Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
„Mädle, dosch heit it laufa?“
Die Laichingerin Alina Reh ärgert und freut sich nach Platz vier bei der EM – Wirbel um Bronze-Gewinnerin
BERLIN - Es war erst das zweite 10 000-Meter-Bahn-Rennen ihres Lebens und ihr größter Lauf überhaupt, doch Alina Reh aus Laichingen schlug sich prächtig bei diesem EM-Finale. Schon nach zwei Kilometern verlor die 21-Jährige den Kontakt zur Fünferspitze, aber sie verlor ihn mit Bedacht, nicht weil sie litt. „Sonst wär ich am Ende bestimmt eingebrochen.“Und das wollte sie nicht. Von Position sieben aus lief Alina Reh also lange ihr Rennen, ihren Rhythmus, aber ein einsamer Lauf war es nicht. „Irgendwann wusste ich nicht mehr, auf welchem Rang ich liege, aber es war so laut, dass ich keine Ansagen des Trainers verstanden habe.“Die 40 000 Menschen in Berlin machten derart viel Spektakel, dass sie Reh aber auch antrieben. Sie holte auf, und am Ende kassierte sie unter dem frenetischen Applaus der Zuschauer sogar noch die Türkin Yasemin Can, Doppel-Europameisterin von 2016. EM-Vierte war sie nun, nur zehn Sekunden hinter ihrer Bestzeit, und das bei 31 Grad – und ohne zu trinken, denn: „Das hatte ich völlig vergessen.“
Konkurrentin droht Sperre
Dennoch wirkte Alina Reh am nächsten Tag im Teamhotel des DLV leicht irritiert. „Reh attackiert Konkurrentinnen“hatte das Sportportal Sport1 eine kleine Aufregerstory über die Läuferin betitelt. „Am Start stehen mehrere Kenianerinnen und man fragt sich: ,Warum bist du hier und nicht bei einer WM’“, hatte Sport1 Aussagen Rehs zitiert, die diese Reportern der schwedischen Boulevardzeitung „Sport Expressen“gesagt haben soll.
Hatte Reh also die Teilnahme von Afrikanerinnen an der WM kritisiert? „Jeder Verband hat das Recht, selbst zu entscheiden, wen er laufen lässt“, sagte sie nun im Interconti, sie könne das nicht ändern, sie konzentriere sich allein auf sich.
Wobei: So einfach ist das in der Leichtathletik nun auch wieder nicht. In der Mixed Zone hatte Reh am Mittwoch davon erfahren, dass der EM-Dritten, der in Eritrea geborenen und 2008 nach Schweden geflohenen und später eingebürgerten Meraf Bahta wegen dreier verpasster Dopingtests binnen eines Jahres ein Verfahren – und zwei Jahre Sperre drohen.
Dass die Skandinavier Bahta vorläufig nicht suspendierten und Reh so womöglich um den Bronze-Genuss brachten, machte Reh nachdenklich: „Wenn ich in ein paar Wochen nachträglich Bronze erhalten würde, wäre das nicht das Gleiche – es geht um den Moment, das Gefühl im Stadion, das wäre dann weg.“
Prinzipiell übrigens war Reh stolz auf Platz vier. „Ich kam als Nummer 6Europas hier an und wollte in die Top 5, aber als ich die Startliste sah, dachte ich mir, oh, das war doch etwas gewagt. Jetzt bin ich Vierte, und das, obwohl ich noch nicht die Form vom April wiederhabe, vor meinem Ermüdungsbruch. Ich bin extrem stabil gelaufen, Runde für Runde, das war sehr gut.“Und vielleicht sei es ja gut, fügte sie an, noch kein Bronze zu haben. „Dann wirst du immer daran gemessen, ich kenne das ja an den Erfolgen meiner Jugend. Das so in den Erwachsenenbereich rüberzubringen, ist gar nicht so einfach.“
Alina Reh macht es ziemlich ordentlich, bedenkt man, dass „ich mit Abstand die Jüngste war da vorne im Feld“. Und sie macht es so gut, dass sie im Rewe in Laichingen, dem Lebensmittelladen ihrer Mutter, immer öfter in eher monothematische Gespräche verwickelt wird. Reh arbeitet dort zuweilen in der Obst- und Gemüseabteilung mit, zuletzt aber eher weniger. „Ich werde da immer öfter angesprochen, dann heißt es: ,Ja Mädle, dosch heit it laufa?’“
Die Laichinger mögen ihn halt, ihren aus der Zeitung, dem Fernsehen und auch dem örtlichen Rewe bekannten Wuschelkopf. Und bald könnte er auch wieder in der Nähe wippen. Alina Reh will noch einen Halbmarathon laufen in dieser Saison, und es würde wundern, wenn es nicht der in Ulm zu Ehren Albert Einsteins wäre.