Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Kritik an Amazons Warenentsorgung
Amazon entsorgt Neu- und Umtauschware im großen Stil – Wegwerfen ist billiger als spenden
MÜNCHEN (dpa) - Der Online-Versandkonzern Amazon steht wegen der Entsorgung von Retouren und nicht verkauften Artikeln in der Kritik. Laut Medienberichten würden in den deutschen Warenlagern des USUnternehmens in großem Umfang teils neuwertige Waren entsorgt, darunter Kühlschränke und Handys. Das Bundesumweltministerium hat den Konzern aufgefordert, die Vorwürfe aufzuklären.
RAVENSBURG - Der Onlinehändler Amazon vernichtet massenhaft Retouren und Lagerbestände. Das berichtet die „Wirtschaftswoche“und das ZDF-Magazin „Frontal 21“. Unter anderem erzählen Amazon-Mitarbeiter davon, wie systematisch verschrottet wird, was nicht mehr als sogenannte A-Ware verkauft werden kann. Der Grund: Verschrotten ist billiger als verschenken.
Smartphones, Tablets, Kaffeevollautomaten, Matratzen und Waschmaschinen. Alles neuwertig und trotzdem reif für den Schrott, berichtet eine Amazon-Mitarbeiterin. Waren im Wert von rund 23 000 Euro habe allein sie pro Schicht vernichtet. Häufig seien es Retouren, die Amazon vernichten lasse. Diese könnten laut Amazon zwar oftmals als neuwertig weiterverkauft werden, etwa im Amazon-Warehouse.
250 000 Retouren pro Jahr
Dem Bericht zufolge werden aber tatsächlich nur 70 Prozent der umgetauschten Waren im gesamten Onlinehandel weiterverkauft. Im Umkehrschluss landet also rund ein Drittel der Waren im Müll.
Pro Jahr seien es mehr als
250 000 Pakete, die Verbraucher zurück zum Absender schicken. Die Aufbereitung sei für viele Händler schlichtweg nicht wirtschaftlich. Retouren, die nicht mehr als A-Ware in den Verkauf können, vernichten mehr als die Hälfte der Onlinehändler direkt. Besonders umgetauschte Kleidung sei in der Aufbereitung häufig teurer als in der Herstellung und lande deswegen in der Müllverbrennungsanlage.
„Das ist eine enorme Ressourcenverschwendung“, wird die Greenpeace-Expertin Kristen Brodde zitiert. Schuld daran sei vor allem Amazon, da kein anderer Versandhändler auf ähnlich hohe Retourenmengen komme.
Aber nicht nur, was zurückgegeben wurde, landet im Schredder. Einwandfreie Lagerbestände werden laut „Wirtschaftswoche“und „Frontal 21“ebenfalls vernichtet. Darunter auch die Ware, die Amazon im Auftrag von externen Händlern in seinen elf Logistikzentren verschickt oder einlagert. Wer auf dem AmazonMarktplatz seine Waren anbietet, kann die Logistik komplett dem Onlinehändler überlassen. Aber: Gegen Gebühr. Je länger die Waren in den Regalen liegen bleiben, desto teurer wird die Lagergebühr.
Monatlich sind das laut Bericht pro Kubikmeter 26 Euro, im Weihnachtsgeschäft 36 Euro. Nach einem halben Jahr verlange Amazon 500 Euro, nach einem Jahr 1000 Euro. Um diese Kosten zu sparen, entscheiden sich viele Händler dafür, die Ladenhüter entsorgen zu lassen. Ebenfalls ein Service, den Amazon für seine externen Händler übernimmt.
Amazon dementierte diese Vorgehensweise nicht, ein Sprecher teilte der „Schwäbischen Zeitung“lediglich mit, dass das Unternehmen an der Verbesserung von Prozessen arbeite, um so wenig Produkte wie möglich entsorgen zu müssen. Wo etwas nicht verkauft, weiterverkauft oder gespendet werden könne, arbeite Amazon mit Aufkäufern von Restbeständen zusammen.
Das Thema beschäftige mittlerweile auch die Politik: In Frankreich werde über eine Spendepflicht für unverkaufte Kleidung diskutiert. In Deutschland fühlen sich die Händler bei ihrer Spendebereitschaft allerdings vom Steuerrecht ausgebremst, heißt es in dem Bericht.
Denn die Finanzbehörden würden Sachspenden wie Umsatz bewerten, auf den die Unternehmen Steuern zahlen müssen. Dadurch solle verhindert werden, dass zu viele unversteuerte Produkte den Markt verzerren. Zerschreddert verliert die Ware ihren Wert und ist steuerfrei. Für die Unternehmen eine einfache Rechnung.