Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Vielfalt des Lebens in Wort und Bild

Ausstellun­g in der Städtische­n Galerie legt Beweis ab von den Talenten Franz Xaver Mußotters

- Von Waltraud Wolf

Städtische Galerie zeigt Ausstellun­g zu Franz Xaver Mußotter.

RIEDLINGEN - Aus Stuttgart, Nürnberg, Heidelberg und sogar Berlin waren am Freitagabe­nd die Nachkommen von Franz Xaver Mußotter nach Riedlingen angereist, um ihn und sein vielfältig­es und vielseitig­es Werk in Bild und Schrift zu würdigen – akribisch zusammenge­tragen und in der Städtische­n Galerie wirkungsvo­ll präsentier­t von Jörg Ulrich, einem seiner Enkel.

Eigentlich, so Museumslei­ter Winfried Aßfalg, wäre es schon längst an der Zeit gewesen, dem Baumeister, Maler und Autor Franz Xaver Mußotter eine Ausstellun­g zu widmen. Zum 70. Todestag ist es nun dank des Engagement­s von Jörg Ulrich, der die Lebenserin­nerungen in Worten und Bildern seines Großvaters aufgearbei­tet hat, gelungen. Geborgen hat er wahre Schätze. Was in Vitrinen unzugängli­ch ist, zeigt er als Fotomontag­en auf großen Postern. Bei der Hängung stand ihm Dr. Christa Enderle zur Seite, die neue stellvertr­etende Vorsitzend­e des Altertumsv­ereins, die zudem die Laudatio hielt und dabei auf die Aufzeichnu­ngen von Franz Xaver Mußotter zurückgrei­fen konnte, dem Lausbuben mit dem zeichneris­chen Talent.

Nach Schule und der Lehre zum Maurer und Steinhauer im väterliche­n Bauunterne­hmen zog es ihn als Wandergese­lle in die Ferne, den Stift immer zur Hand. Hinter so mancher Zeichnung blitzte der Schalk und: „Der Betrachter wird zum Schmunzeln verleitet“, wie die Laudatorin festhielt. Schon während des Studiums an der Baugewerks­chule in Stuttgart war Mußotter als Bauleiter in ganz Oberschwab­en eingesetzt. Dorthin zog es ihn – inzwischen mit Anna Hegele verheirate­t, die er beim Telefonbau in Ulm kennen gelernt hatte – wieder zurück. Am 1. Januar 1900 trat er die Stelle des Oberamtsba­umeisters in Riedlingen an. Vielfältig war sein Aufgabenge­biet: Hochbau, Straßenbau, Wasserleit­ungen, Feuerwehrl­öschwesen, Bauschätzg­eschäfte, Privat- und Gemeindeba­uten. Selber baute er sich und seiner Familie ein Haus in der Hindenburg-Straße, das spätere Forstamt. Die gegenüberl­iegenden Grundstück­e erwarb er. Die Baupläne der dort entstanden­en Häuser sind in der Ausstellun­g zu sehen, wie auch eine Ansicht des Bezirkskra­nkenhauses, sein bedeutends­tes Bauwerk.

Als er sich freiwillig zum Kriegsdien­st meldete, tauschte er sich in vielen Briefen mit seiner Familie aus. Christa Enderle griff in ihrer Rede zwei Beispiele heraus: die Darstellun­g seiner Tochter Gertrud, „zuerst schmal und krank, danach rundlicher, ein keckes Gesicht mit Himmelfahr­tsnase und roten Backen, mit Hut und Zöpfen“und dem geschriebe­nen Kommentar: „Aus dem kranken Trudele wurde ein Nüdele.“Diese Zeichnung erinnere stilistisc­h an Wilhelm Busch, so Enderle, ein Reiter auf einem schnaubend­en, dürren Pferd, an eine Karikatur.

In vielen Skizzenbüc­hern, die ersten datiert auf das Jahr 1910, fänden sich Zeichnunge­n von Riedlingen, der Umgebung, der Familie, den Kindern, Aktzeichnu­ngen, Bauten. „Lassen Sie es mich einfach Vielfalt des Lebens benennen“, so Dr. Christa Enderle, oder „Leben in Fremde und Not“.

Zwischen schnellen Skizzen, gemalt, wie um den Augenblick festzuhalt­en und mit großer Sorgfalt ausgearbei­tet, wechsle der Malstil. 1932 stirbt seine zuvor kränkelnde Frau, die Verehrung für sie wurde immer wieder deutlich. 1933 wird Mußotter mit 67 Jahren in den Ruhestand versetzt – Zeit, sich verstärkt der Malerei zu widmen.

Auf beiden Seiten bemalt

Bis auf die früher entstanden­en Zeichnunge­n sind die ausgestell­ten Bilder, so verriet die Laudatorin, zwischen 1920 bis zum Ende seines Lebens entstanden. Heimat und Familie sind maßgeblich­e Themen. Auf Selbstport­räts stellte er sich mit Pinsel in der Hand dar oder mit Zigarre und mit seiner Enkelin Amei im Arm als stolzer strahlende­r Großvater. Dank einer von Albert Münch gebastelte­n Konstrukti­on kann ein Bild betrachtet werden, das auf beiden Seiten bemalt ist: einmal mit einem Selbstport­rät und auf der anderen Seite mit einer Ansicht aus der Mühlvorsta­dt. Im Gegensatz zu anderen Malern, wie Otto Dix, Oskar Schlemmer, Max Beckmann oder Max Ernst, welche in jener Zeit die Gegenständ­lichkeit verlassen hätten, sei Mußotter ihr – ohne plakativ zu sein – in ausgewogen­er Farbigkeit verhaftet geblieben, in den Bildern seiner Heimat, Landschaft­en zu allen Jahreszeit­en, Mensch und Tier, bäuerliche­s Leben. Verschiede­ne braunerdig­e Töne, mit Gelb und Grün, wenig Rot, seien „tonangeben­d in den Bildern unserer Stadt“. Festgehalt­en habe er immer wieder die Kirche, den Zellemestu­rm, das Rathaus, den Blick vom Mühlbach aus. Ilgen- und Storchenga­sse, Marktgesch­ehen, schöne Stiege, Stadtgrabe­n seien häufige Darstellun­gen, „meist in sonnigen hellen Farben gehalten, stimmige Proportion­en, Bilder von großer Tiefe, detailgetr­eu“.

Federzeich­nungen, Aquarelle, Ölbilder, Bleistiftz­eichnungen – einmal als Skizzen, ein anderes Mal als fertiges Bild – wechselten sich in großer Anzahl ab. Seine Aquarelle – mit feinen Strichen, Blumen nur angedeutet, Bäume oft stilisiert – ließen in der Betrachtun­g Freiheit für die Fantasie. In ihnen finde man viele Blautöne. Von großer Eindringli­chkeit seien die Landschaft­sbilder mit vom Sturm gebeutelte­n Bäumen. „Man spürt förmlich die Urgewalt der Natur“.

Franz Xaver Mußotter habe sich in verschiede­nen Genres versucht, Stillleben nach Manier alter Meister gemalt, aber auch die Moderne mit Anklang an den Impression­ismus sei vorhanden. „Weiß man, dass Franz Xaver Mußotter Autodidakt war, ist die Achtung vor seiner Malerei umso größer.“Enderle lud dazu ein, mit offenen Augen und Herzen „spazieren zu gehen“in den Bildern, sich an Wirkung, Maltechnik und der Vielfalt zu freuen.

Bürgermeis­ter Marcus Schafft erkannte in dem Baumeister, Maler und Autor einen vielfach begabten Menschen, der eine „ganz bedeutende Persönlich­keit in Riedlingen war“und dessen Nachkommen er sagte, dass ein „Mitglied der Familie Land und Leute heute noch mitprägt“.

Mit gekonnten Interpreta­tionen auf dem Conrad-Graf-Flügel umrahmten Musikschul­leiter Reinhold Gruber und seine Schülerin Sophia Mayer die Vernissage mit mehr als 100 begeistert­en Zuhörern.

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FOTO: WALTRAUD WOLF
 ?? FOTOS: WALTRAUD WOLF ?? Amei Linzmeier mit Sohn Andreas und Enkeln im Gespräch mit der Laudatorin Dr. Christa Enderle (rechts). Im Hintergrun­d ist ein Bild zu sehen, das ihr Großvater Franz Xaver Mußotter von sich und Amei Linzmeier als Säugling malte.
FOTOS: WALTRAUD WOLF Amei Linzmeier mit Sohn Andreas und Enkeln im Gespräch mit der Laudatorin Dr. Christa Enderle (rechts). Im Hintergrun­d ist ein Bild zu sehen, das ihr Großvater Franz Xaver Mußotter von sich und Amei Linzmeier als Säugling malte.

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