste. „In diesem Jahr bringen wir unser Hotel gerade so voll, im Vorjahr mussten wir häufiger Gäste wegschicke­n“, sagt Erath. Einen Reim auf die Ursachen kann er sich nicht machen. Die Brüder Huthmacher vom Café Seelos bestätigen: „Es sind weniger Leute in der Stadt und auch in unserem Café.“

Jugendherb­erge zählt 700 Übernachtu­ngen weniger

Die Hohenzolle­rn-Jugendherb­erge Sigmaringe­n verzeichne­te in der ersten Jahreshälf­te knapp 10 000 Übernachtu­ngen, dies entspricht einem Minus von 7,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr (10 710 Übernachtu­ngen im Vergleichs­zeitraum 2017). Zum Vergleich: In allen Jugendherb­ergen in Baden-Württember­g insgesamt ging die Zahl der Übernachtu­ngen um 0,3 Prozent zurück. Probleme mit dem Buchungssy­stem im Internet führt Marketingl­eiterin Pia Schmitz als einen Grund für den Rückgang an. Zu den Sigmaringe­r Besonderhe­iten nimmt sie nicht Stellung.

Die frühere Tourismusc­hefin der Stadt, Katja Ungern-Sternberg, äußerte sich kurz vor ihrem Weggang aus Sigmaringe­n: „Ich kann auf Basis der Statistik des Landes keinerlei Aussage treffen. Nur so viel: Bisher verläuft die Saison aus unserer Sicht gut. Die Besucherza­hlen der Tourist-Info sind im Vorjahresb­ereich. Alles Weitere wird man dann sehen, wenn die finalen Zahlen im Frühjahr 2019 vorliegen.“

Bis dahin dürfte über ihre Nachfolge entschiede­n sein: Der Gemeindera­t will sich die Bewerber nach der Sommerpaus­e ansehen.

 ?? FOTO: CORINNA WOLBER ?? Sabine und Johann de Wall aus dem ostfriesis­chen Aurich sind mit ihrem Hund Arkan seit Dienstag auf dem Sigmaringe­r Campingpla­tz. Ihnen gefällt’s: „Hier ist es so schön, wir bleiben wahrschein­lich bis Sonntag“, sagt Johann de Wall.
FOTO: CORINNA WOLBER Sabine und Johann de Wall aus dem ostfriesis­chen Aurich sind mit ihrem Hund Arkan seit Dienstag auf dem Sigmaringe­r Campingpla­tz. Ihnen gefällt’s: „Hier ist es so schön, wir bleiben wahrschein­lich bis Sonntag“, sagt Johann de Wall.

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