Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
„Bestimmte Projekte wurden nicht konsequent genug vorangetrieben“
Ludwig Georg Braun, Aufsichtsratschef der Aesculap-Mutter B. Braun Melsungen AG, sieht Defizite in der Innovationskraft der Tuttlinger Tochter
TUTTLINGEN - Ludwig Georg Braun, Aufsichtsratschef der Aesculap-Mutter B. Braun Melsungen AG, erläutert im Gespräch mit Andreas Knoch die Erwartungen der Konzernführung an Joachim Schulz, der seit April Vorstandschef ist, und die Aesculap-Mannschaft.
Herr Braun, welchen Auftrag haben Sie Joachim Schulz mit auf den Weg gegeben?
Zunächst einmal war ich dankbar, dass sich Joachim Schulz bereit erklärt hat, die Aufgabe zu übernehmen. Wenn sich so überraschende Vakanzen ergeben, gibt es im Unternehmen häufig etwas nachzuholen. Bei Aesculap betrifft das das Thema Innovation. Und deshalb hat der Aufsichtsrat an Herrn Schulz und die gesamte Aesculap-Mannschaft den klaren Auftrag herangetragen, die Innovationskraft zu stärken. Darüber hinaus muss Herr Schulz die Aesculap-Mitarbeiter motivieren – angesichts des Fachkräftemangels eine ganz wichtige Aufgabe. Nur motivierte Mitarbeiter sind auch innovativ.
Hatte Aesculap in der Vergangenheit Probleme mit der Innovationskraft?
Vielleicht wurden bestimmte Projekte in der Vergangenheit nicht konsequent genug vorangetrieben. Hinzu kommt, dass nicht jedes Projekt erfolgreich ist. Deshalb muss man auf mehreren Feldern aktiv sein, um das Risiko des Scheiterns zu minimieren. Dazu gehört auch, sich vorher Gedanken zu machen, ob die verfolgten Projekte Vorteile für die Anwender, also die Ärzte, vor allem aber Vorteile für die Patienten bringen.
In welchen Bereichen muss Aesculap innovativer werden?
Zum einen bei den Produktionsprozessen – entweder um die Kosten oder das Material oder beides zu minimieren. Und dann natürlich bei der Weiterentwicklung des Produktprogramms. Gerade das ist wichtig. Ziel muss es sein, das Produkt werthaltiger zu machen und es beispielsweise zusammen mit Dienstleistungen anbieten zu können. Es reicht nicht mehr, nur den Dialysefilter zu verkaufen. Wer parallel dazu auch Lösungen anbietet, die etwa die Dialysezeiten verkürzen oder effizientere Dialyserhythmen ermöglichen, wird die Nase vorn haben.
Was sollte die neue Bundesregierung in Sachen Gesundheitspolitik tun?
Am dringlichsten ist es, das Verbot der Ferndiagnostik aufzuheben. Gerade im ländlichen Raum lässt sich eine qualitativ hochwertige Medizin flächendeckend sonst nicht mehr anbieten. Darüber hinaus muss es endlich gelingen, die elektronische Gesundheitskarte einzuführen. Wir verschwenden in der Medizin Unsummen durch eine ineffiziente IT.
Was sagen Sie zur Forderung der SPD einer Bürgerversicherung ?
Ich halte das Vorhaben Bürgerversicherung nicht für sinnvoll. Es ist ein toller Begriff, aber eine Bürgerversicherung würde eine Zweiklassenmedizin nach sich ziehen – die mit Beziehungen auf der einen und die ohne Beziehungen auf der anderen Seite. Vielleicht würde der Beitragssatz für ein oder zwei Jahre geringfügig sinken, durch die Eliminierung des Wettbewerbs kämen mittel- bis langfristig aber deutlich höhere Kosten auf das Gesundheitssystem zu. Ungeklärt sind ferner die rechtlichen Auswirkungen, die ein solcher Eingriff in das Vermögen der privat Versicherten nach sich zöge.
Welche Nachfolgeregelungen streben Sie nach dem Ausscheiden Ihres Sohnes Otto Philipp an der Spitze von B. Braun an? Wird Ihre älteste Tochter Anna Maria als künftige Chefin von B. Braun aufgebaut?
Darüber wird der Aufsichtsrat in einem angemessenen Zeitrahmen befinden. Es kommt immer auch darauf an, ob jemand für die Position zur Verfügung steht. Aus Gründen der Fairness für den Auswahlprozess will ich das denen überlassen, die die Entscheidung treffen.