Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Auf der Spur von Oberleutnant Franco A.
Ursula von der Leyen besucht Standort Illkirch – Ermittler sprechen von rechtsextremer Gruppe in Bundeswehr
- Das ist er also, der Schauplatz des Skandals, die Kaserne des Bataillons, zu dem Oberleutnant Franco A. gehört. Hier, im elsässischen Illkirch fanden BundeswehrErmittler am Wochenende Urkunden in Frakturschrift, Bilder von Wehrmachtssoldaten und Hakenkreuze an Zimmerwänden und in ein Sturmgewehr eingeritzt. Der 28-Jährige hat ein Doppelleben geführt, sich als syrischer Flüchtling ausgegeben und allem Anschein nach einen Anschlag geplant. Wo Marco A. seinen Dienst leistete, stehen am Mittwoch die Soldaten in Reih und Glied.
Ursula von der Leyen (CDU) ist aus Berlin herbeigeeilt. Die Verteidigungsministerin will mit ihrem Besuch beim Jägerbataillon 291 ein Zeichen setzen. Schonungslose Aufklärung sei jetzt das Gebot der Stunde, so ihre Botschaft. Sie sei aber auch gekommen, um den Soldaten den Rücken zu stärken. Die große Mehrheit mache eine hervorragende Arbeit: „Wir sind stolz auf Sie!“
Doch ist der Blitzbesuch bei der Truppe wirklich ein Beitrag zur Aufklärung oder nur Show-Politik im Wahlkampf, eine Vorwärtsverteidigung, wie Kritiker sagen? Die Verteidigungsministerin wird in den „Bunker“geführt, den Freizeitraum der Soldaten in der Kaserne „Quartier Leclerc“, mit heroischen Wandbildern von Wehrmachtssoldaten und Nachbildungen von Gewehren aus Hitlers Armee. „Die Wehrmacht ist in keiner Form traditionsstiftend für die Bundeswehr“, stellt von der Leyen klar. Das sei selbstverständlich.
Die Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt will sich aus erster Hand informieren lassen, denn sie steht unter Druck wie nie zuvor. Von der Leyens Vorwurf, die Bundeswehr habe ein Haltungs- und ein Führungsproblem, kam in der Truppe als Pauschalkritik an.
Kanzlerin gibt Rückendeckung
Als sie in Illkirch eintrifft, kommt Rückendeckung aus Berlin. Die Ministerin habe ihre volle Unterstützung, lässt Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ausrichten. Von der Leyen nimmt es zufrieden zur Kenntnis.
Auf dem Flug ins Elsaß hatte sie sich durchaus selbstkritisch gegeben. Über das Wochenende sei die ganze Dimension des Skandals auf ihrem Schreibtisch gelandet. „Mit diesem Informationsvorsprung“habe sie sich geäußert, heißt es aus ihrer Delegation. Im Klartext: Die Ministerin bedauert inzwischen das Pauschale an ihrer Kritik. Aber sie will etwas verändern an der Führungskultur der Truppe. Daran lässt sie keinen Zweifel. Erst die Übergriffe in Pfullendorf, Sondershausen und Bad Reichenhall, jetzt Illkirch – mit viel Kraft und Ernsthaftigkeit müsse nun die Aufklärung vorangetrieben werden, so von der Leyen.
Inzwischen sind die Vorgänge rund um die Masterarbeit von Franco A. weitergehend aufgeklärt. Ein Gutachter hatte das Werk seinerzeit als „radikalnationalistischen, rassistischen Appell“eingestuft. Jetzt heißt es, Franco A.'s direkter Vorgesetzter sei der Fall zu heiß gewesen, er habe den Fall daher zur Entscheidung an das Streitkräfteamt weitergegeben. Dessen Amtschef, Generalmajor Werner Weisenburger, habe gegen Disziplinarmaßnahmen und eine Einschaltung des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) votiert, heißt es aus von der Leyens Delegation. Franco A. bekam danach eine zweite Chance bei der Bundeswehr, wurde Berufssoldat.
Wie war das trotz der Hinweise auf seine rechtsextreme Gesinnung möglich? Gab es eine Todesliste, auf der auch Bundespräsident FrankWalter Steinmeier und Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) standen? Diese Fragen bleiben offen. Die Ministerin kündigt allerdings Veränderungen an der Wehrdisziplinarordnung an. Auch personelle Konsequenzen schließt sie nicht aus.
Im Visier der Ermittler ist jetzt auch ein zweiter Soldat aus der Kaserne in Illkirch. Einer möglichen rechtsextremen Gruppe um Franco A. sollen dem Vernehmen nach noch mindestens vier weitere Soldaten angehört haben. Darunter soll ein in Österreich lebender Reservist sein, der 2016 gemeinsam mit A. an einer Wehrübung in Illkirch teilgenommen haben soll. Zahlen zu fremdenfeindlichen und extremistischen Vorfällen finden Sie unter