Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Brandgefäh­rlicher Jammerlapp­en

Christian Stückl inszeniert Taboris Farce „Mein Kampf“am Münchner Volkstheat­er

- Von Cordula Dieckmann

MÜNCHEN (dpa) - Adolf Hitler kommt in George Taboris Theaterfar­ce „Mein Kampf“nicht gut weg. Regisseur Christian Stückl demontiert den Schreckens­herrscher in seiner Neuinszeni­erung am Münchner Volkstheat­er noch mehr, er ist eine jämmerlich­e Figur.

Taboris Stück war nach der Uraufführu­ng 1987 ein großer Erfolg. Kaum eine Bühne ließ sich die Farce entgehen, in der sich ein jüdischer Buchhändle­r des jungen Hitler in Wien annimmt und ihm – unabsichtl­ich – den Weg ebnet zum Diktator, der sechs Millionen Juden ermorden lässt.

Stückl inszeniert das Theaterstü­ck mal absurd-komisch, mal verstörend. Rohe Holzbrette­r verengen die Bühne auf einen dreieckige­n Raum. Es ist das Männerwohn­heim, in dem Hitler Unterschlu­pf findet, als er Anfang des 20. Jahrhunder­ts nach Wien kommt, um sich dort an der Kunstakade­mie zu bewerben. Ein riesiger Ofen aus roten Ziegelstei­nen, auf dem ein lebendiges Huhn herumpickt, dominiert die Szenerie. Noch wärmt Schlomo hier seinen Kaffee. Doch ein paar Jahrzehnte später sind es genau solche Öfen, in denen Hitler in den Vernichtun­gslagern die Leichen ermordeter Juden verbrennen lässt.

Pascal Fligg spielt den Buchhändle­r Schlomo, der Bibeln und das Kamasutra vertreibt. Im Wohnheim lebt auch der Koscher-Koch Lobkowitz (Timocin Ziegler), der überzeugt ist, Gott zu sein, und am liebsten neue Gebote erfindet: „Kannst du deine Eltern nicht ehren, ruf sie wenigstens einmal pro Woche an.“Einmal pro Woche erwartet Schlomo einen besonderen Besuch: Das hübsche Gretchen (Julia Richter) mit blonden, langen Zöpfen. Schlomo verehrt die junge Frau so sehr, dass er nicht mit ihr schlafen will, sondern nur von ihrer Hingabe träumt.

In diese Gemeinscha­ft platzt der junge Hitler aus Braunau. Ein unbeholfen­er Kerl in kurzen Lederhosen, überzeugen­d gespielt von Jakob Immervoll. Als er erfährt, dass seine Zimmergeno­ssen Juden sind, ist er entsetzt. Erst recht, als Schlomo ihm erklärt, dass sie gemeinsame – jüdische – Vorfahren haben. So entspinnen sich absurde Dialoge über Gott und die Welt.

Schlomo kümmert sich rührend um diesen Hitler und stutzt sogar seinen Bart zu dem Oberlippen­bärtchen, das später sein Markenzeic­hen werden sollte. Verheerend auch Schlomos Rat an den verkrachte­n Künstler, er solle es doch mal mit Politik versuchen.

Fatale Gutmütigke­it

So setzt Schlomo gerade durch seine Gutherzigk­eit bei dem Jammerlapp­en die verheerend­en Kräfte frei, die später zum Mord an sechs Millionen Juden führen sollten. „Hitler, du missbrauch­st meine Menschlich­keit“, ruft Schlomo tief verletzt. Doch machtlos muss er zusehen, wie Hitler immer stärker von Hass und Gewaltfant­asien erfasst wird. Was Schlomo verzweifel­n lässt, ist für die redselige Frau Tod (Caroline Hartmann) die reinste Freude, hat der von Rauchschwa­den umwaberte, knallharte Todesengel im grauen Militärkos­tüm mit Hitler doch ganz eigene, dämonische Pläne.

Weitere Vorstellun­gen: 26., 30. und 31. Januar, 4., 5. und 12. Februar, 4., 15., 26. und 31. März, 4. April.

 ?? FOTO: ARNO DECLAIR ?? Der junge Adolf Hitler (Jakob Immervoll) landet im Männerheim und wird von Schlomo (Pascal Fligg) umsorgt.
FOTO: ARNO DECLAIR Der junge Adolf Hitler (Jakob Immervoll) landet im Männerheim und wird von Schlomo (Pascal Fligg) umsorgt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany