Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Zeitung unterm Türspalt – verzweifelt gesucht
In der Villa Rot ist ein Kunstwerk verschwunden – Der Museumsleiter glaubt nicht an einen Diebstahl
- Aus der aktuellen Ausstellung in der Villa Rot ist ein Kunstwerk verschwunden. Der Museumsleiter Marco Hompes geht nicht von einem Diebstahl aus.
„Das geheime Leben der Dinge“heißt die Ausstellung; sie beschäftigt sich mit der Bedeutung von Alltagsobjekten in der Kunst. Dass dabei nicht jedes Werk sofort eindeutig als Kunst zu erkennen ist, könnte ein Schlüssel sein, um das Abhandenkommen einer Arbeit von Magnus Thierfelder zu erklären. Eindeutige Indizien, wie das vonstatten- ging, fehlen. Vorerst bleiben nur Vermutungen.
Ein Werk zur Macht der Medien
Fakt ist: Am vergangenen Freitag bemerkte der junge Museumschef Hompes, dass ein Werk des schwedischen Künstlers, der in der Villa Rot seine erste Einzelausstellung in Deutschland bestreitet, weg ist. Es handelt sich um einen Digitaldruck auf Bibelpapier. So wie er platziert war, konnte man meinen, unter die Tür des Notausgangs der Kunsthalle habe sich eine Zeitungsseite verirrt. „Die Intention war, dass die unscheinbare Arbeit erst auf den zweiten Blick als Kunstwerk und damit als Teil der Ausstellung deutlich wird, sodass die Besucher überrascht und kurzzeitig irritiert werden“, erklärt Hompes. „Erst bei genauerem Hinsehen konnten sie sehen, dass es sich nicht um eine Zeitung oder ein liegengebliebenes Stück Papier handelt, sondern um eine künstlerische Intervention.“Inhaltlich beziehe sich das Werk auf die Macht der Medien, die unterschwellige Ängste schüren können. Nur zwei Worte gab es auf dem Blatt zu lesen: „Anxiety Rises“(„Die Angst wächst“).
In der Mülltonne? Fehlanzeige!
Marco Hompes hat die Polizei über das Verschwinden des Kunstwerks informiert, er hält einen Diebstahl aber für unwahrscheinlich. Dafür sei die Arbeit allein schon vom Material her nicht wertvoll genug. Der Versicherungswert liegt bei 2000 Euro.
Ob eine Reinigungskraft das Papier versehentlich als Unrat betrachtet und entsorgt hat? Das Personal sei befragt worden, erinnere sich aber an nichts dergleichen, sagt Hompes. Er hat natürlich nichts unversucht gelassen und die Mülltonnen inspiziert. Vergeblich.
Im Vorfeld der Ausstellung habe man über das Risiko gesprochen, dass ein Blatt Papier unter einem Türspalt als Abfall missinterpretiert werden könnte, sagt Hompes. „Wir sind aber nicht davon ausgegangen, dass jemand daran zieht.“Als sich bei der Vernissage abzeichnete, dass dies doch passieren könnte, wurde der Digitaldruck vorsorglich mit Klebeband auf dem Boden fixiert.
Hompes will nicht ausschließen, dass vorige Woche tatsächlich jemand an dem Blatt gezogen, es wegen des Widerstand leistenden Klebebands zerrissen und die Fetzen erschrocken und beschämt eingesteckt hat. Zumal die Besucher der Ausstellung „Das geheime Leben der Dinge“durchaus animiert werden, Hand an die Exponate zu legen. Da ist zum Beispiel ein Puzzle, an dem sie knobeln dürfen, und die Installation „To Pull“von Antoanetta Marinov, bei der eine blaue Kordel zwischen drei Haken an der Wand mehr oder weniger durchhängt, je nachdem, wie sehr man daran zieht. An besucherstarken Tagen soll jetzt das Aufsichtspersonal aufgestockt werden.
Die Chancen, das Kunstwerk unversehrt wiederzufinden, erachtet Marco Hompes als minimal. Über das Verschwinden der Arbeit „Anxiety Rises“hat er Magnus Thierfelder, der in Malmö lebt, informiert. „Er hat mit Humor reagiert.“Und die Idee entwickelt, das verloren gegangene Exponat durch die Zeitungsseite zu ersetzen, in der über das Malheur berichtet wird. Die „Das geheime Leben der Dinge“ist bis 2. Juli in der Villa Rot zu sehen. Öffnungszeiten: Mittwoch bis Samstag von 14 bis 17 Uhr, an Sonn- und Feiertagen von 11 bis 17 Uhr.