Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Seltene Gäste aus der Tundra
Kornweihen überwintern am Federsee
BAD BUCHAU (sz) - Derzeit bestehen im Federseemoor gute Chancen zur Beobachtung von Kornweihen, seltenen Greifvögeln aus dem hohen Norden. Vom Aussichtsturm des Federseestegs aus kann man den Einflug der Kornweihen in ihre Schlafplätze am besten erleben, teilt das Nabu-Naturschutzzentrum Federsee mit.
„Bei der letzten Schlafplatzzählung wurden etwa 40 Kornweihen erfasst – damit ist das Federseeried für die seltene Kornweihe das bedeutendste Überwinterungsgebiet im gesamten südlichen Mitteleuropa“, freut sich Jost Einstein. Als Ornithologe und Leiter des Nabu-Naturschutzzentrums Federsee überwacht er regelmäßig die Bestände der Brutvögel, der Durchzügler und der gefiederten Wintergäste im Federseemoor. „Ideale Beobachtungsbedingungen hat man am Aussichtsturm des Federseestegs. Am späten Nachmittag treffen die tagsüber in weitem Umkreis jagenden Kornweihen am Federsee ein, um an gemeinsamen Schlafplätzen die Nacht zu verbringen.“Die günstigste Zeit sei etwa eine halbe Stunde vor Sonnenuntergang, derzeit also gegen 16 Uhr.
Als Erfolg des Naturschutzes wertet der Nabu-Mitarbeiter die Bildung eines weiteren Schlafplatzes in renaturierten Flächen östlich der Aussichtskanzel des archäologischen Moorlehrpfads im südlichen Federseeried. Dort waren vor 15 Jahren in einem EU-Förderprojekt wieder ausreichend hohe Moorwasserstände geschaffen worden. Für die Kornweihe, die in Deutschland mit nur etwa 40 bis 60 Brutpaaren einer der seltensten Greifvögel ist, ist das Federseemoor damit ein bedeutendes Reservat.
Die etwa mäusebussardgroßen Kornweihen sind leicht zu bestimmen: Sie haben einen auffallenden leuchtend-weißen Bürzel über dem Schwanzansatz. Die Männchen sind grau mit schwarzen Flügelspitzen, die Weibchen braun. Typisch ist der langsame, schaukelnde Flug. Beim Gleiten halten sie die Flügel V-förmig nach oben. Durch den niedrigen, langsamen Flug kann man sie gut von anderen Greifvögeln wie Mäusebussarden unterscheiden, die meist in höheren Regionen patrouillieren. Ursprünglich waren Kornweihen in ganz Europa verbreitet, sie brüten in offenen Landschaften wie Heideund Moorgebieten. Heute nistet der größte Teil in Nordeuropa.
Im Winterquartier am Federsee halten sich die Vögel tagsüber in ihren bis zu 20 Kilometer entfernt liegenden Jagdrevieren auf. Ihre Hauptnahrung besteht bei entsprechendem Angebot vor allem aus Mäusen – im Winter sind es bis zu zehn Mäuse pro Tag. Sie jagen im niedrigen Suchflug mit überraschenden Wendungen und Haken, nutzen gezielt Deckung aus und setzen auf den Überraschungseffekt. Notfalls verfolgen Kornweihen die Bodenbeute auch zu Fuß.
Bei den Führungen des NabuZentrums, donnerstags um 15 Uhr, können Naturfans unter fachkundiger Anleitung Kornweihen und andere seltene Vögel des Federseemoores kennenlernen. Vogelartenliste und weitere Naturbeobachtungstipps am winterlichen Federsee gibt es online auf